Hl. Michael -Mosaik in Sant'Apollinarein Classe;  Ravenna, 6. Jhdt
Hl. Michael -Mosaik in Sant'Apollinarein Classe; Ravenna, 6. Jhdt
Hans Leu: Michael
Hans Leu: Michael

Der Höllensturz. Erzengel Michael im Kampf mit Luzifer“, von  Hans Leu dem Älteren, tätig ca. 1490 - 1505), Öl auf Holz, Zürich, Gottfried Keller-Stiftung

29. September 

 

Michaelistag (franz. Saint – Michel; engl. Michaelmass; ein traditioneller Quartalstag); die katholische Kirche feiert den Namenstag des Erzengels Michael. In Russland und den orthodoxen Kirchen wird das Michaelisfest am 8. November gefeiert. Noch zu Beginn des 20. Jhdts. wurde das Michaelisfest zu den hohen Festen im Kirchenjahr gerechnet.

 

Nach der katholischen Lehre erschuf Gott vor der Grundlegung der Welt unzählige Engel ( = Boten), die Clemens von Alexandria als die „Erstgeborenen Gottes“ bezeichnete. Im - apokryphen - Buch Tobias wird angeführt, dass sieben Geister, die „Erzengel“ (= erste Engel) zunächst am Throne Gottes stünden. Drei davon werden namentlich in der Bibel erwähnt, Gabriel (hebr. „Kraft Gottes“), Raphael (hebr. „Heilung Gottes“) und Michael. Der Name „Michael“ bedeutet im Hebräischen „Wer ist wie Gott?“ [1] In der Bibel wird Michael als „großer Fürst“ erstmals im Buche Daniel (Dan 10, 13.21; 12,1) erwähnt.

Ein Drittel der Engel unter Luzifer (= „Lichtbringer“) soll jedoch schon vor der eigentlichen Schöpfung von Gott abgefallen und zu Teufeln geworden sein. Nach traditioneller katholischer Auffassung prüfte Gott die Engel, indem er ihnen befahl, Jesus Christus in seiner menschlichen Gestalt anzubeten. Die meisten gehorchten demütig, aber Luzifer empörte sich in „stolzer Eigenliebe“.  In dem „Streit im Himmel“ (Offenbarung, 12, Judas 9) besiegte Michael als Führer der himmlischen Heerscharen den Luzifer und die anderen Teufel. : „Und es erhob sich ein Streit im Himmel: Michael und seine Engel stritten mit dem Drachen; und der Drache stritt und seine Engel... Und es ward ausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt der Teufel oder Satanas, der die ganze Welt verführt, und ward geworfen auf die Erde, und seine Engel wurden auch dahin geworfen“ (Offenbarung 12, 7 - 9). Michael befreite die Frau mit dem Kinde, besiegte “die alte Schlange“, den Drachen, band ihn und sperrte ihn in einen versiegelten Abgrund, „… dass er nicht mehr verführen sollte die Heiden“ (Off 20, 3). 

Im Judentum spielt der Erzengel Michael eine große Rolle, er steht als Schutzengel Israels zur Rechten Gottes, nimmt die Gebete der Menschen entgegen und behütet die Frommen.

Im Koran kommen nur zwei Erzengel namentlich vor, Gabriel (Cibril) und Michael (Mikâil): “Wer ein Feind ist Allahs und seiner Engel und seiner Gesandten und Gabriels und Michaels, den trifft Allahs Zorn ...“ (2, 92). Nach eschatologisch – islamischer Vorstellung wird der Erzengel Michael am Jüngsten Tag Gott um Vergebung für die sündigen Menschen bitten.

Nach der traditionellen christlichen Überlieferung ist es der Erzengel Michael, der….

  • ….  Adam und Eva aus dem Paradies austrieb
  • … den Lebensbaum bewacht und Seth ein Zweiglein vom Baum der Erkenntnis reichte (vgl. Voragine, S. 349 f., a.a.O.)
  • … Hagar die Quelle zeigte
  • … Abraham hinderte, Isaak zu opfern
  • ….. mit Jakob rang  
  • … die Ägypter mit den Plagen schlug (Exodus 12), das Rote Meer teilte und mit dem Teufel um die Seele des Mose kämpfte (vgl. Voragine, S. 743, a.a.O.)
  • …. das Volk Israel ins Gelobte Land führte (Exodus, 23, 20)
  • … vor Bileams Eselin erschien ( 4. Mose, 22, 5 – 38)
  • …. das Heer Sanheribs schlug
  • …. den Jünglingen im Feuerofen erschien
  • …. den Habakuk an den Haaren über der Löwengrube hielt (Dan 14, 32)
  • …. dem Zacharias die Geburt seines Sohnes verkündete
  •   Lazarus zu Abrahams Schoß geleitete (Lukas 16)
  • …die Seele der Jungfrau Maria zu Gott geleitete (vgl. Voragine, S. 588, a.a.O.)
  • ….die Pest bringt ((vgl. Voragine, S. 745, a.a.O.)
  • …den Antichrist auf dem Ölberge töten wird (vgl. Voragine, S. 743 & 750, a.a.O.).

Eine besonders herausgehobene Rolle soll Michael beim Jüngsten Gericht spielen: Seine Posaune erweckt die Toten er ist der Seelengeleiter und hält die Seelenwaage.

Als Überwinder des Teufels wurde Michael im Mittelalter häufig als Schutzheiliger gewählt. Schon seit dem Beginn des 5. Jhdts. wurden in Italien dem Erzengel Michael viele Kirchen geweiht. An einem 29. (oder 30.) September wurde die Michaeliskirche an der Via Salaria in Rom geweiht, daher u.a. rührt die spätere kalendarischer Festlegung des Feiertags.

Auch wurden dem Erzengel in z.B. der Legenda aurea allerlei Wunder zugeschrieben.

Papst Calixtus legte das „Vierzeitenfasten“ fest, u.a. in der Woche vor dem Michaelisfest im September (vgl. Voragine, S. 179, a.a.O.).

 

Den frühen Theologen fiel - scheint es – die kognitive Dissonanz nicht auf, die in der Vorstellung eines Rebellen gegen ein allmächtiges und allwissendes Wesen liegt. Wozu brauchte ein solches Wesen einen ritterlichen Kämpfer wie den Erzengel Michael? Es spielten hier wohl ältere, vor – monotheistische Vorstellungen von Götterschlachten u. ä. eine Rolle.

Vermutlich erst in nachexilischer Zeit, unter dem Einfluss dualistischer Vorstellungen kam die Idee eines Widersachers Gottes, des Teufels auf.

 

Am 8. Mai 492 soll der Erzengel Michael Hirten in einer Grotte am Berge Gargano in Süditalien erschienen sein und ihnen seinen roten Mantel überlassen haben. Die Grotte war schon vorher eine „heidnische“ Kultstätte und wurde nun rasch ein christliches Wallfahrtsziel. Um die Wallfahrtskirche San Michele über der Erscheinungsgrotte entstand der heutige Hauptort der Gargano, Monte Santo Angelo.

Die Erscheinung von Gargano beschleunigte die Verehrung des Erzengels Michael. Bis heute kommen jährlich ca. 1 Million Besucher in die Wallfahrtskirche San Michele. Als Erinnerung an die Erscheinung beging man früher den 8. Mai das „Fest der Erscheinung des heiligen Erzengels Michael“.  

 

Das heutige Datum des Michaelistages wurde vom Konzil zu Mainz 813 durch Kaiser Ludwig den Frommen festgelegt: in der bisher der Verehrung des Wotan geheiligten Woche des Herbstbeginns (vgl. Keller, 1996, S. 432, a.a.O.). Generell sollen viele Züge des germanischen Wotanskults auf Michael übergegangen sein.

 

Im Christentum galt Michael als Schutzherr der „christlichen Heere“ und als Bekämpfer des „Irrglaubens“. Im Mittelalter huldigten in Gargano viele Kreuzfahrer dem Erzengel, bevor sie sich ins Heilige Land einschifften.

Der Ritterschlag erfolgte im Mittelalter im Namen Gottes, des Hl. Georg und des Hl. Michael.

 

Seit dem Jahre135 wurde in Rom das monumentale Grabmal des Kaisers Hadrian errichtet und nach dem Tode des Kaisers im Jahre 139 unter Antoninus Pius vollendet. Bis zum Jahre 217, zu Septimus Severus und Caracalla wurden dort mehrere römische Kaiser beerdigt.

Schon während der Belagerungen durch die Goten wurde das Grabmal als Festung benutzt.

Im Jahre 590, während einer Bittprozession um das Ende einer schweren Pestepidemie [2] erblickte der neugewählte Papst Gregor der Große (Pont. 590 - 604) der Legende nach auf der Spitze des Kaisergrabmals den Erzengel Michael, der sein blutiges Schwert in die Scheide zurückschob: dies wurde als Indiz dafür gedeutet, dass die Pestepidemie nun zuende sei (vgl. Hiltgart Keller, S. 268, a.a.O.). Das Grabmal wurde in Castel Sant’ Angelo („Engelsburg“) christianisiert, umbenannt und unter den Schutz des Erzengels Michael gestellt. Bald darauf, im Jahre 610 unter Papst Bonifatius IV. wurde auf dem Grabmal eine Kapelle des Erzengels Michael errichtet.

Im Mittelalter wurde die Engelsburg in die päpstliche Festung in Rom umgewandelt und die Spitze von einer Engelsfigur gekrönt.  

Der Florentiner Bildhauer und Goldschmied Benvenuto Cellini (1500 – 1571) berichtet in seiner Autobiographie, dass er 1527 bei der Verteidigung der Engelsburg „... auf dem höchsten Ort des Schlosses, zunächst dem Engel“, einige Kanonen aufstellen und feuern ließ (vgl. Cellini, 1957, S. 49 / 50, a.a.O.). 

 Der lombardischer Bildhauer Guglielmo della Porta (ca. 1515 – 1577 [3]) schuf einen Marmorengel, der von 1577-1753 dort oben stand. Diese Engelsfigur befindet sich nun im Inneren des Gebäudes, im Cortile dell’Angelo, und wurde im 18. Jhdt., im Jahre 1753 durch einen Bronzeengel des flämischen Bildhauers Peter Anton von Verschaffelt (1710 - 1793) ersetzt. 

 

Natürlich geht auch der Name der Abtei Mont-Saint-Michel in der Normandie auf eine Legende um den Erzengel zurück, die Robert de Torigni in seiner Chronik erzählt. Einst war die gesamte Küste der Bucht von Mont - Saint - Michel von einem undurchdringlichen Urwald bedeckt, bis der Erzengel im 8. Jhdt. dem Hl. Aubert, Bischof von Avranches, erschien. Zweimal befahl er ihm der Legende nach, auf einem der Felsen am Meer (damals „Mont Tombe“ genannt) zu seinen Ehren eine Kapelle zu errichten. Es entsprach der damaligen christlichen Tradition, dem Erzengel Michael Gotteshäuser zu weihen, die auf Bergen errichtet wurden.

Bischof Aubert aber war eine Art normannischer „ungläubiger Thomas“, er zweifelte an der Echtheit seiner Vision und zögerte mit dem Bau der Kapelle. Der Erzengel erschien dem Bischof daraufhin ein drittes Mal, wobei er unwiderstehlich einen Finger in den Schädel des Ungläubigen hineindrückte. Aubert konnte sich nicht mehr entziehen und ließ die Kapelle errichten, den heutigen Mont - Saint - Michel.  Zu der Abtei auf dem Mont - Saint - Michel begannen frühzeitig zahlreiche Wallfahrten. Die Abtei galt als „Wunder des Okzidents“. An dem Sonntag, der am nächsten am 29. September liegt, wird jeweils das Fest des Erzengels Michael in der Abtei gefeiert, unter Mitwirkung von zahlreichen Prälaten, Wallfahrer und Touristen. Bis heute werden in Mont - Saint - Michel z.B. Souvenirs mit dem Bildnis des Erzengels oder plombierte Glasampullen mit Sand vom Strand des Mont - Saint - Michel verkauft.

Auch einer der berühmtesten Boulevards von Paris (und eine wichtige Metrostation) tragen den Namen Boulevard Saint-Michel  („Boule Miche“). Der Name rührt her von einem dem Erzengel geweihten Gotteshaus, das einst auf der Île de la Cité auf dem Gelände des heutigen Palais de Justice lag und in dem z.B. König Philippe Auguste getauft wurde.  

Michael galt auch als Schutzpatron der römischen Kirche, des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“ und der Deutschen: daher rührt die Bezeichnung „deutscher Michel“. 

Michael als Drachentöter ist eines der beliebtesten Themen christlich motivierter Kunst. Meist wird Michael als geharnischter Ritter mit großen Flügeln im Kampf gegen den Drachen dargestellt, z.B. bei Andrea del Sarto, Raffael oder Luca Signorelli (in der Sixtinischen Kapelle zu Rom).

 

Die meisten Handelsmessen entstanden im Anschluss an kirchliche Feste, die an sich bereits viele Menschen und deshalb auch viele Kaufleute anzogen. Seit dem 8. Jhdt. wurden in Kirchen tägliche Messen zu Ehren des Heiligen gehalten, der an dem jeweiligen Tag besonders verehrt wurde. Das lat. „missa“ erlangte so auch die allgemeine Bedeutung von „kirchlicher Feiertag“. Des Weiteren wurde die Bezeichnung „Messe“ auch auf die Märkte übertragen, die anlässlich der Feiertage im Umkreis der Kirche stattfanden. Schon im 14. Jhdt. bezeichnete „Messe“ sowohl einen Jahrmarkt als auch regionale und überregionale Handelsmessen (vgl. Pfeiffer, Bd. 2, S. 1094/95, a.a.O.).

Schon im 11. Jhdt strömten während des Osterfestes „Menschen in ungezählter Menge“ zu dem berühmten Jahrmarkt in Köln (vgl. Kulischer, Bd. I, S. 81, a.a.O.).

In zum Beispiel Braunschweig gab es einst die Laurentiusmesse (um den Laurentiustag) sowie die Lichtmessmesse, in Frankfurt an der Oder die Margaretenmesse (um den Tag der Hl. Margarete 20 Juli), die Martinsmesse (um den vgl. dort Martinstag) und die Reminisceremesse (um den Sonntag vgl dort Reminiscere)

Der deutsche Name „Messe“ sowie das traditionelle Ein- und Ausläuten dieser Messen erinnern noch heute an die Herkunft dieser Märkte aus der kirchlichen Messe.

Die Leipziger Messen (zu Neujahr, Ostern und zum Michaelistag) waren bereits im 18. Jhdt. von besonderen musikalischen Ereignissen begleitet. Schon 1701 hätte der sächsische Kurfürst Friedrich August I. (August der Starke) verfügt, man möge in Leipzig „…. die Music in denen kirchen in guten Stand sezen“, da „… sonderlich in Messzeiten immerhin fremde Herrschaften nach Leipzig kommen“ (zit. n. Glöckner, S. 4, a.a.O.). Bis 1720 spielte die Leipziger Oper für jeweils drei Wochen zu den Messen.

Die Epistel [4] zum Michaelisfest berichtet von Kampf des Erzengels mit dem Drachen (Off. 12, 7-8). Dieser Text bildete 1724/25 die Grundlage für die Dichtung des Kantatentextes durch den Leipziger Oberpostkommissar Christian Friedrich Henrici (= Picander, 1700 - 1764).  Zum Michaelisfest 1726 wurde Johann Sebastian Bachs Kantate „Es erhub sich ein Streit“ (BWV 19) für Sopran, Tenor, Bass, vierstimmigen Chor, 3 Trompeten, Pauken, 2 Oboen, 2 Oboen d’amore, Oboe da caccia und Basso continuo in Leipzig uraufgeführt.

Der fugenähnliche Eröffnungschor der Kantate wird zu den effektvollsten Tongemälden Bachs gezählt:

                                                               „Es erhub sich ein Streit.

                                                                Die rasende Schlange,

                                                                der höllische Drache

                                                                stürmt wider den Himmel

                                                                mit wütender Rache.

                                                                Aber Michael bezwingt,

                                                                und die Schar, die ihn umringt,

                                                                stürzt des Satans Grausamkeit“.

Bachs Kantate zum Michaelisfest scheint auch darauf abzuzielen, den Messebesuchern etwas musikalisch Besonderes zu bieten. 

Ulrich Leisinger wies darauf hin, dass J.S. Bachs zweitältester Sohn Carl Philipp Emanuel Bach während seiner Tätigkeit als Hamburger Musikdirektor mehrfach zum Michaelisfest die Kantate seines Vaters „Es erhub sich ein Streit“ aufführen ließ, so zum Beispiel 1770 und 1785. Allerdings erfolgten die Aufführungen als Pasticcio, d.h. mit veränderten Texten, Auslassungen, Umstellungen, veränderter Instrumentalisierung und gekoppelt mit Stücken anderer Komponisten. Dies geschah damals jedoch mit anscheinend begeisterter Zustimmung des Publikums. Leisinger folgert daraus, dass „… der Originalitätsanspruch …. offenbar im Wesentlichen ein Konstrukt des 19. Jhdts.“ ist (vgl. Leisinger, S. 124, a.a.O.).

 

Der Erzengel-Michael-Bund war eine nationalistische, reaktionäre und antisemitische Organisation, die zu Beginn des 20. Jhdts. im zaristischen Russland politischen Einfluss hatten. Der Bund trug die Hauptverantwortung für die Pogrome des Jahres 1905 (vgl. Grossman, S. 96, a.a.O.).

 

Für den (reaktionären) preußischen König Friedrich-Wilhelm IV. (1795 – 1861) war der Erzengel Michael ein wichtiges Symbol: Er sah in ihm den Beschützer der gottgewollten Monarchie.

Das Michaels-Denkmal in Babelsberg war ein Geschenk des preußischen Königs an seinen Bruder, den Prinzen Wilhelm von Preußen, den späteren König und Kaiser Wilhelm I. (nach 1871 oft: „Wilhelm der Große“, 1797-1888). 

Mit der Figur des drachentötenden Erzengels Michael wollte der König seinem Bruder als Oberbefehlshaber der preußischen Interventionsarmee bei der Niederschlagung der Revolution in Baden und in der Pfalz 1849 danken. Der König sah diesen Krieg als „Engelsmission“ gegen die „Teufel“ der Revolution, zur Wiederherstellung der gottgewollten Monarchie an: „Wir haben es nun einmal mit Teufeln zu thun. Darum kann man Deinen Auftrag eine Engelsmission nennen“, schrieb der König in einem Brief an Wilhelm vom 14. Juni 1849, während der Niederschlagung des Badischen Aufstandes (vgl. Baumgart, S. 244, a.a.O.). 

Allzu engelhaft erschien dem König sein jüngerer Bruder allerdings nicht immer. Er charakterisierte ihn auch wie folgt: „Wenn er nicht als Prinz geboren wäre, dann wäre ein Feldwebel aus ihm geworden“ (zit. n. Heller, S. 327, a.a.O.). Jedoch schätzte Friedrich Wilhelm IV. Soldaten durchaus: „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten“ führte er in einem Brief vom 7. Mai 1849 an den Londoner Gesandten Christian von Bunsen über den Besuch der Kaiserdeputation und seine Ablehnung der Kaiserkrone aus (vgl. Ranke, 1873, S. 270 f., a.a.O.).  

Prinz Wilhelm lehnte anfangs die Errichtung des Denkmals ab, jeden Kult um lebende Personen: Es müsse der Nachwelt überlassen bleiben, die Leistungen von Verstorbenen zu würdigen. Vielleicht trug der Prinz dabei auch nur  Bescheidenheit zur Schau. Da ihm sein Bruder – der König – das Denkmal jedoch schenkte, konnte er sich gegen dessen Aufstellung nicht mehr widersetzen.

Es mutet wie eine Ironie der Geschichte an, dass sich Wilhelm später als König und Kaiser zu seinen Lebzeiten einer wahren Denkmalsflut ausgesetzt sah. So ist der Grunewald-Turm eigentlich ein Kaiser-Wilhelm-Turm.

Wilhelms Frau Augusta, die spätere Königin und Kaiserin, war als Enkelin von Goethes Großherzog eher liberal und mochte das Michaelsdenkmal nicht. Sie soll dafür gesorgt haben, dass es hinter dem Schloss aufgestellt wurde (vgl. Heller, S. 336, a.a.O.).

Die (ost-)deutsche Schriftstellerin und Redakteurin Gisela Heller (*1929) zitierte eine Volksweise zu dem Denkmal:

                                                               „Uff’n Babelsberger Turm

                                                               hockt een jroßer Lindenwurm

                                                               hat ‘nen Schwanz, der ist so stark

                                                               as  ‘ne kleene Fischerbark.

                                                   Ach du armer Lindenwurm, wat                                                                                  Hats du denn bloß verstoßen,

                                                               det du nu so sitten mußt

                                                               up’n kalten Bloßen?“   (zit. n. Heller, S. 336/337, a.a.O.)  

 

Durch eine private Spende wurde das Michaelsdenkmal im Schlosspark  Babelsberg 2018-20 umfassend restauriert. 

 

Eine ganze Reihe von deutschen Sprichwörtern bzw. Bauernregeln bezieht sich auf den Michaelistag, so z.B.:

„Michael mahnt und Martin zahlt“ (vgl. Wander, S.651, a.a.O.); früher wurde der Pachtzins meist jährlich abgegolten, in der Regel dann, wenn der Pächter die Früchte bereits verwertet hatte, also zwischen dem Michaelistag und dem Martinstag (11. November).

„Auf Sanct Michaeli beende die Saat, sonst wirst du’s bereuen zu spat“.

„Kommt Michel heiter und schön, so wird es noch vier Wochen gehn“.

„Michael mit Nord und Ost verkündet einen scharfen Frost“ (vgl. Wander, S. 652, a.a.O.).

„Michel steckt das Licht an, was das Gesinde zum Spinnen muß han“.

„Regnet’s sanft am Michaelistag, sanft der Winter werden mag“.

„Sanct Michel’s Wein ist Herrenwein, Sanct Gallus Wein ist Bauernwein“ (St. Gallus: 16. Oktober)

„So viel Tag es vor Michael reift, so viele Fröste nach Sanct Georg“ (St. Georg: 24. April).

„Um Michaeli in der Tat, gedeiht die beste Wintersaat“.

 „Wenn die Vögel nicht ziehn vor St. Michael, wird’s nicht Winter vor Christi Geburt“.

 

 

(unveränderlich nach dem Gregorianischen Kalender)

 

© Christian Meyer
 

[1] Die französischen Formen des Namens sind „Michel, Michaud, Mihiel“, die italienische „Michele“, die spanische „Miguel“, die ungarische „Mihaly“ die russische „Michail“, die arabische „Mikâil“ und die schwedischen Formen „Mikael“ und „Mickel“

[2] Der Überlieferung nach wurde der Bittprozession ein (angeblich) vom  ð Hl. Lukas gemaltes Marienbild vorangetragen (vgl. Hiltgart keller, S. 268, a.a.O.). 

[3] Guglielmo della Porta wird in den Künstlerbiographien des Giorgio Vasari mehrfach erwähnt (vgl. Vasari, S. 449, a.a.O.). erhielt aber keine eigene Biographie. 

[4] Die Perikopen (gr. „Abschnitte“) sind die vorgesehenen gottesdienstlichen Lesungen aus den Evangelien oder den neutestamentlichen Briefen, der Offenbarung und der Apostelegeschichte. Diese werden unter der Bezeichnung Epistel zusammengefasst.

„Der Heilige Michael als Drachentöter“, Alabasterrelief von 1467 in der Stiftskirche St. Severi zu Erfurt; zu beachten ist die noch deutlich ihre (arabische) Herkunft verratende Jahresangabe 1467

Christoph Schwarz: " St. Michael im Kampf mit dem Teufel", 1587; Hochaltar in der Münchener Jesuitenkirche St. Michael

 

Abb.: Das Michaelsdenkmal auf der Rückseite des Schlosses im Schlosspark Babelsberg  aus rotem und gelbem Sandstein für eine Brunnenwand mit – modischen - neugotischen Fialen, Pfeilern und Spitzbogen, in dem sich eine bronzene Figur des drachentötenden Erzengel Michael erhebt, wurde m Januar 1850 von dem Architekten und Schinkelschüler Johann Heinrich Strack [1] entworfen. Errichtet wurde das Denkmal 1853 von dem Bildhauer und Rauchschüler August Kiss (1802–1865) [2].

 

 


[1] Von Johann Heinrich Strack (1805 - 1880) stammen auch das Kronprinzenpalais Unter den Linden, die Siegessäule oder die Kolonnaden am Kleistpark. Das Schloss Babelsberg wurde 1834 von Schinkel und Persius begonnen, später vom Strack erweitert. Der Schlosspark wurde von Lenné angelegt, später von dem Fürsten Pückler-Muskau erweitert und umgestaltet (vgl. Cosmar, S. 4, a.a.O.).     

[2]Es handelt sich um die Replik eines Denkmals, das an die im Badischen Aufstand 1848 gefallenen preußischen Soldaten erinnern soll.  Das aus rotem Sandstein erschaffene Original befindet sich auf dem Friedhof in Karlsruhe.