9. Dezember: Gedenktag des Hl. Prokulus von Verona (auch: Proculus, ital. San Procolo, † um 320); der Name aus dem latein. bedeutet, abgeleitet von „procul“ ≙ „aus der Ferne“, also etwa „Mann aus der Ferne“.
Hinsichtlich seiner Person ist vieles unklar. Proculus soll der vierte Bischof von Verona gewesen sein und die diokletianische Christenverfolgung überlebt haben. Nach einer anderen Überlieferung soll Proculus bereits unter Diocletian gestorben sein. Aus der überlieferten, weit später verfassten Vita geht hervor, dass er sich besonders eifrig um Gefangene bemühte und kein Risiko für die eigene Person scheute, ja den Tod suchte. Er galt schließlich als wahnsinnig und wurde aus der Stadt verbannt. Nach der Vertreibung aus der Stadt kehrte er im hohen Alter zurück und starb in Verona eines friedlichen, natürlichen Todes.
1492 fand man den Leib des Proculus, jedoch ohne das Haupt, welches in Bergamo verehrt wird. Bei der Auffindung der Reliquien erhielt – angeblich - eine blinde Frau das Augenlicht wieder und eine lahme den Gebrauch ihrer Glieder. Die Reliquien lagern heute in der Kirche San Procolo zu Verona (neben San Zeno Maggiore).
Prokulus wird heute regional als Viehpatron und Wasserheiliger verehrt.
Eine weitere ihm gewidmet Kirche ist St. Prokulus in Naturns im Vinschgau/Südtirol. Der Ort lag an der Via Claudia Augusta, einer Römerstraße, die Süd und Nord verband.
Der Altar von St. Prokulus in Naturns steht nicht gerade sondern um 10 ° gedreht, weil das Gebäude nicht orientiert ist, vielleicht, da es auf den Grundmauern eines Römerhauses errichtet sein könnte.
Der Erstbau der heutigen Kirche reicht vor die karolingische Zeit (um 630) zurück.
Im Mittelalter wurden die ältesten Wandmalereien durch gotische Fresken übermalt.
Durch die 1923 freigelegten vor- oder frühkarolingischen Fresken zum Leben und Wirken des Heiligen, die als die ältesten Fresken im deutschen Sprachraum gelten, wurde das Kirchlein kunsthistorisch berühmt.
Künstlerisch zeigen die wertvollen Wandmalereien sowohl Einflüsse aus dem Norden, über St. Gallener Buchmalereien nach Irland, als auch aus dem Süden, über Ravenna, in den syrischen und byzantinischen Raum.
Die Fresken stellen unter anderem vermutlich den Bischof Prokulus auf einer Schaukel dar, und – ebenso ungewöhnlich für eine christliche Kirche – einen Hund, der eine Herde Rinder anführt. Spätere Fresken zeigen u.a. Szenen aus dem Leben der Hl. Katharina.
Neben dem Proculus, Bischof von Verona werden von der katholischen Kirche noch verehrt ...
· Das Ökumenische Heiligen Lexikon (a.a.O.). erwähnt darüber hinaus noch einen „Proclus“, als Gefährten des Hl. Theodoulos, eine „Procusa“ und einen „Proculus“, als Gefährten der Hl. Lucia, einen „Proculus“ als Bekehrten und Gefährten des Hl. Valentin von Terni, einen „Proculus“ als Gefährten des Hl. Mamilianus von Palermo, einen „Proculus“, Bischof von Autun und Märtyrer, einen „Ruricus Proculus“, Bischof von Limoges und schließlich einen „Proculus“, Bischof von Narni, der z.T. für identisch mit „Proculus“, Bischof von Terni und Märtyrer gehalten wird,
Abb.: Reliquiaraltar mit Figuren des Hl. Prokulus und Amtsvorgängern; in dem Altar werden Reliquien der Heiligen S. Procolo und S Agapito aufbewahrt; Chiesa di S. Procolo in Verona
Abb.: Die Prokulus-Kirche in Naturns (Abb. aus Schlerns, S. 6, a.a.O.).
Abb.: Fresken an der Südwand der Kirche in Naturns (Abb. aus Schlerns, S. 33, a.a.O.).
Abb.: Die berühmteste Szene der Fresken zeigt (wohl) den Heilige auf einer Schaukel (Abb. aus Schlern, a.a.O.). Uneinigkeit herrscht darüber, wer dargestellt wurde. Ist es vielleicht Paulus aus Tarsus, der über die Stadtmauer von Damaskus abgeseilt wird, oder Bischof Proculus, der aus Verona über eine Mauer floh? Oder Lucius von Chur, der seine britische Heimat verließ, um in Rätien das Christentum zu predigen? „Der Kieler Professor Georg Christoph von Unruh ist nach einer längeren Betrachtung dieser Szene zur Überzeugung gelangt, dass der Schaukelnde nicht über eine Stadtmauer herabgelassen, sondern hinaufgezogen wird. Der schwebende Heilige inmitten der schreitenden Figuren, die ihre erstaunten Blicke auf den Mittelpunkt der sakralen Handlung, den Altar und nicht auf den Schaukelnden richten, sei ein Sinnbild der Auferstehung. Den Kirchenbesuchern des römischen Kulturkreises sei noch im 7. und 8. Jhdt. die kultische Bedeutung des ‚Schaukel- Ritus‘ der Feriae Latinae bekannt gewesen, dessen Ursprung auf die Sage zurückgeführt wurde, dass man den zum Jupiter Latiaris erhobenen König Latinus nach einem Kampf nicht mehr auf der Erde fand. Deshalb wurde es üblich, Kinder und Sklaven am betreffenden Festtag von der Arbeit zu befreien, um den Entschwundenen nicht nur auf der Erde zu suchen, sondern auch im Himmel, soweit man durch Schaukeln hinauf gelangen kann. Da bei der ländlichen Bevölkerung das Festhalten an überlieferten Werten viel länger anhält, hätten die christlichen Glaubensboten diese nicht zu verdrängende Tradition des Schaukelritus beim beim ländlichen Opferfest christlich umgedeutet und daraus ein Symbol der Auferstehung oder Himmelfahrt gemacht“ (vgl. Schlern, S. 13/14, a.a.O.). Im „Schlern“ wird diese Interpretation wie folgt kommentiert: Sie ließe eher Rückschlüsse auf die gute humanistische Bildung des Jura-Professors Georg Christoph von Unruh (1913 – 2009) zu, zeige aber die Schwierigkeiten bei den Deutungsversuchen dieser ungewöhnlichen Fresken.
Abb.: Detail der Fresken an der Südwand der Kirche in Naturns: Man beachte den Faltenwurf an den Knien des Heiligen sowie die an ravennatische Mosaiken gemahnende Randbordüre (Abb. aus Schlerns, S. 34, a.a.O.).
Abb.: „Zuschauer“, Fresken, Detail an der Südwand (Abb. aus Schlern, S, 1, a.a.O.).
Abb.: Auffallend und rätselhaft erscheint auch das stark beschädigte Fresko der Tierprozession an der Westwand, in Richtung zum Altar, mit mittelalterlich eingebrochener Tür. Zwei Personen führen einen Hund und zwölf Kühe (die erste mit vier Hörnern). Möglich wäre eine Bitt- oder Dankprozession der Tiere, denn Prokulus wurde als Patron der Viehwirtschaft (vgl. Schlern, S. 105, a.a.O.) verehrt. Vielleicht handelt es sich aber um eine symbolische Darstellung der 12 Apostel mit dem sie anführenden Jesus? Dies würde die Gliederung der zwölf Tiere, in je vier Dreiergruppen mit sich wiederholender Farbgebung erklären. Denn die Zahlensymbolik im frühen Mittelalter spielte eine wichtige Rolle. Die beiden Anführer der Prozession könnten die Stifter sein, oder doch die Hll. Firmus und Rusticus, die mit Proculus in Beziehung standen? (Abb. aus Schlern, S. 105, a.a.O.).
Abb.: Visualisierungsversuch der Fresken der Westwand; der Kirchenboden lag damals ca. 40 cm tiefer (Abb. aus Schlern, S, 154, a.a.O.).
Abb.: „Fromme Kühe und Hund“, Fresken, Detail an der Westwand (Abb. aus Schlern, S, 50, a.a.O.).
Abb.: Rinderherde, Fresken; Detail an der Westwand (Abb. aus Schlern, S, 118, a.a.O.).