Alevitisches dreitägiges  Hızır - Fasten jeweils im Februar

 

Mancher hält das Hizirfasten für eine äußerst erfolgreiche Methode des Abnehmens, deren kommerzielle Verwertung erstaunlicherweise noch nicht begonnen hat. Dabei ist dies erstens ganz einfach und zweitens ganz billig (was ihr kommerzielles Ausschlachten wahrscheinlich uninteressant macht !?)

Faktisch aber ist das  Hızır - Fasten eine alte alevitische Tradition.

 

Hızır ist ein volksislamischer, alevitischer und yezidischer Heiliger, eine Art Nothelfer oder Schutzheiliger, der mit seinem Schimmel (Bozatlı Hızır) kommt und hilft, wenn man ihn braucht. Ein häufiger türkischer Segensspruch für Hızır als Schutzheiligen der Reisenden lautet „Hızır yoldaşın olsun“ = „Hızır soll auf Deinem Wege sein“.

 

Nach alevitischer Vorstellung waren Hızır und İlyas zwei Brüder und Propheten, die das „Wasser der Untersterblichkeit“ (Ab-u Hayat) tranken, und Suchenden und Wanderern unterwegs helfen. Der Heilige İlyas ist der Schutzpatron zur See, Hızır zu Lande. Als Dank für ihr rettendes Herbeieilen in Not und Gefahr werden drei Tage gefastet (Hızır Orucu) und im Anschluss ein Dankgottesdienst durchgeführt.

 

 

 

Der Name Hızır kommt aus dem Arabischen (vgl. dırellez). Die Gläubigen sprechen seinen Namen in der Regel nicht ohne eine religiöse Verehrungsformel aus: „Hızır aleyhissselâm“ = „Frieden (Heil, Segen) über Hızır“. 

 

An diesen drei Tagen fasten die anatolischen Aleviten; sie nehmen nur das abendliche Iftar zu sich, nicht aber das nächtliche Sahur.

 

Zur Vorbereitung der Fastentage achten die Gläubigen gründlich auf die Reinigung ihrer Selbst, putzen ihre Häuser und ihre Gemeinden. Man glaubt, dass Hιzιr die ordentlichen und sauberen Orte besucht.

 

 

 

Es gibt mehrere Wurzeln für das traditionelle Hızır - Fasten der Aleviten. Zum einen soll auch Ali an diesen Tagen gefastet haben, indem er mit den Armen in Medina sein Essen teilte. Zum anderen soll der Prophet Yunus (Jonas) im Walfischmagen Hızır um Hilfe gebeten haben, zum Dank für die erhaltene Hilfe fastete Yunus drei Tage.

 

Nach einer anderen Legende sei Hızır das erste Mal von Noah und den Seinen zur Hilfe gerufen worden und dessen mit Menschen und Tieren vollbeladenes Schiff gegen ein Unwetter geschützt haben. Nachdem die Arche drei Tage einem Unwetter widerstanden habe, hätten die Geretteten drei Tage lang gefastet, um Hızır ihre Dankbarkeit zu beweisen.

 

Am letzten Fastentag abends bereiten die Gläubigen traditionelle Gerichte (kavut [1]) oft aus Weizen und Wasser oder auch Süßspeisen oder Kichererbsen etc vor. Die Speisen ruhen unbedeckt über Nacht. Jeder wünscht sich dann etwas Besonderes, denn man glaubt, dass die Wünsche in Erfüllung gehen: Wenn Hizir kommt und von der Speise probiert. Sie wird am nächsten Tag an Nachbarn oder in heilig angesehenen Gedenkorten, den Cem Evi oder  an Reisende und Besucher verteilt.

 

Diese weit verbreitete Tradition nennt sich „Hızır lokması“, „Hızırs Bissen“, ein ritueller Bissen. Es handelt sich um eine Art von kleinem Speiseopfer; der Bissen wird anderen angeboten, gespendet, z.B.  bei Cem-Zeremonien, aber auch bei Feiern, als Dank, auch für die Armen, als eine Art solidarischer Akt.

 

Am Freitagabend werden auf den Friedhöfen in der Umgebung Kerzen angesteckt und zu Hause den Kindern Geschichten von Hızır erzählt.

 

 

 

(veränderlich, nach dem  Gregorianischen Kalender in der 2. Februarwoche; gefastet wird vom Dienstag an drei Tage; am vierten Tage, dem Freitag, wird das Hızır lokması gespendet)

 



[1] In einigen Regionen wird Kavut aus Röstweizen und Dörrbirnen hergestellt.

 

 

 

© Christian Meyer