"Maria Magdalena", Detail des Gemädes von Lucas Cranach d. Ä.. und Werkstatt, um 1518/19; heute im Naumburger Domschatzgewölbe; Postkarte.

22. JuliGedenktag an Maria Magdalena (franz. Madeleine)

 

Der aus der Bibel übernommene Name ist eigentlich ein Herkunftsname, eine Kürzung von „Maria Magdalena“ = Maria aus (dem Ort) Magdala. Magdala [1] war zurzeit Jesu ein Fischerort am Westufer des Sees Genezareth, ca. 10 km von Tiberias. Die Siedlung im heutigen Israel heißt Migdal (= hebr. „Turm“, arab. El Medjdel).

Maria Magdalena – sie wird in allen vier Evangelien genannt - wurde in Magdala geboren, vermutlich ungefähr zurzeit der Geburt Jesu. Nach der Tradition wird sie mit der namenslosen „Sünderin“ gleichgesetzt (Lk 7, 27 - 50): Im Hause Simons des Pharisäers salbte eine „Sünderin“ Jesus die Füße. Der Gastgeber protestierte, aber Jesus entgegnete, diese Sünderin habe ihm mehr Liebe entgegengebracht  als jener. Jesus aber vergab der Frau ihre Sünden und entließ sie mit den Worten „Dein Glaube hat Dir geholfen; gehe hin in Frieden“ (Lk 7, 50). Schon Papst Gregor der Große sah in dieser Sünderin Maria Magdalena.  

Teilweise wird Maria Magdalena auch als Prostituierte gesehen, umgekehrt aber auch als eigenständige Frau. Da kein Ehemann erwähnt wird, wurde geschlossen, dass Maria Magdalena nicht verheiratet war. Sonst würde sie in der Bibel als Maria, die Frau des … erscheinen. 

Sie litt – wird vermutet - an einer Nervenkrankheit; d.h. nach der Vorstellung der Zeit war sie von „sieben Teufeln/Dämonen besessen“; nach der biblischen Überlieferung heilte Jesus sie, indem er die Teufel austrieb. Maria Magdalena war in der Folge die wichtigste der galiläischen Frauen, die Jesus nachfolgten und ihn unterstützten. Sie war Augenzeugin der Kreuzigung und Grablegung Jesu. Auch war sie eine der Frauen, die zu Ostern das Grab Christi leer fanden (vgl. Mk 16, 1; Joh 20, 1 - 18).  Ihr soll als erstem Menschen der auferstandene Jesus am Ostermorgen erschienen sein. Zuerst erschien er ihr als der Gärtner, dann erkannte sie ihn wieder und er sprach er ihr: „Noli me tangere“ (lat. „Rühre mich nicht an“). Maria Magdalena spielte anscheinend bei der Entstehung des frühen Christentums eine bedeutsame Rolle, denn sie erhält als erste den Auftrag, die Auferstehung zu verkündigen: „Gehe aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott“ (Joh, 20, 17). Augustinus (ð Hl. Augustinus) sah in ihr die „Apostola apostolorum“. 

Es gibt einige apokryphe Evangelien, in denen Maria Magdalena sogar weit eher als „Fels des Glaubens“ dargestellt wird, als Petrus.

Im Jahre 1945 tauchte in Ägypten (beim Dorf Nag Hammadi) ein antiker Papyrustext, eine Art Maria Magdalena - Evangelium auf. U. a. schildert der Text eine Diskussion zwischen den Jüngern und Maria Magdalena nach der Auferstehung Jesu. Sie erscheint als eine Wortführerin, mit der Jesus seine lehre diskutiert, als seine Lieblingsjüngerin und vielleicht Nachfolgerin. Der Text wird von der katholischen Kirche nicht anerkannt.

Als Büßerin und Missionarin soll Maria Magdalena ihr späteres Leben in einer Höhle [2] bei Sainte - Baume (Provence) verbracht haben. Schließlich sei sie in der Kirche von Aix – en – Provence gestorben.

Um ihre (angeblichen) Gebeine gab es im 13. Jhdt. einen regelrechten Wettstreit: Sowohl Vézelay als auch Aix rühmten sich des Besitzes ihrer Grabstätte. Insgesamt tauchten fünf ganze Leichname sowie verschiedene Körperteile Maria Magdalenas als Reliquien auf  (vgl. „Tagesspiegel“, 7. Mai 2006, S. 2).  

Legenden überliefern, dass Maria Magdalena mit Jesus eine Familie gegründet und Nachkommen [3] gehabt haben soll.

Bei Martin Luther erscheint Maria Magdalena als ein Jesus „brünstig“ liebendes „Weib“, Strauß betrachtete sie als „rasend liebend“. Für einige mittelalterliche christliche Mystiker gab es echte, auch erotisch – sexuelle „Minne“ zwischen Maria Magdalena und Jesus. Auch Hubertus Mynarek es hält aufgrund der Indizien der Evangelien für sehr wahrscheinlich, dass es eine erotische Beziehung zwischen Jesus und Maria Magdalena [4] gab. Die allermeisten christlichen Theologen gehen allerdings bis heute von einem Jesus aus, der keine sexuellen Bedürfnisse hatte (vgl. Mynarek, a.a.O.).

An dem 22. Juli jedes Jahres pilgern viele Menschen - v.a. Frauen - aus ganz Frankreich und den umliegenden Ländern zu der als heilig angesehenen Höhle, um die Heilige um einen Partner zu bitten. 

Maria Magdalena wurde oft als schöne, blonde, langhaarige Frau in der christlichen Kunst dargestellt, bei der Auferstehung des Lazarus, als Klagende unter dem Kreuz (z.B. im Isenheimer Altar von Matthias Grünewald), bei der Salbung des Leichnams Christi oder als Büßerin, nur von ihrem wallenden Haar verhüllt.

Gemalt wurde sie u.a. von Caravaggio, Furini, Rembrandt oder Rubens.

Sehr beliebt waren im späten Mittelalter Darstellungen von der legendären Himmelfahrt von Maria Magdalena im Kleide ihrer Haare.   

Nach ihr heißt u.a. der Rio Magdalena, der Hauptstrom Kolumbiens. 

Luise Rinser (1911 - 2002) gestaltete in ihrem Roman „Mirjam“ [5] (1983, a.a.O.) ihre Sicht auf Maria Magdalena.   

 

 

 

 

Der tschechische Dichter Bohumil Hrabal beschrieb in seinen „Tanzstunden …“ Maria Magdalena wie folgt: „… die Freidenker warfen der Kirche vor, warum Christus, wenn er Gott sei, mit einer gefallenen Frau Umgang gepflogen habe? Da lässt sich nichts machen, sage ich, einer Schönen erwehre nicht einmal ich mich, geschweige denn der Herr Jesu Christ, der seinerzeit ein schöner Mann war, wie Conar Tolnes [6], gerade 30, und sehen sie, Maria Magdalena, auch wenn sie von Beruf eine Barbiene gewesen ist, sie hat sich eben doch hochgearbeitet zur Heiligkeit und hat Wohlgefallen im Himmel erregt und hat Christus nicht verraten und ihm das Blut mit ihrem Haar weggewischt, während er am Kreuz hing, weil er den sozialen Fortschritt predigte und dass die Menschen alle gleich sind, und seine Mutter brach weinend zusammen, und Maria Magdalena tröstete ihn, und ich frage, wo sind all die Schönheiten von damals hin? gestorben sind sie und nichts ist von ihnen übrig, wogegen Mariechen Magdalena die Dichterherzen immer rühren wird, jerum jerum, der schöner Mann, was für ein Los war ihm beschieden…“ (Hrabal, S. 59, a. a. O.).

 

 

Von heutigen feministischen Theologinnen wird Maria Magdalena (ähnlich wie Lydia, Phöbe oder Junia) als eine der wichtigen frühen Apostelinnen und verdrängten Frauenfiguren des entstehenden Christentums betrachtet.

 

Der Film „Jesus und die verschwundenen Frauen" von Maria Blumencron (gesendet auf Phönix, am Ostersonntag 2016 um 21.00 Uhr) zeigt diese Sicht auf das frühe Christentum.

Ausgeführt wurde darin z.B., dass in dem Römerbrief des Paulus immerhin 30 % der in der Grußliste erwähnten Personen Frauen waren.  

 

(unveränderlich, nach dem Gregorianischen Kalender)

 

 

© Christian Meyer



[1] Der Ortsname „Magdala“ kommt vom hebräischen „migdal“  = Turm, nach einem befestigten Turm, der die Siedlung schützte. Magdala am See Genezareth soll um die Zeitenwende bekannt für seine Prostituierten gewesen sein (vgl. „Tagesspiegel“, 7. Mai 2006, S. 2).

[2] Die Höhle war wahrscheinlich bereits eine vorchristliche Kultstätte für eine Fruchtbarkeitsgöttin: die Höhle wurde als ihre „Vulva in der Erde“ angesehen.

[3] Diese Legende wird in dem Bestseller Dan Browns und Film „The Da Vinci Code“ („Sakrileg“) wieder aufgenommen, in dem erzählt wird, die Nachkommen non Maria Magdalena und Jesus bildeten seit Jahrhunderten einen Geheimbund, und das Geheimnis sei zum Beispiel in Leonardos „Abendmahl“ verschlüsselt dargestellt: Johannes, der liebende Jünger, sei in Wirklichkeit Maria Magdalena. 

[4] In dem Film „Die letzte Versuchung Jesu“ von Martin Scorcese erlebt der sterbende Jesus am Kreuz eine erotische Beziehung zu Maria Magdalena. Auch in „Mirjam . Maria Magdalena und Jesus – Roman“ von Regina Berlinghof  (Eschborn, 1997) wird eine erotische Beziehung von Jesus und Maria Magdalena dargestellt, sie wird die Geliebte des Rav Jeschua, der für den Messias gehalten wird.

[5] Auf den hebräisch / aramäischen Namen Mirjam (seine ursprüngliche Wortbedeutung ist ungewiss)geht der Name „Maria“ zurück. Mirjam ist auch eine weibliche Gestalt des Alten Testaments, eine Prophetin, eine Schwester von Moses und Aaron (vgl. 2. Mose 15, 20; 4. Mose 26, 59). Nach 4. Mose 12 rebellierten, „murrten“ Mirjam und Aaron gegen Mose. Mirjam wurde deshalb von Gott (für sieben Tage) mit Aussatz bestraft (4. Mose, 12, 10).

Nach dem Durchzug des Volkes Israel durch das Schilfmeer und die Vernichtung der verfolgenden Ägypter soll Mirjam einen Reigen mit anderen Frauen anführend, einen mit der Pauke begleiteten Hymnus angestimmt haben, das Mirjamlied: „Lasst uns dem Herrn singen, denn er hat eine herrliche Tat getan; Roß und Mann hat er ins Meer gestürzt“ (2. Mose 15, 21). Der sog. Lobgesang Moses (2. Mose, 15, 1-18) ist vermutlich eine umfangreichere Ausgestaltung des Mirjamliedes aus einer späteren Überlieferung (vgl. Koch, S. 340, a.a.O.).

[6] Auch gestandene Hrabal-Spezialisten im Internet wissen nicht, wer Conar Tolnes war: Vermutet werden ein Held damaliger Comichefte oder eines billigen Westernfilms.