Abb. Erste Stammbaum – Skizze Darwins aus dem Jahre 1837 (aus dem „Notebook B“, heute in der Cambridge University Library; ausgestellt auf der Darwin – Ausstellung im Berliner Naturkunde – Museum). Am Rande notierte Darwin schon damals, dass die Ausdifferenzierung von Arten und Gattungen Aussterben verlange.
Darwinfiinken
12. Februar 1809 Geburtstag von Charles Darwin [1]
Charles Darwin stammte aus einer wohlhabenden englischen Familie, sein Vater war Arzt. Einer der Großväter Darwins war der Naturforscher Erasmus Darwin (hinsichtlich der Evolution ein Vorläufer
Charles Darwins), der andere der berühmte englische Keramikfabrikant Josiah Wedgwood [2] .
Der junge, kränkelnde Charles sollte nach dem Wunsche des Vaters ebenfalls Arzt werden, begann auch in Edinburgh ein – ungeliebtes – Studium der Medizin. Darwin verließ jedoch Edinburgh 1827 ohne
Abschluss. Er begann in Cambridge – lustlos – das Studium der Theologie, hörte aber daneben auch Vorlesungen in Geologie und Biologie: Für die Natur hatte er schon als Kind allergrößtes Interesse
gezeigt. 1831 erwarb Darwin dennoch einen Studienabschluss („Bachelor of arts“) in Theologie.
Im selben Jahr noch begann der junge Darwin - auf eigene Kosten - ganz überraschend und wenig vorbereitet eine Forschungsweltreise. Der Botanikprofessor John S. Henslow, der botanische und
geologische Mentor Darwins empfahl ihn für die Reise; Henslow schrieb 1831 an Darwin: „Du bist genau der Mann, den sie suchen“. Eigentlich sollte Darwin eine standesgemäße Begleitung des Kapitäns
der „HMS Beagle“ („beagle“ = „kleiner Spürhund“), Robert FitzRoy [3] sein. Zudem wünschte der Kapitän einen geologisch versierten Begleiter für die Reise.
Faktisch hoffte der junge Theologe Darwin durch die Expedition Beweise für die Richtigkeit der biblischen Schöpungsgeschichte zu finden.
Die Fahrt der „Beagle“, für Darwin eine „Reise in die Erkenntnis“ (so der Titel der Darwin – Ausstellung im Berliner Naturkunde – Museum im Frühjahr 2009), dauerte ca. 5 Jahre, vom 27. Dezember
1831 bis zum 2. Oktober 1836. Die Beagle hatte v.a kartographische Vermessungsaufgaben. Zum Beispiel führte die „Beagle“ zur genauen Längengradbestimmung 24 Präzisionschronometer mit sich.
Die Reise führte zu den Kapverden, über den Atlantik nach Braslien [4], entlang der Ostküste Südamerikas, zu den Falkland – Inseln, um das Kap Hoorn, an der Westküste Südamerikas nach Norden, zum
Galapagos – Archipel, durch die Südsee über Tahiti nach Neuseeland und Australien [5], schließlich um Südafrika und über die Kapverden und die Azoren zurück nach England.
Während der gesamten Reise hatte der zweiundzwanzigjährige naturkundliche Quasi – Autodidakt Darwin viel Muße, sich intensiv mit Gesteinen und Fossilien, mit Pflanzen und Tieren sowie der
Fachliteratur zu beschäftigen. Obwohl Darwin fortwährend seekrank war, sammelte und forschte er eifrig und schickte schon von unterwegs viele Sammelstücke und Präparate zurück nach England.
Insgesamt brachte Darwin knapp 4000 getrocknete Tiere und Pflanzen zurück, darüber hinaus noch ca. 1600 in Spiritus konservierte Tiere [6].
Seine Beobachtungen während der Reise notierte Darwin in verschiedenen – erhalten gebliebenen – Notizbüchern, die heute ein genaues Nachvollziehen der Entwicklung von Darwins Vorstellungen
ermöglichen.
San Christobal im Galápagos - Archipel erreichte die Beagle im September 1835.
Die Galapagos – Inseln verdanken ihren Namen den Schildkröten (vgl. Neef, S. 368, a.a.O.)., span. „galapagos“ = „Wasserschildkröten. Darwin beschreibt ins einem Reisetagebuch plastisch, wie die
Schildkröten auf dem Archipel durch die Menschen dezimiert wurden. Auch Darwin lebte auf den Inseln überwiegend von Schildkrötenfleisch, fand es aber nur mäßig.
Die heute zu Ekuador gehörenden pazifischen Inseln wurden 1535 von spanischen Seefahrern zufällig entdeckt und blieben bis ins 16. Jhdt. unbewohnt. Das Archipel verdankt sein kühles Klima dem
kalten Humboldt–Strom. Die zehn Hauptinseln haben alle eine ähnliches Klima und auch eine ähnliche Höhe. Ihrer Abgelegenheit - sie sind ca. 1000 km von der südamerikanischen Festlandsküste
Ecuadors entfernt und hatten zu Darwins Zeit ca. 200 - 300 Einwohner verdanken die Inseln ihre zahlreichen endemischen Tier- und Pflanzenarten.
Die Inseln liegen über einem "hot spot", einer Region, in der der Meeresgrund magmatisch besonders aktiv ist, wo Lava aus dem Erdinneren, durch die Lithosphäre, aufsteigt, sich
unterirdische Vulkane und schließlich auch Vulkaninseln bilden. Hot spots befinden sich zwar geologisch lange Zeiträume stabil an einem Ort [7] , aber durch die Plattentektonik bewegen sich die
jeweiligen Lithosphären - Platten (hier die Cocos - Platte) mehr oder weniger kontinuierlich in eine Richtung weiter. Die Prozesse wiederholen sich und es entstehen so (im Idealfall)
perlenschnurartig aufgereihte, altersabhängig lineare Vulkaninsel – Ketten (wie z.B. auch die Hawaii-Inseln). Im Galápagos - Archipel werden die Inseln in südöstlicher Richtung immer älter. Der
Archipel in entgegen gesetzter Richtung der Plattendrift (vgl. Jacob, S. 70, a.a.O.) wandert jährlich einige Zentimeter weiter, seit der Darwin – Zeit ca. 9 m.
Die Galápagos - Inseln zählen zu den aktivsten vulkanischen Regionen, von 1800 bis 1994 wurden mehr als 60 Eruptionen in diesem Gebiet beobachtet. Der letzte größere Ausbruch ereignete sich auf
der Insel Isabella am 15.September 1998.
In dem Reisetagebuch Darwins werden englische Namen für die Galapagosinseln angegeben, die Benennung erfolgte nach den Stuart – Königen Englands.
Auf den Galapagos – Inseln, die durch die „Beagle“ innerhalb von fünf Wochen vermessen und kartiert wurden, war Darwin fasziniert von der unglaublichen Variationsbreite des Lebens auf den
verschiedenen Inseln. Obwohl die Inseln in Sichtweite von einander liegen, variierten einige Tier- und Pflanzenarten [8] von Insel zu Insel leicht – warum aber sollte Gott für jede Insel eigene
Arten geschaffen haben? Die berühmten „Darwin – Finken“ [9] auf den Galapagos – Inseln – die später nach Darwin benannt wurden, erkannte Darwin nicht als Finken. Dass sie es waren, die Darwin
plötzlich auf die Evolutionsvorstellung brachten, ist schlicht eine Legende [10].
In Darwins „Ornithologischen Notizbüchern“ findet sich im April 1836 – noch an Bord der „Beagle“ – ausgehend von der Vogelwelt auf den Galapagosinseln ein erster Hinweis auf „Transmutations“ (=
Evolutions) – Vorstellungen: „…Wenn diese Bemerkungen auch nur im geringsten begründet sind, dann ist die Zoologie von Archipeln es wohl wert, genauer untersucht zu werden; denn derartige Fakten
würden die Auffassung von der Unveränderbarkeit der Arten untergraben“.
Von seiner Weltreise zurückgekehrt wertete Darwin seine Beobachtung in jahrelanger Kleinarbeit aus und gelangte immer mehr zur Überzeugung, das Leben in seiner heutigen Vielfalt sei auf der Erde
durch einen Evolutionsprozess entstanden.
Zwischen 1836 – 42 lebte Darwin in London. 1839 heiratete er seine Cousine Emma Wedgwood. In seinem Gut „Down house“ [11] in der Grafschaft Kent lebten Darwin und seine Familie (er hatte sieben
Kinder) zurückgezogen als Privatgelehrter seit dem Jahre 1842. Darwin veröffentlichte im Laufe der Jahre verschiedene botanische, zoologische und geologische Publikationen, obwohl er sich –
bescheiden – als „botanischer Ignoramus“ bezeichnete.
Zur Publikation seiner Evolutionsvorstellung aber entschloss sich Darwin erst, als er einen Brief und ein Manuskript von Alfred R. Wallace (1823 – 1913) erhielt. Wallace hatte im malaiischen
Archipel – auf den Molukken - ähnliche Beobachtungen gemacht, wie Darwin in Südamerika. Dabei war er – ebenfalls an Malthus anknüpfend aber völlig unabhängig von Darwin – auf die Vorstellung von
einer natürlichen Auslese gekommen. Wallace bat Darwin darum, das Manuskript zu prüfen und es ggf. , bei Interesse an Charles Lyell zu Publikation weiter zu geben.
Lyell und Darwin veröffentlichten daraufhin die Schrift von Wallace zusammen mit einem Evolutionsaufsatz von Darwin.
Darwin verband anschließend eine lebenslange Freundschaft mit Wallace, der neidlos die Priorität Darwins anerkannte.
Ein der Einleitung seines Hauptwerks „Entstehung der Arten“ (1859) betonte Darwin: „Ich bin fest überzeugt, dass die Arten nicht unveränderlich ……sind. Und ebenso fest bin ich überzeugt, dass die
natürliche Zuchtwahl das wichtigste, wenn auch nicht das einzige Mittel der Abänderung war“ (Darwin, 1990, S. 19, a.a.O.).
Im 3. Kapitel des Werkes (überschrieben mit der Kapitelüberschrift „Der Kampf ums Dasein“) bezeichnete Darwin das Prinzip, „…. das jede geringfügige, wenn nur nützliche Veränderung konserviert,
‚natürliche Zuchtwahl’…., um seine Beziehung zu der vom Menschen veranlassten künstlichen Zuchtwahl zu kennzeichnen. Indessen ist der von Herbert Spencer gebrauchte Ausdruck Überleben des
Tüchtigsten besser und zuweilen ebenso bequem“ (Darwin, 1990, S. 75, a.a.O.).
Innerhalb der natürlichen Zuchtwahl spielt nach Darwin die „geschlechtliche Zuchtwahl“ eine besondere Rolle: „Diese Form der Zuchtwahl hängt nicht von einem Kampf ums Dasein mit anderen Lebewesen
oder äußeren Umständen ab, sondern vom Kampf zwischen den Individuen eines Geschlechts, gewöhnlich des männlichen, um den Besitz des anderen. Das Schlussergebnis für den erfolglosen Mitbewerber
ist nicht dessen Tod, sondern eine geringe oder gar keine Nachkommenschaft. Die geschlechtliche Zuchtwahl ist deshalb weniger streng als die natürliche. Gewöhnlich werden die lebenskräftigsten
Männchen, die ihren Platz in der Natur am besten angepasst sind, die meisten Nachkommen haben“ (Darwin, 1990, S. 101, a.a.O.). Bei manchen Vögeln z.B. „… entfaltet ein Männchen nach dem anderen
in sorgfältigster Weise sein Prachtgefieder. Sie stellen sich gleichsam theatralisch vor den Weibchen zur Schau, das schließlich den anziehendsten Bewerber wählt“ (Darwin, 1990, S. 101,
a.a.O.).
Darwin betonte das Vorkommen von Parallelentwicklungen von Tieren und Pflanzen verschiedner Gattungen, die sich in völlig anderen Regionen der Erde zu z.T. verblüffend ähnlichen Phänotypen
entwickelten (z.B. der Wolf und der Beutelwolf, oder die Ratte und die Kängururatte).
Anklänge an evolutionäre Auffassungen finden sich jedoch bereits in der Antike, z.B. bei Empedokles oder Anaximander.
Auch Buffon und Goethe (im Anschluss an die Metamorphosenlehre) neigten diesen Vorstellungen zu.
Carl von Linné (1707 – 78) veröffentlichte in der 10. Auflage seines „Systema naturae“ zwar die älteste Fassung der binären Nomenklatur, war aber ein Anhänger der Konstanz der Arten. Linné
formulierte: „Es gibt so viel Arten, als der göttliche Geist am Anfang lebende Wesen erschaffen hat“ (Linné, zit. n. Haeckel, 1951, S. 30, a.a.O.).
Vor allem Erasmus Darwin systematisierte diese Gedanken: Einige wenige Urwesen könnten durch Urzeugung / Selbstzeugung entstanden sein. Aus ihnen hätten sich dann in vielen Generationen die
höheren Formen gebildet, durch z.B. Gebrauchswirkung (beispielsweise die Gliedmaßen) oder durch geschlechtliche Zuchtwahl.
Aufbauend auf dem älteren Darwin entwickelte Jean Lamarck (1744 – 1829) seine Deszendenzlehre, „Philosophie zoologique“ (1809): die Anpassung der Lebewesen an veränderte Lebensbedingungen bewirke
körperliche Veränderungen, die auf die folgenden Generationen vererbt würden.
Schon 1844 wurde anonym die Schrift „Vestiges of the Natural History of Creation“ des englischen Verlegers und Autors Robert Chambers (1808 – 1871) veröffentlicht und wurde – trotz eines Sturms
der Entrüstung - ein großer kommerzieller Erfolg. Chambers beschrieb in der Schrift einen langsamen Evolutionsprozess, ohne jedoch Mechanismen der Evolution anzuführen. Auch Darwin lehnte das
Buch als rein spekulativ ab.
Aber alle diese frühen Deszendenzlehren blieben von den Naturforschern nahezu unbeachtet bzw. wurden abgelehnt und konnten sich nicht durchsetzen.
Eine Lücke in Darwins Auffassungen war jedoch das Fehlen einer Erklärung des Zustandekommens und der Vererbung der Varietäten. Die Lamarck’sche Theorie von der Vererbung erworbener Eigenschaften
lehnte Darwin ab.
Darwin beschäftigte sich auch bereits mit Fragen wie den „lebenden Fossilien“ (vgl. Darwin, 1990, S. 118, a.a.O.) oder der Koevolution.
Darunter versteht man die parallele Evolution z.B. von Blütenpflanzen und ihren Bestäubern. So sagte Charles Darwin beispielsweise die Existenz eines Schmetterlings mit einem ca. 20cm langen
Rüssel voraus, der zur Bestäubung einer entsprechenden madegassischen Orchidee (Angraecum eburneum) existieren müsse. Tatsächlich wurde dieser Nachtfalter Jahrzehnte später in Madagaskar
entdeckt. Der Falter – „Xantthopan morgani f.“ erhielt zur Erinnerung an Darwins Voraussage den Beinamen „predicta“ – vorausgesagt.
In den ersten Jahren nach der Veröffentlichung der „Entstehung der Arten“ erfuhren Darwins Auffassungen auch von den Fachgelehrten überwiegend eine deutliche Ablehnung, allerdings auch
begeisterte Zustimmung.
Der Hallenser Zoologe und Paläontologe Christoph Gottfried Giebel (1820 – 1881) meinte, Darwins Buch bilde „… ein Chaos von Unglaublichkeiten und unbewiesenen Dummdreistigkeiten“ (Giebel, zit. n.
Haeckel, 1951, S. 7, a.a.O.). „In ein paar Jahren wird kein Mensch mehr von dem englischen Humbug sprechen“ formulierte der damals angesehene Berliner Geologe und Paläontologe Heinrich Ernst
Beyrich (1815 - 1896).
Der Straßburger Botaniker und Theologe Wilhelm Philipp Schimper (1803 – 1880) hielt Darwins Lehre für „… die kurzsichtigste, niedrig – dümmste und brutalste, die möglich“ sei (Schimper, zit. n.
Haeckel, 1951, S. 7, a.a.O.).
Marie – Jean Pierre Flourens (1794 – 1867), der Sekretär der Pariser Akademie der Wissenschaften, meinte in seinem „Examen du livre de M. Darwin“ (1864): „… welche dunkle Gedanken, welche falsche
Ideen“ (Flourens, zit. n. Haeckel, 1951, S. 7, a.a.O.).
Der Bonner Professor Micheles verurteilte die Evolutionslehre und insbesondere Haeckels „Anthopogenie“ (1874) als „…Attentat auf die Wahrheit der Offenbarung, auf der Grundlage der Religion und
auf die Bedingung der Sittlichkeit“ (Haeckel, 1951, Einleitung, S. 11, a.a.O.).
Im Jahre 1860 kam es in dem Hörsaal des Naturgeschichtlichen Museums in Oxford auf der Jahrestagung der „British Association for the Advancement of Science“ zu jenem berühmten Disput zwischen
Samuel Wilberforce, dem Bischof von Oxford, und Thomas Henry Huxley (1825 – 1895). Der Bischof fragte Huxley, der Darwins Lehre verteidigte, vor Eintausend Zuhörern ob jener, Huxley, über seine
Großmutter oder den Großvater mit dem Affen verwandt sei. Die legendäre Antwort Huxleys lautete, dass er lieber einen Affen zum Großvater hätte als einen Mann, der Bildung und Einfluss dafür
einsetze, eine wissenschaftliche Diskussion ins Lächerliche zu ziehen.
Im Jahre 1863 wendete Th. H. Huxley in „Evidences as to man’s place in nature“ (dtsch. 1864) Darwins Theorie auf den Menschen an.
Eine viktorianische Dame, die damals mit Darwins Theorie bekannt wurde, soll geäußert haben: „Hoffen wir, meine Liebe, dass es nicht wahr ist, aber wenn es wahr ist, wollen wir beten, dass es
nicht allgemein bekannt wird“.
Schon Darwin selbst nahm aufgrund verschiedener Indizien an, dass der Mensch ursprünglich aus Afrika stamme.
Ernst Haeckel (1834 – 1919), Hochschullehrer in Jena, wurde der wichtigste Verteidiger, Propagandist und Weiterentwickler der Evolutionslehre in Deutschland. Allerdings näherte er sich deutlich
sozialdarwinistischen und rassistischen Positionen.
Schon im Wintersemester 1862/63 veranstaltete Haeckel eine Vorlesung zur Darwinschen Evolutionslehre, die von vielen Studenten begeistert aufgenommen wurde (vgl. Haeckel, 1951, Einleitung, S. 7,
a.a.O.).
Ernst Haeckel nutzte eine Studienreise auf die Kanarischen Inseln 1866/67 zu einem Besuch bei Charles Darwin.
Für Ernst Haeckel begann mit der „großartigen Theorie“ Darwins über die „… allmähliche Entwicklung der organischen Wesen aus gemeinsamen Stammformen…“ für die Naturforschung „… eine neue Epoche“
(Haeckel, 1951, S. 17, a.a.O.). Schon in seinen Radiolarien – Forschungen bemerkte er „… mehrfache Übergänge“ von einer Art zur anderen und sah „…. darin eine Bestätigung der Darwinschen
Behauptung“ (Haeckel, 1951, S. 18).
Haeckel formulierte 1872 das „biogenetische Grundgesetz“, nach dem die Ontogenese (die individuelle Entwicklung) die verkürzte Rekapitulation der markanten Stellen der Phylogenese [12] (der
Stammesentwicklung) sei (vgl. Geißler, 1981, S. 421, a.a.O.).
Haeckel sagte einen „Affenmenschen“ („Pithecanthropus“) voraus, als hypothetisches Bindeglied zwischen den affenähnlichen Vorfahren des Menschen und den heutigen Menschen. Tatsächlich wurde dann
1891 von Dubois auf Java ein Pithecanthropus ausgegraben – Dubois bezog sich bei der Namensgebung ausdrücklich auf Haeckels Voraussage.
Charles Darwin (Photo um 1875)
Charles Darwin starb am 19. April 1882 und wurde am 26 April in dem nördlichen Seitenschiff der Westminster Abbey zu London beerdigt. Nahebei liegen die Gräber von John Herschel und Isaac Newton.
An der Beerdigung nahmen u. a. Sir Joseph Hooker und Alfred Russel Wallace teil.
Darwins Grab mit der Inschrift „Darwin“ ist mit einem Bronzerelief von dem Bildhauer Joseph Edgar Boehm [13] aus dem Jahre 1888 geschmückt.
Darwin ist – trotz aller seiner interessanten Vorläufer – der eigentliche Begründer der modernen Deszendenz- und Evolutionslehre, - der zentralen Theorie der modernen Biologie. Aber Darwins
Vorstellungen wurden auch bedeutsam für die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften, sie wurden – nicht nur in Gestalt des Sozialdarwinismus – zu einem problematisch umgedeuteten Paradigma der
Wissenschaften. Der „Kampf ums Dasein“ wurde zu einem verhängnisvollen und Darwins eigenen Vorstellungen nicht entsprechenden Leitgedanken für die Gesellschaft, die Politik, die Wirtschaft und
die Wissenschaft. Dabei kann als sicher angesehen werden, dass auch Symbiose und soziale Kooperation als Evolutionsfaktoren von zentraler Bedeutung sind.
Immer wieder wurde die Frage nach Darwin und dem Glauben an Gott aufgeworfen. Es scheint, dass der Tod seiner zehnjährigen Tochter Anne Elizabeth Darwins Glauben an einen gerechten Gott zumindest
stark erschüttert hat.
Zweifel an den biblischen Schöpfungsmythen kamen zum Beispiel durch die Frage auf, dass unmöglich jeweils zwei Exemplare jeder Art an Bord der Arche Platz gefunden hätten.
Berühmt ist eine Änderung, die Charles Darwin in der 2. Auflage am Schluss der „Entstehung der Arten“ vorgenommen hatte. In der ersten Auflage hatte er noch geschrieben, dass der Keim des Lebens
„wenigen, vielleicht auch nur einer einzigen Urform eingehaucht worden sei“. Seit der 2. Auflage aber hieß es im letzten Satz des Werkes, „dass der Schöpfer den Keim alles Lebens, das uns umgibt,
nur wenigen oder gar nur einer einzigen Form eingehaucht hat…“ (vgl. Darwin, 1990, S. 538, a.a.O.). Darwin, der nicht an Gott glaubte, überließ dennoch der Religion diese letzten Fragen; seiner
Ansicht nach fielen sie wohl nicht in den Bereich der Naturwissenschaften.
Die katholische Kirche stand der Evolutionslehre jahrzehntelang kritisch gegenüber, setzte aber die Schriften Darwins nie auf den Index. Heute ist das Verhältnis relativ entspannt. Im
Oktober/November 2008 tagte die Jahreshauptversammlung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften [14] zum Thema „Einblicke in die Evolution“.
Erzbischof Gianfranco Ravasi, der Präsident des päpstlichen Kulturrates meinte: „Zwischen Naturwissenschaften und Theologie gibt es heute keine chinesische Mauer und keinen eisernen Vorhang mehr.
Grundsätzlich ist die heilige Schrift mit der Evolutionslehre vereinbar“ (vgl. „Wunderwelt – Wissen – Magazin“, Heft Februar – März 2009, S. 29).
Papst Benedikt XVI. formulierte seinen Standpunkt: „Auch wenn der menschliche Körper seine Existenz der biologischen Evolution verdankt – beseelt wird er unmittelbar von Gott“ (vgl. „Wunderwelt –
Wissen – Magazin“, Heft Februar – März 2009, S. 29).
Die anglikanische Kirche hat sich im September 2008 offiziell dafür entschuldigt, dass sie Darwins Evolutionstheorie „falsch verstanden“ habe. Mit dieser bizarren Geste richtete sich die Kirche
direkt an Darwin, obwohl dieser schon vor mehr als 120 Jahren tot ist. Einer von Darwins Ururenkel hat die Geste der anglikanischen Kirche als sinnlos abgetan.
Für viele Christen, Juden und Muslime allerdings scheinen Evolution und Schöpfungsvorstellung heute problemlos vereinbar. Die beiden Sichtweisen gehören für sie verschiedenen Diskursen an, die
Bibel, die Thora oder der Koran werden dabei nicht mehr als Biologiebücher betrachtet.
Erst im Jahre 1927 wurde die mutationsauslösende Wirkung von Röntgenstrahlung entdeckt und die Mutationsforschung entwickelte sich zu einem zentralen Teil der Genetik.
Im Jahre 2003 wurde die „Darwin – Gesellschaft zu Berlin“ gegründet, u.a. mit Günther Tembrock (Präsident) und Ernst Mayr, die erste Gesellschaft dieses Namens.
Evolutionsforscher finden in den letzten Jahren immer mehr Indizien dafür, dass auch zumindest Teile unserer Moralvorstellungen evolutiven Ursprungs sein können, der Mensch also nicht nur ein
animal rationale, sondern auch ein animal morale sei. Evolutionsforscher sehen sich von daher auf dem Wege einer moralischen Selbstentzifferung (vgl. „Tagesspiegel“, 5. März 2009, S.
29).
So spricht z.B. vieles dafür, dass eine direkte Hilfe im persönlich erlebten Umfeld im Gegensatz zu einer anonymen Hilfe für Personen in weiter Ferne uns deshalb näher ist, weil die gegenseitige
Hilfe schon in den überschaubaren Jäger – Sammler – Gruppen unserer Vorfahren ein deutlicher evolutiver Überlebensvorteil war.
Dem hält Peter Singer (australischer Hochschullehrer in Princeton) entgegen, dass räumliche Distanz kein moralisches sondern ein Instinkt – Kriterium sei, die unterschiedliche Bewertung je nach
persönlicher Nähe sei von daher unethisch (vgl. „Tagesspiegel“, 5. März 2009, S. 29).
Vermutlich muss der Begriff der Selektion anders gefasst werden, denn es ist durchaus nicht automatisch der Stärkste, der überlebt, sondern oft derjenige, der in der Umwelt Freunde und Helfer
hat, der sich seiner sich wandelnden Umwelt am besten anpassen kann.
Am Beginn der Karriere der Primaten (vor ca. 75 Mio. Jahren) und später des Homo sapiens stand sicher nicht die körperliche Stärke, sondern das Wachstum der Großhirnrinde, das räumliche Sehen,
die greiffähigen Hände, die lange Kindheit, die Entwicklung von Empathie oder das „Sprachgen“ FOXP2.
Einen interessanten und originellen Beweis für die Evidenz der Evolution des Lebens auf der Erde lieferten im Frühjahr 2009 Freiburger und Züricher Biologen. Sie schleusten Schlüsselelemente des
Erbguts von Säugetieren, die bei diesen z.B. die Abgabe von Signalstoffen bewirken, in Zellen des relativ einfach strukturierten Blasenmützenmooses (Physcornitrella patens) ein. Sie lösten dort
problemlos dieselben Reaktionen aus, wie bei den Säugetieren, obwohl doch Säugetieren und Moose sehr verschieden sind [15] .
Durch die Evolution lässt sich am einfachsten erklären, „… weshalb das Erbgut in so weit entfernten Organismen wie Moosen und Menschen sehr ähnlich funktioniert“ (vgl. „Tagesspiegel“, 20. März
2009, S. 1).
Insgesamt aber bleibt die Evolution ziellos, denn es könnte ja durchaus sein, dass die Buntbarsche oder die Kakerlaken bessere Überlebenskünstler sind als der Homo sapiens.
Die Berliner „BZ“ (vom 23. Juni 2009, S. 33) sah in Darwin eine Art von Kronzeugen für die Vielfalt des Lebens auf der Erde.
(unveränderlich, nach dem Gregorianischen Kalender)
© Christian Meyer
[1] In das Jahr 2009 fielen gleich zwei Darwin – Jubiläen, der 200. Geburtstag Darwins sowie der 150. Jahrestag der Veröffentlichung seines Bahn brechenden Werkes „Die Entstehung der Arten“
(a.a.O.) im Jahre 1859.
[2] Josiah Wedgwood (1730 - 1795) war ein erfolgreicher englischer Unternehmer, der in der väterlichen Churchyard Pottery das Töpferhandwerk erlernte. Er industrialisierte das Töpferhandwerk und
setzte als einer der ersten Industriellen strategisches Marketing ein. Josiah Wedgwood verbesserte die Formgebung in Anlehnung an antike Vorbilder. Er begründete die Tradition der seit 1775
produzierten „Jasper ware“, zweifarbige Reliefs in Schichten mit antiken Motiven, meist weiß und blau, im etrurischen (etruskischen) Stil. Er gründete das Fabrikstädtchen Etruria, wo er von 1760
bis zu seinem Tod arbeitete.
Josiah Wedgwood unterstützte tatkräftig die Abolitionisten, die Gegner der Sklaverei.
Die Wedgwood Porzellanmanufaktur existiert zwar bis heute, befindet sich jedoch gegenwärtig (2009) in einem Insolvenzverfahren.
[3] Robert FitzRoy (1805 – 1865) wurde nach der Rückkehr der „Beagle“ zu einem glühenden Anhänger der Kirche und des Schöpfungsglaubens. Er starb 1865 durch Selbstmord – er durchschnitt sich mit
einem Rasiermesser die Kehlen.
[4] Darwin stammte aus einer traditionell abolitionistisch orientierten Familie: in dem Reisetagebuch beschrieb er anschaulich gedankenlose Grausamkeiten gegenüber Sklaven, die er in Brasilien
erlebte.
[5] Darwins Reise mit der dreimastigen „Beagle“ war bereits die zweite Vermessungsfahrt des Schiffs. Auf einer darauf folgenden dritten Reise landete das Schiff unter dem nunmehrigen Kommandanten
John Clements Wickham (er war bereits Teilnehmer der 2. Reise gewesen) am 9. September 1839 in einer Meeresbucht in Nord – Australien. Der Ankerplatz und Naturhafen wurde Port Darwin genannt, als
Erinnerung an den jungen naturforschenden Reisegenossen. Dort entstand später die Siedlung Darwin, heute die Hauptstadt des Bundesstaates Nord – Australien.
[6] Kurz vor Ostern 2009 wurde beim Sortieren und Umschachteln der Vogeleiersammlung des Zoologischen Museum der Universität Cambridge ein verschollenes Vogelei aus der Sammlung Darwins wieder
entdeckt. Es handelte sich um ein braunes, ausgeblasenes Ei des Fleckensteißhuhns Nothura maculosa, eines Verwandten der Strauße, Nandus, Emus etc. (vgl. FAZ, 11. April 2009, S. 31). Charles
Darwin hatte das Ei am 12. Mai 1833 in Uruguay gesammelt und an Bord der Beagle mitgebracht. Insgesamt werden noch 15 Eier und 242 Vogelbälge der Sammlung Darwins vermisst.
[7] Bislang sahen Geophysiker sie „hot spots“, die heißen, vulkanisch – magmatischen Flecken der Erde als festliegend, unbeweglich, ortsfest unter den sich verschiebenden Kontinentalplatten an.
Neuere Forschungen lassen vermuten, sie seien doch beweglich. Unter Umständen müsste nun die gesamte Auffassung von Plattentektonik umgeschrieben werden (vgl. Jacob, S. 68 f., a.a.O.).
Geowissenschaftler identifizierten bisher knapp 50 hot spots auf der Erde, in Deutschland befindet sich ein hot spot in der Eifel mit ihren Kratermaaren.
[8] Ein Problem dabei war, was eigentlich eine Art sei. Man einigte sich schließlich auf die Auffassung, dass Tiere bzw. Pflanzen, die miteinander Nachkommen haben können, zu einer gemeinsamen
Art gehören. Außerdem wurde allerdings auch die Zahl der Arten lange Zeit vollkommen unterschätzt: Carl von Linné (1707 – 78) erfasste bzw. schätzte auf eine Zahl von ca. 6000 verschiedene
Pflanzen- und Tierarten. Der deutsche Zoologe und Meeresbiologe Karl August Möbius (1825-1908) schätzte im Jahre 1898, es gäbe ca. 418 000 Arten, der Berliner Zoologe Richard Hesse (1868 - 1944)
im Jahre 1929 schon ca. 1 000 000 Arten. Der australische Botaniker Nigel Stork (1982) berechnete 10 – 15 Mio. Arten und der US – amerikanische Insektenforscher Terry Erwin (1999) sogar ca. 30
Mio. Arten. Beschrieben aber sind zurzeit davon gerade einmal 10 %.
[9]
[10] Erst im Jahre 1839 notierte Darwin: „Ich habe bereits notiert, dass sich in den 13 Grundfinkenarten eine nahezu vollkommene Abstufung nachvollziehen ließ, von einem außerordentlich dicken
Schnabel bis zu einem, der so dünn war, dass er sich mit dem einer Grasmücke vergleichen ließe. Bedauerlicherweise wurden die meisten der Finken vermischt“ – Darwin wusste nicht mehr genau,
welcher der Finken von welcher Insel stammte. Schon 1835 hatte Darwin geschwant: „Es ist das Los der meisten Reisenden, erst dann zu entdecken, was an einem Ort das Interessanteste ist, wenn sie
sich wieder davon machen“.
[11] Heute befindet sich in Down House ein Museum, in dem u.a. viele Objekte aus dem Besitz Darwins aufbewahrt werden.
[12] Ernst Haeckel selbst verwendete noch die Begriffe „Phylogenie“ und „Ontogenie“.
[13] Der österreichisch – britische Bildhauer Sir Joseph Edgar Boehm (1834-1890) wurde in Wien geboren, arbeitete aber vornehmlich in Großbritannien und erhielt 1865 auch die britische
Staatsbürgerschaft. Er schuf u.a. das Standbild des Herzogs von Wellington im Hyde – Park und das Münzenporträt der Königin Victoria.
[14] Die Päpstliche Akademie der Wissenschaften ist nicht nur eine ehrwürdige, sondern auch eine sehr profiliert besetzte Institution. In der Vergangenheit zählten z.B. Max Planck oder Nils Bohr
zu ihren Mitgliedern.
[15] Die ältesten Moose entwickelten sich vor ca. 400 – 450 Mio. Jahren , vermutlich aus in den Gezeitenzonen lebenden Grünalgen. Diese ersten Moose dürften die ersten Lebewesen gewesen sein, die
„das Land dauerhaft besiedelten“ (vgl. „Tagesspiegel“, 20. März 2009, S. 1).