26. Mai: Tag des Hl. Philippus Neri (ital. Filippo Neri)

 

Filippo Neri war nicht nur der „lachende Heilige“ sondern auch ein katholischer Reformer, der sich durch sein Leben deutlich gegen den sittlichen Verfall der römischen Kirche absetzte und Missstände geißelte. Bis heute ist er v.a. in Rom sehr populär geblieben.

Filippo Neri wurde 1515 in Florenz geboren und besuchte die Schule der Dominikaner von San Marco (wo wenige Jahre zuvor Savonarola Abt gewesen war; die Schriften Savonarolas sollen auf Filippo einen bleibenden Eindruck gemacht haben;  vgl. Artikel „Rosenmontag“). Goethe urteilte in seiner „Italienischen Reise“ [1] über ein Porträt im römischen Palazzo Doria, das Filippo im Knabenalter darstellt: „Man wüßte sich keinen gesünderen, geradsinnigeren Knaben zu denken“ (Goethe, Italienische Reise, S. 401, a.a.O.).

Der Überlieferung nach nahm ein kinderloser Onkel den jungen Filippo in sein Kontor auf, - aber dieser gab diese Chance rasch auf und ging 1532/33 – völlig mittellos – nach Rom.

In Rom wurde Filippo Neri der Erzieher der Kinder eines florentnischen Adligen. In den Katakomben von San Sebastiano lernte Filippo das Urchristentum kennen und lieben. Dort hatte er anscheinend einige Erweckungserlebnisse und begann – noch als Laie – Kranke in Spitälern zu helfen, beshäftigte sich – heute würde man sagen als Streetworker) mit römischen Straßenkindern und gründete die Bruderschaft zur Hl. Dreifaltigkeit, zur Pflege von Rompilgern und Genesenden (vgl. Melchers, S. 317, a.a.O.). So wurde die römische Kirche auf Filippo Neri aufmerksam, als sechsunddreißigjähriger wurde er schließlich 1551 zum Priester geweiht.

Rasch wurde er zu einem beliebten und berühmten Beichtvater (in S. Maria in Vallicella) und Prediger. Auch Ignatius von Loyola und Karl Borromäus sollen zu seinen Zuhörern gezählt haben.

In u.a. der Fastenzeit unternahm er – der sich als Apostel des römischen Volkes verstand -  große Prozessionen zu den sieben Hauptkirchen der Stadt.

In der Kirche San Girolamo della Carità versammelte er sich seit 1564 wöchentlich mit seine  nächsten Freunden zu Gesang und Gebet; diese Veranstaltungen wurden „Oratorien“ genannt und bildeten die Wurzel der Kongregation der „Oratorianer“ („Padri dell’Oratorio“ [2] ). Dort wurden u.a. neue Seelsorgemethoden erprobt, so die Laienpredigt, oder das Singen geistlicher Lieder in der Volkssprache. Der große Anziehungskraft, die diese Veranstaltungen besaßen, führten dazu, dass in Rom zwei Oratorien entstanden, das Oratorio San Girolamo und Santa Maria in Vallicella. Die Oratorianergemeinden wurden rasch zu wichtigen Faktoren des öffentlichen Lebens, bald zählte man 36 „case filippine“ in verschiedensten italienischen Städten (vgl. Adler, S. 484, a.a.O.). Die „oratori“ – Gebäude blieben u.a. in Rom, Florenz und Venedig erhalten.

Im Gebet soll Filippo oft in Ekstase geraten sein und „Elevationen“ erlebt haben. Die Legende erzählt, dass eines Tages ein Besucher einen betenden Priester vor dem Hauptaltar von Santa Maria in Vallicella schweben sah. Ein befragter Laienbruder fegte den Kirchenboden unter ihm und antwortete auf die Frage, was das denn Wunderbares sei: „Gar nichts! Vater Philippus ist nur in Verzückung“ (vgl. Melchers, S. 319, a.a.O.).

Goethe berichtet, dass Filippo Neri sich einst „.... in solch einem enthusiastischen Momente ... auf die Stufen des Alters (wirft) und zerbricht ein paar Rippen, welche, schlecht geheilt, ihm lebenslängliches Herzklopfen verursachen, und die Steigerung seiner Gefühle veranlassen“ (Goethe, Italienische Reise, S. 401, a.a.O.). 

Filippo Neri („il Santo“, wie er vielfach in Rom bis heute genannt wird) galt als humorvoll, schelmisch, der lachende Heilige. Vor allem als sein Ruhm anwuchs, soll er die verschiedensten skurrilen, abenteuerlichen Streiche begangen haben, um sich lächerlich zu machen, um nicht als der hehre Heilige angesehen zu werden und seine Demut – sein hervorstechendstes Merkmal - zu verlieren. So soll er mit halbrasiertem Bart oder mit einem ABC – Buch buchstabierend durch die Roms gelaufen sein.

Goethe erzählt die Episode von einem reichen jungen römischen Fürsten, der Ordensmitglied werden wollte: Ihm „.... wurde angesonnen, er solle mit einem hinten angehefteten Fuchsschwanz durch Rom spazieren, und als er Dieß zu leisten sich weigerte, die Aufnahme in den Orden versagte“ (Goethe, Italienische Reise, S. 406, a.a.O.).

Um „geistlichem Dünkel“ vorzubeugen befahl er allen Ordensmitgliedern, die Erscheinungen, Visionen von Maria oder anderen Heiligen hätten, diesen sofort ins Gesicht zu speien, - denn die Erscheinungen seien allzu oft teuflische Versuchungen. Die Anhänger Filippo Neris, die diesem Rat folgten, berichteten ausnahmslos, dass die Erscheinung sich dann umgehend in eine Teufelsfratze verwandelte.

Eine weitere „Prüfungsgeschichte“ wird von Goethe angeführt: „Dem heiligen Vater war angekündigt, in einem Kloster auf dem Lande thue sich eine Wunder wirkende Nonne hervor. Unser Mann erhält den uftrag, eine für die Kirche so wichtige Angelegenheit näher zu untersuchen; er setzt sich auf sein Maulthier das Befohlene zu verrichten, kommt aber schneller zurück, als der heilige Vater es erwartet. Der Verwunderung seines geistlichen Gebieters begegnet Neri mit den folgenden Worten: ‚Heiligster Vater, diese Nonne thut keine Wunder, denn es fehlt ihr an der ersten christlichen Tugend, der Demuth; ich komme durch schlimmen Weg und Wetter übel zugerichtet im Kloster an, ich lasse sie in Eurem Namen vor mich fordern, sie erscheint und ich reiche ihr statt des Grußes den Stiefel hin, mit der Andeutung, sie solle mir ihn ausziehen. Entsetzt fährt sie zurück, und mit Schelten und Zorn erwiedert sie mein Ansinnen; für was ich sie halte! ruft sie aus, die Magd des Herrn sei sie, aber nicht eines Jeden, der daher komme, um knechtische Dienste von ihr zu verlangen. Ich erhub mich gelassen, setzte mich wieder auf mein Thier, stehe wieder vor Euch, und ich bin überzeugt, Ihr werdet keine weitere Prüfung nöthig finden’. Lächelnd beließ es auch der Papst dabei, und wahrscheinlich ward ihr das fernere Wunderthun untersagt“ (Goethe, Italienische Reise, S. 407, a.a.O.).   

Im Jahre 1595 starb Filippo achtzigjährig. Vor seinem ode verbrannte er seine Schriften. Er wurde in der von ihm gegründeten Chiesa Nuova (oder S. Maria in Vallicella) begraben. Diese Kirche an der gleichnamigen Piazza, nahe dem Corso Vittorio Emanuele in Rom gelegen, wurde auf Wunsch des Hl. Filippo Neri von 1575 – 1605 nach Plänen von Giovanni Matteo di Citta di Castello und M. Longhi d. Ä. errichtet. Links von der Apsis befindet sich die Kapelle des Heiligen mit einem Mosaik – Porträt (nach einem Gemälde von Guido Reni). Die sterblichen Überreste des Hl. Filippo Neri befinden sich unter dem Altar der Kapelle und sind bis heute ein Ziel vieler Pilger und Besucher. Auch die Zelle des Heiligen kann in dem Gebäudekomplex besichtigt werden.

Links von der Kirche befindet sich die „Oratorio dei Filippini“, in dem die ersten Oratorien aufgeführt wurden. 

Beim Bau der Chiesa Nuova „....nötigte er die Seinen, gleich Tagelöhnern die Materialien herbeizuschaffen, und sie den Arbeitern zur Hand zu langen“ (Goethe, Italienische Reise, S. 406, a.a.O.), - es ist m. E. bezeichnend das eine solche Selbstverständlichkeit der Überlieferung wert befunden wurde.

1622 bereits wurde Filippo Neri heiliggesprochen.

Dargestellt wird er als Oratorianer mit Stock und Rosenkranz, und / oder flammendem Herzen.

Vermutlich geht die musikalische Gattung des Oratoriums [3] (lat. „oratorium“, ital. „oratorio“ = wörtlich, Betraum, Kapelle) auf die musikalisch gestalteten Andachten der Oratorianer zurück. Es handelte sich vermutlich um hymnenartige Gesänge moralisierenden Inhalts, bei denen auch z.B. allegorische Personen auftraten. Wichtige Bestandteile scheinen die volkssprachlichen „laudes“ gewesen zu sein. Der Zeitgenosse Forti schrieb in seiner (schon 1678 erschienen) Biographie Filippo Neris, die „Oratorien“ seien „tutti tramezzati con la musica“, alles sei mit Musik unterwirkt.

Frühzeitig stellten sich allererste Komponisten und Musiker des päpstlichen Roms der Ausgestaltung der Oratorien zur Verfügung, wie u.a. Giovanni Animuccia (ca. 1500 – 1571) und Giovanni Pierluigi Palestrina (1525 – 1594). Der Name „Oratorium“ wurde erstmals um 1640 als Musikgattung benutzt, dennoch wurde Filippo Neri so „.... zum eigentlichen geistigen Urheber der neuen Kunstform“ (Adler, S. 484, a.a.O.). 

Heute versteht man unter einem (musikalischen) Oratorium ein abendfüllendes, oft geistliches, nicht liturgisches Werk für Chor, Solisten und Orchester in nichtszenischer Aufführung. Der Verzicht auf eine szenisch- dramatische Umsetzung der Handlung öffnete dem Oratorium nach der Einschätzung vieler Musikhistoriker die Chance zur Darstellung der tiefsten Gefühlswerte. Für den Handlungsfortschritt wird im Oratorium der Erzähler (tal. „testo“, in z.B. den Bachschen Oratorien der Evangelist)  die zentrale Gestalt, bis heute ein stilistischer Grundpfeiler des Oratoriums (vgl. Adler, S. 487, a.a.O.).

Als leitender stilistischer Gesichtspunkt des Oratoriums kommt jedoch – wie Adler betont – „... nur das Moment der zentralen Stellung des Chores in Frage“ (Adler, S. 482, a.a.O.).  

Viele der bedeutendsten Komponisten haben Oratorien geschrieben, von Alessandro Scarlatti und Giovanni Battista Pergolesi über Heinrich Schütz, Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel, Joesph Haydn, Felix Mendelssohn – Bartholdy, Robert Schumann und Franz Liszt bis zu Carl Orff, Paul Hindemith, Edward Elgar, Igor Strawinsky, Arthur Honegger, Gabriel Messiaen, Krzystof Penderecki, Luigi Nono und Dimitri Schostakowitsch.  

Die 1575 päpstlich bestätigte „Confoederatio Oratorii S. Philippi Nerii“ (dtsch. „Verband des Hl. Philipp Neri“, Oratorianer, Philippiner) bilden den Zusammenschluß selbständiger Gemeinschaftshäuser oder Kongregationen der Oratorianer. Die Priester und Laien ohne Gelübde befolgen unter einem Vorsteher die „evangelischen Räte [4] “ und widmen sich heute v.a. der Wissenschaft und der Akademiker – Seelsorge. Im Jahre 1978 hatten die Oratorianer 469 Mitglieder in 63 Häusern und eine ständige Deputation in Rom. 

 

(unveränderlich nach dem Gregorianischen Kalender)


© Christian Meyer

[1] In der „Italienischen Reise“ widmete Goethe dem Heiligen ein eigenes Kapitel, „Philipp Neri, der humoristische Heilige“ (vgl. Goethe, Italienische Reise, S. 401 – 413, a.a.O.). 

[2] Nicht zu verwechseln mit der „Congregatio Oratorii Jesu et Mariae“ (Genossenschaft des Oratoriums von Jesus und Maria), der 1611 von Bérulle gegründeten französischen Priester- Kongregation. 

[3] Als „episches“ Gegenstück zur „dramatischen“ Oper ist das Oratorium quasi zeitgleich mit dieser in Italien entstanden. Unterstützt wurde die Entstehung beider Gattungen durch die gleichzeitig um 1600 einsetzende monodische Stilbildung (Einstimmigkeit). 

[4] In der katholischen Moraltheologie versteht man unter den „evangelischen Räten“ (lat. consilio evangelica) die – nach dem Hauptgebot der Liebe – in den Evangelien angeführten Hauptforderungen: den Gehorsam (Mt 20, 20 – 28), die Keuschheit (Mt 19, 21) und die Armut (Mt 19, 21).