Panagia–Ikone in der gleichnamigen Kirche zu Agiassos / Lesbos
Außenkanzel am Dom zu Prato (s.u.)
Katholischer und orthodoxer Feiertag, u.a. in Bayern (teilweise), Baden-Württemberg, Saarland), Belgien, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Österreich, Portugal, der Schweiz (teilweise) und Spanien.
Dieses älteste Marienfest der Christenheit - gefeiert seit dem 6. Jhdt.- gilt der angeblichen, unbiblischen Himmelfahrt („Assumptio“) der Mutter Jesu. Die Himmelfahrt Mariä ist ein erst relativ spät in Marienlegenden auftauchendes Motiv, für das sich im Neuen Testament (NT) weder direkte noch indirekte Anhaltspunkte finden. Die Himmelfahrt soll ein Symbol der völligen Spiritualisierung ihres Körpers und ihrer Seele darstellen. Das Fest wurde Ende des 6. Jhdts. von dem byzantinischen Kaiser Maurikios (582 - 602) auf den 15. August gelegt.
Allerdings berichten apokryphe Evangelien ausführlich von der „Entschlafung“ Mariens. „Die Apostel hätten Maria nach ihrem Tod bestattet, aber Christus habe Maria aus dem Grab herausgerufen. Ebenso wird sie mit der legendären Öffnung des Grabes der Gottesmutter in Verbindung gebracht. Statt eines Leichnams …. fanden die Apostel darin ‚Lilien und fruchtbare Gewächse‘“ (vgl. Pfarrnachrichten Steglitz, Nr. 10/2019, S. 39).
Die leibliche Aufnahme Marias in den Himmel wurde erst 1950 durch Papst Pius XII. dogmatisch bestätigt, dieses ist das - bisher - letzte Dogma der katholischen Kirche, - also ein verbindlicher Glaubensinhalt.
In katholischen ländlichen Regionen hat sich zu diesem Fest - es gilt als „Frauentag“ - ein reiches Brauchtum bis heute erhalten. So wird zum Beispiel an diesem Tag im bayerischen Tading im Erdinger Land eine Marienwallfahrt statt. Unter anderem sammeln Frauen der Gemeinde Heilkräuter und binden sie in „Buschen“ zu mindestens sieben verschiedenen Kräutern zusammen, so regional unterschiedlich, Johanniskraut, Wermut, Beifuß, Rainfarn, Schafgarbe, Königskerze, Tausendgüldenkraut, Eisenkraut, Wiesenknopf, Kamille, Thymian, Baldrian, Odermennig, Alain, Klee oder Getreidehalme.
Die Zahl sieben soll an die sieben Sakramente oder die sieben Schmerzen Mariens erinnern. Diese Sträuße werden in der Kirche geweiht und verkauft. Traditionell endet die Wallfahrt mit Weißwürsten und Bier.
Auch werden Kräuterbrote gebacken.
In vielen Regionen findet zu Mariä Himmelfahrt eine Kräuterweihe statt, weil Maria als die „Blume des Feldes und die Lilie der Täler" oder als die „Rose ohne Dornen“ angesehen wird. Nach der Legende sollen die Apostel das Grab der Gottesmutter noch einmal geöffnet haben und darin nicht mehr, wie erwartet, den Leichnam, sondern Blumen gefunden haben. Nach einer anderen Legende soll dem Grab in dem Augenblick, als Maria es verließ, ein herrlicher Duft wie von Kräutern und Blumen entstiegen sein.
Maria Würzweih oder auch Büschelfrauentag sind andere (v.a. in Süddeutschland) verwendete Bezeichnungen für Mariä Himmelfahrt. Bei der Kräuterweihe bittet man um Wohlfahrt der Seele wie auch des Leibes und um Schutz vor allen eventuellen Gefahren.
In Russland wurde „Rosheniza“ (≙ russ. „die Gebärende“) eine altslawische Göttin und Schutzgöttin der Frauen, in christlicher Zeit vielfach mit Maria identifiziert.
In Griechenland wird das Fest in vielen Regionen intensiv begangen. Z.B. wird in der 1170 erbauten Panagia – Kirche in Agiassos (27 km westlich von Mytilene auf Lesbos) an diesem Tag die angeblich wundertätige Ikone „Panagia i Vrefokratousa“ (Gottesmutter mit Kind) besonders verehrt. Nach der traditionellen Überlieferung soll diese Ikone ein Werk des Evangelisten Lukas sein (vgl. Abb. oben).
Angeblich gelangte die Ikone 803 aus Jerusalem zusammen mit anderen Kirchenschätzen durch den Mönch Agathonas von Ephesos nach Lesbos. Agathonas gründete das Kloster „Gottesmutter von Zion“, aus dem sich die Stadt Agiassos entwickelte.
Im Jahre 1701 soll die wundertätige Ikone sogar dem osmanischen Statthalter der Insel Heilung von seiner schweren Krankheit gebracht haben. Als Dank erhielt die Insel Lesbos für einige Jahrzehnte des 18. Jhdts. völlige Steuerfreiheit.
Die Panagia–Kirche feiert am 15. August ihr Kirchfest, das z.T. auch Karnevals- und Volksfestcharakter hat. Tausende von Gläubigen aus ganz Lesbos und den Nachbarinseln pilgern schon in den Vortagen des Festes zu Ehren der Gottesmutter und ihrer Ikone auf dem steinernen Prozessionsweg von Mytilene nach Agiassos (vgl. Palaska – Papstathi, S. 147, a.a.O.).
Auch auf Tinos (Griechenland) findet an diesem Tag eine berühmte Marienwallfahrt statt.
In Nikos Kazantzakis Roman „Alexis Sorbas“ werden einige der ehrenden Beinamen aufgeführt, mit der Maria, die „Panajia“,auf Kreta bezeichnet wird: „Unverwelkliche Rose, Trächtige Erde, Weinstock, Quelle, Fluss, Brunnen der Wunder, Himmelsleiter, Brücke, Fregatte, Hafen, Paradiesschlüssel, Morgenröte, Leuchte, Blitz, Feuersäule, Verteidigerin, Unerschütterlicher Turm, Uneinnehmbare Festung, Schutz, Zuflucht, Trost, Freude, Stab der Blinden, Mutter der Waisen, Tisch, Nahrung, Ruhe, Duft, Gastmahl, Milch und Honig“ (vgl. Kazantzakis, S. 169, a.a.O.).
In Prato (westlich von Florenz / Toscana) ist eine weitere Legende mit dem Tag Mariä Himmelfahrt verbunden. Der Überlieferung nach soll der Apostel Thomas an der Himmelfahrt Marias gezweifelt haben. Er forderte die Öffnung ihres Grabes: man fand darin einzig einige Lilien. Als der Apostel Thomas das Grab verließ, hob er die Augen gen Himmel und erblickte dort Maria, die ihm als Zeichen ihren Gürtel zuwarf.
Die Legende findet noch eine Fortsetzung: „Als seine Zeit kam, vertraute Thomas den Gürtel einem alten Priester an, dessen Tochter Maria einen Ausländer liebte, Michael Dagomari aus Prato, der als Kreuzfahrer ins Heilige Land gekommen und dann als Kaufmann dort geblieben war. Das Paar reiste wohlbehalten übers Meer und kam nach Prato. In einem kleinen Bindenkorb trug das Mädchen seine Mitgift bei sich: den Gürtel der Madonna… Die Geschichte von dem Gürtel ist eine der seltenen frommen Legenden, in denen von einem Liebespaar die Rede ist und sogar von einer Entführung, denn das Mädchen lief dem alten Priester fort, der gegen diese Verbindung war; und vielleicht ist der Kult um den heiligen Gürtel gerade deshalb in der Toskana so volkstümlich“ (McCarthy, S. 150 / 151, a.a.O.).
Überliefert ist, dass tatsächlich seit dem 12. Jhdt in der Cappella des Sacro Cingolo des Doms zu Prato der (angebliche) Gürtel Marias aufbewahrt wird, geschützt durch zwei kunstvoll gearbeitete Bronzegitter [1].
Ein Fresko von Agnolo Gaddi im Dom von Prato erzählt die Legende vom Gürtel Marias.
Außen am Dom befindet sich die zierliche Außenkanzel, die von Michelozzo und Donatello (15. Jhdt.) verfertigt wurde. Mary McCarthy meint, es gebe „… in ganz Florenz … nichts, was mit dem pergamo tanzender Putten verglichen werden kann….. Dieser pergamo ist eine überdachte Kanzel, außen an der schwarz – weiß gestreiften Kathedrale (vgl. Abb. oben). Von hier aus wird an bestimmten Festtagen [2] dem Volke unten auf der Piazza ein Gürtel gezeigt, von dem es heißt, er habe der Madonna gehört“ (McCarthy, S. 150, a.a.O.).
Maria gilt an dem Tag von Maria Himmelfahrt als Patronin der Färber, Gerber, Sattler und Kinder in jeglicher Not.
Eine alte Wurzel des Festes Mariä Himmelfahrt liegt auch in den „Feriae Augusti“ ≙ lat. Festtag des Augustus, der als Ferragosto am 15. August bis heute in Italien ein Feiertag ist.
Zurück geht der Feiertag auf eine Stiftung des Kaisers Augustus, der nach seinen Siegen über Marcus Antonius und Kleopatra am 13., 14. und 16. August im Jahre 29 v. Chr. in Rom seinen Triumph feierte.
Der Kaiser ließ von 18. v. Chr. an zum Gedenken die „Feriae Augusti“ am 15. August feiern, neben den eher agrarischen Vinalia rustica (am 19. August) und den Consualia Ludi (am 21.) das dritte staatliche Fest im Monat August, arbeitsfrei auch für die Sklaven. Verehrt wurden v.a. Götter, die mit der Fruchtbarkeit zu tun hatten. Veranstaltet wurden neben Trink- und Gastgelagen Pferderennen, Arbeitstiere wie Esel, Maultiere und Ochsen wurden mit Blumengirlanden geschmückt.
Ferragosto ist bis heute einer der wichtigsten kirchlichen und familiären Feiertage Italiens. Viele Italiener machen in dieser Zeit Urlaub, das öffentliche Leben und die Bürokratie arbeiten nur noch eingeschränkt. Insbesondere die kühleren Urlaubsorte, am Meer und im Gebirge, sind völlig überfüllt. Typisch sind auch kilometerlange Staus, volle Strände, Restaurants und Hotels. Abends werden oft Feuerwerke veranstaltet.
Tatsächlich könnte es sich bei dem Ferragosto um den ältesten in Europa heute noch begangenen Feiertag handeln.
Der Feiertag fällt oft zusammen mit dem Maximum des Perseiden Meteoritenstromes, der in Italien am besten in den Stunden vor der Morgendämmerung zu sehen ist.
Am 15. August 2018 nannte Papst Franziskus beim Angelusgebet Maria „… die erste Jüngerin Jesu, denn sie habe ihr Leben Gott hingegeben und sei ihm gefolgt. … Der Leib der Mutter wurde vor der Verwesung bewahrt, wie der des Sohnes“ (Papst Franziskus, zit. n. Pfarrnachrichten Steglitz, H. 10/2019, S. 41/42).
Nach dem Lukasevangelium (Lk 1,26–56) besuchte Maria wenige Tage nach der Verkündigung durch den Engel Gabriel ihre Cousine Elisabeth (Mariä Heimsuchung). Auf Elisabeths Gruß hin antwortet Maria mit einem Hymnus, dem Lobgesang Marias. Der Hymnus ähnelt in mancherlei Hinsicht dem Lobgesang der Hannah, der Mutter Samuels (1 Sam 2, 1-10).
Der Lobgesang Marias wird auch Magnificat genannt, nach dem Beginn der lateinischen Fassung: „Magnificat anima mea Dominum“ („Meine Seele preist/erhebt den Herrn“)
Der deutsche Text des Magnificats lautet nach der Lutherbibel (1912):
„Meine Seele erhebt den HERRN, |
Das Magnificat wurde naturgemäß vielfach vertont.
Johann Sebastian Bach vertonte das lateinische Magnificat in zwei unterschiedlichen Fassungen vor. Die 1. Fassung (BWV 243a in Es-Dur) wurde 1723 als Bachs erstes großes Chorwerk in Leipzig uraufgeführt. Die 2. Fassung (BWV 243 in D-Dur) entstand in den Jahren 1732 bis 1735. Sie ist bis heute die meistgespielte Fassung, für fünfstimmigen Chor und Barockorchester mit Pauken und Trompeten.
Eine deutsche Übersetzung des Magnificats ist Grundlage des Textes zu der Kantate „Meine Seel erhebt den Herren“ (BWV 10). Bach komponierte sie 1724 in Leipzig für das Fest Mariä Heimsuchung am 2. Juli.
(ein festliegendes italienisches, katholisches und orthodoxes Fest nach dem Gregorianischen Kalender)
© Christian Meyer
[1] Mit dieser Marien–Reliquie („Sacra Cintola“) ist auch eine besondere Episode im Leben des Malers Fra Filippo Lippi verbunden, die von Giorgio Vasari erzählt wurde. Fra Filippo Lippi war von 1456 – 61 als Kaplan und Maler in S. Margherita in Prato beschäftigt. Während er an dem Bild für den Hauptaltar des Klosters malte, erblickte er eines Tages die 17 Jahre junge, schöne Lucrezia Buti, eine Novizin des Klosters. Lippi gelang es, „…. die Nonnen dahin zu bewegen, dass er die Mutter Gottes in den Altarbild nach ihr malen dürfe. Bei dieser Gelegenheit verliebte er sich noch mehr und fand endlich Gelegenheit, die Lucrezia jenen Nonnen gerade an dem Tag zu entführen, wo sie ausging, den Gürtel der Jungfrau zu sehen – eine heilige Reliquie, die man in Prato aufbewahrt. Die Nonnen waren durch das Ereignis sehr beschämt …“ (Vasari, S. 198, a.a.O.). Die Entführung war ein Skandal, eine sexuelle Verbindung von Mönch und Nonne stellte in den Augen der Kirche eine Todsünde dar, und auch für die weltliche Gesetzgebung stand die Todesstrafe auf dieses Delikt.
Das Altarbild Fra Filippo Lippis (und seines Freundes Fra Diamante zeigt – passenderweise – die Gürtelspende Marias an den Hl. Thomas. Es trägt den umständlichen Titel: „Jungfrau des Gürtels zwischen dem Hl. Thomas, der Auftraggeberin Bartolommea de Bovacchiesi, den Hll. Gregor, Augustinus, Tobias, Margarete und dem Erzengel Raphael“,
Das Original des Bildes befindet sich heute in dem Palazzo Communale / Museo Civico in Prato.
In dem Bild sollen einige Anspielungen auf die damalige Episode enthalten sein: Die Jungfrau Maria, im Zentrum des Bildes thronend mit ihrem Gürtel in den Händen, soll die Gesichtszüge von Spinetta, der Schwester Lucrezias tragen, die dem Maler ebenfalls als Modell saß. Die hinreißend ätherisch schöne, goldäugige Hl. Margarete hingegen soll die Züge der Lucrezia tragen. Sie blickt allerdings nicht auf Maria, sondern auf den Knaben ihr gegenüber, der einen Fisch in der Hand hält. Er soll ihren Sohn darstellen, den jungen Filippino Lippi, den zukünftigen Maler, die „Frucht“ ihrer ungesetzlichen Verbindung mit Lippi. Vor Maria kniend im Ordensgewand sieht man Bartolommea de Bovacchiesi, die Oberin des Klosters S. Margherita in Prato und Auftraggeberin des Bildes. Aus ihrem Kloster wurde Lucrezia entführt.
Von der besonderen Schönheit und Grazie Lucrezias sollen einige weitere zeitgenössische Maler, wie u.a. auch Botticelli, Filippino Lippi und Michelangelo begeistert und inspiriert worden sein.
Im Inneren des Domes zu Prato befinden sich Fresken von Filippo Lippi, u.a. ein Zyklus zum Leben Johannes des Täufers. Als Salome soll auch hier Lucrezia Buti abgebildet worden sein.
Lucrezia blieb nach der Entführung 1456 bei Lippi, sie gebar ihm einen Sohn, Filippino Lippi, der auch ein ausgezeichneter Maler wurde.
1461 erhielt Fra Filippo Lippi von Papst Pius II. die Lizenz, Lucrezia als seine (rechtmäßige) Frau anzunehmen (vgl. in Vasari, S. 202, a.a.O.), vermutlich durch eine Intervention seines Mäzens und Freundes Cosimo von Medici.
[2] Es handelt sich dabei um fünf Feiertage: Weihnachten, Ostern, den 1. Mai, Mariä Himmelfahrt und den 8. September.
Abb. Fra Filippo Lippi - Filippo Lippi - Fra Diamante: „Jungfrau des Gürtels zwischen dem Hl. Thomas, der Auftraggeberin Bartolommea de 'Bovacchiesi, den Hll. Gregor, Augustinus, Tobias, Margarete und dem Erzengel Raphael“
(Postkarte, 70er Jahre des 20. Jhdts.)