Ägyptisch – islamischer Todestag Ahmad al – Badawis
Ahmad al – Badawi (auch: il – Bedawī oder Baudaui, 1199/1200 – 1276) ist seit mehr als 700 Jahren der populärste, hoch verehrte ägyptisch – muslimische Heilige, eine Art "Nationalheiliger" (vgl. Catherine Mayeur – Jaouen, a.a.O.).
Als Sufi trug er den Namen „al – kutb“ = der Pol (vgl. Donzel /Gibb, Bd. 1, S. 280, a.a.O.). Von einfachen Ägyptern wird er bis heute vielfach als „is – sayyid“ = der Herr bezeichnet. In ägyptischen Ehrenliedern wird er als „sheikh il – Arab“ bezeichnet, wegen seines Beinamens al – Badawi (von ar. „badw“ = Beduine, Nomade, da er einen Schleier getragen haben soll, wie viele maghrebinischen Nomaden).
Ahmad Sayyid al - Badawi stammte aus Fes in Marokko seine Familie führte ihren Stammbaum bis auf Ali b. Abu Talib (vgl. ð Geburtstag Als), den Cousin und Schwiegersohn des Propheten Muhammad, zurück. Die Legende spricht ihm wundersame Fähigkeiten zu, so soll er – wie z. B. auch der junge Gautama – bereits am Tage seiner Geburt haben sprechen können.
Schon als Kind nahm ihn seine Familie auf eine mehrjährig angelegte Pilgerfahrt nach Mekka mit, wo sein Vater starb.
Der junge Ahmad blieb in Mekka, wo er einen Ruf als wagemutiger Reiter erwarb. Um 1230 erlebte er einen inneren Wandel, er begann den Koran und das Recht der schafitischen Schule zu studieren. Immer stärker widmete er sich den religiösen Studien, zog sich von den Menschen zurück und lehnte eine ehrenvolle Eheschließung ab. Er praktizierte eine weitgehende Schweigsamkeit und machte sich vornehmlich durch Zeichen und Gesten verständlich.
Nach der Überlieferung hatte er dann 1236 drei Visionen, die ihn aufforderten, den Irak zu besuchen. Zusammen mit seinem älteren Bruder Hasan pilgerte er in den Irak, wo er die Gräber vieler Heiliger besuchte, u.a. das Grab des Sufi Abd al – Kadir al – Djilani, des Gründers des Kadiriyya – Ordens.
Im Irak soll Ahmad die unbezähmbare Fatima bint Barsi "gebändigt" haben, die sich zuvor niemals einem Mann ergeben hatte. Ein Heiratsangebot von ihr lehnte er jedoch ab.
Diese Episode ist Gegenstand von vielerlei romantischen Erzählungen in bis heute populärer Literatur. Literaturwissenschaftler führen das Motiv zurück bis auf die altägyptische Mythologie.
Im Jahre 1236 /37 hatte Ahmad al – Badawi erneut eine Vision, die ihm befahl, sich nach Tanta [1] , einer ägyptischen Stadt, zu begeben.
In Tanta soll er das Dach eines Privathauses bestiegen haben und dort (phasenweise, aber für die die restlichen 40 Jahre seines Lebens) stehend unbeweglich in die Sonne gestarrt haben, bis sich seine Augen röteten und entzündeten, aussahen für glühende Schlacke (vgl. Donzel /Gibb, Bd. 1, S. 280, a.a.O.). Phasenweise fastete er - angeblich - 40 Tage ohne Essen und Trinken[2].
Al - Badawi begründete in Tanta die in Ägypten hoch angesehene Bruderschaft Ahmadiyya [3], die man bis heute an dem roten Turban erkennt. Al - Badawi starb im Jahre 1276 in Tanta. Sein Grab wurde rasch zu einem viel besuchten Wallfahrtsort. Seine Anhänger und Nachfolger ließen über seinem Grab eine Moschee errichten.
Die orthodoxe Ulama versuchte mehrfach vergeblich die Wallfahrten zu verbieten, so z.B. im Jahre 1448 (vgl. Laoust, S. 287, a.a.O.). Zumindest zwei der „khalifa“ (Nachfolger) von al – Badawi wurden auf Betreiben der staatlich – sunnitischen Instanzen hingerichtet.
Die heutige Grabmoschee al - Badawis stammt aus dem 19. Jhdt., zu ihr gehören drei Medresen. Präsident Sadat ließ der Moschee in Tanta ein großes Peristyl und zwei Minarette hinzufügen (vgl. Donzel /Gibb, Bd. 10, S. 189, a.a.O.).
Viele Legenden und Wunder werden über al – Badawi bis heute erzählt, auch aus dem Grabe heraus soll er Wunder gewirkt haben. Er gilt (wie der ð Hl. Antonius von Padua) als Helfer beim Wiederauffinden verlorener Dinge, auch Gefangene soll er wieder zurückbringen.
Heute finden die Wallfahrten zu den großen jährlichen Festen und zu al – Badawis Todestag statt. Zu seinem Todestag versammeln sich Hunderttausende von Verehrern al - Badawis in Tanta zu religiösen Übungen (zikr), Prozessionen und eher weltlichem Amüsement, einem großen Volksfest.
Viele Ägypter beginnen die Wallfahrt nach Mekka mit einer Pilgerreise nach Tanta, al – Badawi wird vielfach als „bab in-nebi“, das Tor zum Propheten betrachtet.
Goldziher [4] glaubte Beziehungen zwischen den Wallfahrten nach Tanta und den altägyptischen Prozessionen nach Bubastis zu erkennen, wie sie Herodot beschrieben hat [5] .
Das jetzige Oberhaupt des Burhaniya – Tariqa, Ibrahim Scheich Muhammad Uthman, berichtet von einem Berufungserlebnis, dass die außerordentliche Popularität al – Badawis auch in der Gegenwart noch verdeutlicht: In einem der Träume, den der Scheich noch als Kind hatte, nahm der Heilige Ahmad al Badawi ihn bei der Hand und führte ihn zum Berg der Heiligen (dschabal auliya) in der Region Khartoum im Sudan. Der Heilige habe dem Berg einen Schlag versetzt, so dass sich in ihm eine Höhle bildete. "Bete in dieser Höhle !", befahl er Muhammad Uthman. Nach dem Erwachen wunderte sich der Knabe über diesen Auftrag. Er erkundigte sich beim Vorsteher des benachbarten Dorfes, was es mit dem Berg auf sich habe. Der Dorfvorsteher erklärte ihm, der Berg heiße - seitdem Heilige in einer seiner Höhlen gebetet hätten - Dschabal Auliya. Muhammad Uthman habe dort schließlich den Ort gefunden, der ihm der Traum offenbart worden war: eine Höhle, deren Grund von feinem weißen Sand bedeckt und in der die Gebetsrichtung angedeutet war. Auch in späteren Jahren sei er er zu dieser Höhle zurückgekehrt und habe dort Monate zurückgezogen verbracht (vgl. www.tariqa-burhaniya.ch ).
Der Wohltätigkeitsverein e. V. in Berlin 10555, Wilhelmshavener Str. 47 zum Beispiel trägt den Namen „Al-Badawi“.
(veränderlich, nach dem islamischen Mondkalender, am 12. Tag des Monats Rabi I)
© Christian Meyer
[1] Die Stadt Tanta liegt ca. 90 km nördlich von Kairo im Nildelta. Im Jahre 1996 hatte Tanta mehr als 400.000 Einwohner.
[2] Viele dieser asketischen Übungen erinnern an die christlicher Heiliger, ihr 40tägiges Fasten oder das Leben der Säulenheiligen.
[3] Die Bruderschaft der Ahmadiyya ist nicht zu verwechseln mit der sich selbst als Reformbewegung verstehenden „Sekte“ Ahmadiyya Muslim Jamaat (vgl. www.ahmadiyya.de). Gegründet wurde sie von Hazrat Mirza Ghulam Ahmad von Qadian (1835-1908) im Jahre 1889 in Qadian (Punjab/Nordindien). Seit 1875 hatte er (angeblich) Offenbarungen und Visionen von Gott erhalten und wurde darin zum "Verheißenen Messias" (Imam Mahdi) erklärt. Viele Muslime sehen in den Angehörigen dieser Ahmadiyya wegen ihrer Abweichungen keine Muslime mehr. Die Moschee in Berlin - Wilmersdorf (Ecke Brienner Straße) gehört zu der Ahmadiyya.
Auch in jüngerer Vergangenheit traten immer wieder verschiedene Personen als Mahdi auf, so 1930 bei Auseinandersetzungen in Menemen (nördlich von Izmir/Türkei). Der dortige Müftü Camii, ein Derwisch Mehmet, behauptete am 23. Dezember 1930 öffentlich der Mahdi zu sein und fand spontan viele Anhänger, die mit grünen Fahnen für das Scheriat demonstrierten. Um den Aufruhr einzudämmen ließ der in Menemen stationierte Offizier Kubilay den selbsternannten Mahdi festnehmen. Das jedoch führte zu noch heftigeren Auseinadersetzungen, in deren Verlauf Kubilay schwer verletzt in den Innenhof der Moschee gebracht wurde. Anhänger Mehmets töteten Kubilay dort, schnitten sein Kopf an, spießten ihn auf eine Stange und trugen ihn zusammen mit einer grünen Fahne durch die Stadt. Städtische Wachtleute. Die dazwischen traten wurden desgleichen ermordet. Die Armee schlug den Aufruhr schließlich nieder, wobei zwei Aufrührer (einer von ihnen war Mehmet selbst) ums Leben kamen. Über Menemen wurde der Belagerungszustand verhängt. Nach einem Prozess wurden 37 Anhänger Mehmets zum Tode verurteilt und gehängt, weitere zu z.T. hohen Gefängnisstrafen verurteilt. In Menemen erinnert das Kubilay Şehit Anıtı an diese Episode.
[4] Ignaz Goldziher (1850 – 1921), der in Budapest lebende jüdische Gelehrte, gilt auf dem Gebiet der Islamkunde heute als einer der großen Pioniere des Faches. Er erforschte den Islam in seiner ganzen Breite und sah in ihm eine kulturgeschichtliche Erscheinung, deren Entwicklung wesentlich von religiösen Ideen bestimmt wird. Goldzihers “Tagebuch” erlaubt Einblicke in sein Leben und seine Forschungsinteressen.