Das Grab von Rosa Luxemburg unter einem Berg roter Nelken bei der Gedenkveranstaltung im Januar 2015 (Photo: Christian Meyer)
Abb.: Rosa Luxemburg (Titelbild von Luxemburg, 1970, a.a.O.)
Auf einem Hinterhof der Chausseestraße 121 (nahe dem Dorotheenstädtischen Friedhof) befindet sich ein Gedenkstein aus der DDR-Zeit zur Erinnerung an die Gründung der Spartakusgruppe. Unter symbolischen Flammen (vielleicht auch einem angedeuteten Steinbruch, in dem antike Sklaven in Syrakus arbeiten mussten ??) steht auf der Stele in großen Buchstaben der Name SPARTAKUS mit einem Zitat von Karl Liebknecht: „Spartakus, das heißt Feuer und Geist, das heißt Seele und Herz, das heißt Wille und Tat der Revolution des Proletariats“. Es handelt sich dabei um einen Teil aus dem letzten Artikel Liebknechts, „Trotz alledem“, in der „Roten Fahne“ vom 15. Januar 1919 (vgl. Liebknecht, S. 293, a.a.O.).
Auf der Rückseite wird darauf hingewiesen, dass hier am 1. Januar 1916 der Spartakusbund als Keimzelle der KPD gegründet wurde. Eine kleine Gruppe oppositioneller, linker, kriegskritischer Sozialdemokraten (die „Gruppe Internationale“) organisierte sich reichsweit. Am 1. Januar nahm sie die von der inhaftierten Rosa Luxemburg verfassten „Leitsätze über die Aufgaben der internationalen Sozialdemokratie“ als Programm an
Scharf verurteilt wurde die Burgfriedenspolitik, der imperialistische Krieg und Nationalismus. Rosa Luxemburg resümierte: „Die nächste Aufgabe des Sozialismus ist die geistige Befreiung des Proletariats von der Vormundschaft der Bourgeoisie, die sich in dem Einfluss der nationalistischen Ideologie äußert“ (Luxemburg, 1916, S. 99, a.a.O.).
Am 27. Januar 1916 erschien der erste der illegalen „Spartakusbriefe“, der über die Ziele der Gruppe informierte. Deshalb bekam die Gruppe rasch in der Öffentlichkeit den Namen „Spartakus“. In der Folge nannte sich diese nun ihrerseits selbst „Spartakusgruppe“.
Bis zu seiner Ermordung betrieb Karl Liebknecht in dem Haus Chausseestraße 121 zusammen mit seinem älteren Bruder Theodor eine Rechtsanwaltspraxis. Das Haus Chausseestraße 121 wurde im 2. Weltkrieg zerstört und später durch einen Neubau ersetzt. Um in den Innenhof zu dem Denkmal zu gelangen, muss man am Eingangstor klingeln.
Abb. unten: Rückseite des Gedenksteins (Photos: Christian Meyer, Juni 2020)
Eine unrühmliche Rolle spielte in der Revolution das Garde-Füsilier-Regiment, das in den Kasernen in der Chausseestraße 89–92 und der Kesselstraße 1–2 untergebracht war. Auf einem vormaligen Exerzierplatz wurden 1850 –1853 drei lange Kasernengebäude errichtet. Das Regiment wurde aufgrund seiner farbigen Uniformen quasi offiziell die „Maikäfer“ genannt und die Bezeichnung wurde auch auf die Kaserne übertragen.
Im Jahre 1915 soll in der Kaserne der Schriftsteller Hans Leip (1893-1983) vor seinem Einsatz an der Ostfront das Gedicht „Lilli Marleen“ geschrieben haben.
Zum 9. November 1918, dem ersten Tag der Novemberrevolution in Berlin, war ein Generalstreik ausgerufen worden; die revolutionär gesonnenen Arbeiter und Matrosen versuchten, die noch loyalen Soldaten in allen Kasernen, zu bewegen, sich friedlich und gewaltlos der sich ausbreitenden Revolution anzuschließen („Brüder nicht schießen“) und ggf. die Offiziere zu entwaffnen, was meist auch gelang.
Am 9. November bewegte sich morgens, nach der Frühstückspause ein Demonstrationszug von streikenden Arbeitern der Schwartzkopff-Werke auf die Garde-Füsilier-Kaserne in der Chausseestraße zu, forderte das Militär auf, sich anzuschließen und die Waffen niederzulegen. Angeführt wurde der Zug von revolutionären Obleuten, u.a. dem 24jährigen Erich Habersaath.
Erich Habersaath wurde 1893 als zwölftes Kind einer Arbeiterfamilie in Berlin geboren. Der Werkzeugschlosser trat 1911 der SPD bei, gehörte zu den Mitbegründern der USPD in Berlin, war Spartakist und ein Führer der Berliner Arbeiterjugend.
Als im Inneren der Kaserne keine Reaktion erfolgte, brachen die Demonstranten ein Kasernentor auf und stürmten in den Kasernenhof. Nun schoss gegen 10.00 Uhr ein Offizier aus der Kaserne in dem Durcheinander auf die einströmenden Demonstranten und tötete drei von ihnen: Erich Habersaath, der erste Tote der Novemberrevolution in Berlin, sowie den Gastwirt Richard Glatte und den Monteur Franz Schwengler.
Am 6. Dezember 1918 wollte erneut ein Demonstrationszug von Norden her zur Innenstadt ziehen, gegen den Putschversuch konterrevolutionärer Offiziere. Gardefüsiliere aus den „Maikäferkasernen“ riegelten die Straße von der Ecke Invalidenstraße mit Maschinengewehren ab und schossen ohne Warnung in die Menge. Ein Blutbad in der Chausseestraße mit 16 Toten und zahlreichen Verletzten war die Folge.
Die toten Revolutionäre wurden am 21. Dezember auf dem Friedhof der Märzgefallenen im Friedrichshain feierlich beigesetzt. 1958, zum 40. Jahrestag der Novemberrevolution, wurden dort drei Grabplatten mit Inschriften zum Gedenken an die Opfer eingelassen.
Nach dem ersten Berliner Opfer der Revolution wurde am 31. Mai 1951 die südlich an dem ehemaligen Kasernengelände vorbeiführende Kesselstraße in Berlin-Mitte in Habersaathstraße umbenannt, - und sie heißt noch heute so. Eine für Habersaath dort angebrachte Gedenktafel wurde in den 90er Jahren entfernt.
Da der Friedensvertrag von Versailles Deutschland die Abrüstung auf 100 000 Mann vorschrieb, wurde in den 20er Jahren das Kasernengelände in der Chausseestraße an die Polizei übergeben. Im 2. Weltkrieg wurden die Kasernen zerstört und 1949/1950 abgerissen.
Das auf dem ehemaligen Exerzierplatz errichtete Polizeistadion wurde (mit Ruinentrümmern) aufgeschüttet, vergrößert und am 5. August 1951 für die III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten zum Walter-Ulbricht-Stadion ausgebaut. Auch der nahegelegene U-Bahnhof erhielt diesen Namen. Zu den X. Weltfestspielen und einer Renovierung erfolgte 1973 die Umbenennung von Stadion und U-Bahnhof in „Stadion der Weltjugend“.
In dem Stadion …
Seit dem 8. Februar 2019 befindet sich die Zentrale des Bundesnachrichtendienstes (BND) in der
Chausseestraße 96.
„Auch wenn unsere Proteste in der Sache wirkungslos geblieben sind. Sie haben unsere Hirne und unsere Herzen wärmer gemacht“.
Rosa Luxemburg (wann, wo ?)
15. Januar 1919: Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht
Ein bis heute in viele Details ein unklarer Mordfall, aber mit enormen politischen Auswirkungen, v.a. der endgültigen Spaltung der deutschen Arbeiterbewegung.
Karl Liebknecht war am 2. Dezember 1914 der einzige Abgeordnete, der im Reichstag gegen die Kriegskredite stimmte.In der Folge versuchte der einflussreiche Gewerkschftsvorsitzende Carl Legien (1861 – 1920) im Februar 1915 einen Ausschluss Liebknechts aus der Reichstagsfraktion und der Partei zu erreichen, vergeblich (vgl. Autorenkollektiv 1967, Kap. V, S. 40, a.a.O.).
Jedoch verurteilte die Reichstagsfraktion der SPD auf Antrag von Karl Frohme (1850 – 1933) die Ablehnung der Kriegskredite durch Liebknecht „… unvereinbar mit den Interessen der deutschen Sozialdemokratie“ (zit. n. Autorenkollektiv 1967, Kap. V, S. 43, a.a.O.).
Am 7. Februar 1915 zogen die preußischen Militärbehörden Liebknecht als Armierungssoldaten zum Kriegsdienst ein. Er erhielt allerdings als Abgeordneter zu den Sitzungen des Preußischen Landtags und des Reichstages Urlaub, durfte dazu jedoch Berlin nur mit besonderer Erlaubnis verlassen. Zugleich wurde ihm verboten, an politischen Versammlungen teilzunehmen oder schriftliche wie mündliche Agitation zu betreiben.
Zum 1. Mai 1916 wurden Friedensdemonstrationen organisiert, u.a. in Berlin, Braunschweig, Bremen, Dresden, Duisburg, Jena, Kiel, Leipzig, Magdeburg, Pirna und Stuttgart.
U. a. Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg organisierten 1916 unter der Losung „Wer gegen den Krieg ist, erscheint am 1. Mai Abends acht Uhr Potsdamer Platz (Berlin)“ eine Mai- und Antikriegsdemonstration, für die Beendigung des 1. Weltkriegs..
In Berlin kamen dazu Tausende auf den Potsdamer Platz (vgl. Autorenkollektiv 1967, Kap. V, S. 83, a.a.O.), er war jedoch von einem großen Polizeiaufgebot umringt.
Luise Kautsky schrieb Jahre später über das Geschehen in „Der Abend, Spätausgabe des Vorwärts“ (15.1.1929): „Mit Karl Liebknecht, der eben von der Truppe beurlaubt nach Berlin kommt, will sie (i.e. Rosa Luxemburg) eine Maidemonstration erzwingen, und die beiden stellen sich, allen Gefahren des Belagerungszustands trotzend, am 1. Mai 1916 auf den Potsdamer Platz und rufen mit lauter Stimme: „Nieder mit dem Krieg!“ Der feldgraue Armierungssoldat Liebknecht wird augenblicklich gepackt und ins Gefängnis geschleppt. Rosa bleibt merkwürdigerweise frei und entgeht der sofortigen Verhaftung. ...“ [0].
Vor dem Tribunal griff Liebknecht die Regierung und den Krieg scharf an: „… kein General trug je eine Uniform mit so viel Ehre, wie ich den Zuchthauskittel tragen werde. – Ich bin hier um anzuklagen, nicht – um mich zu verteidigen! Nicht Burgfrieden, sondern Burgkrieg ist für mich die Losung! Nieder mit dem Krieg! Nieder mit der Regierung!“ (vgl. Autorenkollektiv 1967, Kap. V, S. 83, a.a.O.).
Noch 1916 wurde Liebknecht in erster Instanz zu zu zweieinhalb Jahren, in zweiter zu vier Jahren und einem Monat Zuchthaus verurteilt.
Von 1911 bis zu ihrer Ermordung 1919 wohnte Rosa Luxemburg im heutigen Berlin-Steglitzer Ortsteil Südende, in der Lindenstraße 2 (heute Biberacher Weg, einer kleinen Nebenstraße des Steglitzer Dammes, nahe der S-Bahnstation Attilastraße). In Briefen an ihren Freund, den Mediziner und Sozialisten Hans Diefenbach (1884 – 1917 [1]) sprach sie nahezu liebevoll von „ihrem Südende“. Ihr ehemaliges Wohnhaus, ein Mietshaus aus dem Jahre 1903 steht nicht mehr, das Grundstück wurde erneut bebaut, seit Jahren gibt es eine Diskussion um eine Gedenktafel an dieser Stelle.
Als die Oberste Heeresleitung (OHL) in Gestalt von Generalquartiermeister Wilhelm Groener (1887 - 1939) angesicht der Kieler meuternden Matrosen bei Armeeeeinheiten schriftlich nachfragen ließ, öb die Truppen bereit wären, mit dem Kaiser an der Spitze gegen die „Bolschewisten“ in Berlin zu ziehen, erklärte sich einzig die im Frühjahr 1918 neugebildeten Garde-Kavallerie-Schützen-Division (GKSD) dazu bereit (vgl. Gietinger, S. 10, a.a.O.).. Ihr faktischer Befehlshaber war Hauptmann Waldemar Papst [2] als Erster Generalstabsoffizier, da Generalleutnant. Heinrich von Hofmann (1863-1921) schwer herzkarnk war.
Innerhalb der OHL gab es Putschpläne beim Einmarsch der Fronttruppen am 10. Dezember 1918, im Einvernehmen mit Ebert sollte den Arbeiter- und Soldatenräten ein Ende gemacht werden. Auch Papst war in die Pläne eingeweiht, sie kamen jedoch verfüht ins Licht der Öffentlichkeit und mussten verschoben werden.
Als in der Folge auch die GKSD auf die Republik vereidigt werden sollte, blieb Papst unter einem Vorwand der zeremonie fern, sein Adjutant Horst von Pflugk-Harttung [3] (1889 – 1967) kam an seiner Stelle.
Am nächsten Tag aber ritt Waldemar Papst an der Spitze der GKSD durch das Brandenburder Tor in Berlin ein. Ebert hielt dabei eine Rede, die vom dem Major und späteren Reichskanzler Kurt von Schleicher verfasst worden war und zur Geburt der Dolchstoßlegende wurde. Über die Militärs hieß es zudem in der Rede: „Ihr seid die stärksten Träger der deutschen Zukunft“ (zit. n. Gietinger, S. 11, a.a.O.).
Am 24. Dezember 1918 beschossen Soldaten der GKSD mit Feldhaubitzen und auch Gasgranaten das Haupquartier der revolutionären Volksmarinedivision, - in Absprache mit Ebert. Jedoch wurden die Angreifer durch Berliner Arbeiter entwaffnet, der Coup war gescheitert, aber die USPD trat aus der Regierung aus. Nun erhielt Papst massive Unterstützung von Großkapitalisten wie Hugo Stinnes.
Das Eden-Hotel (in der heutigen Budapester Straße, gegenüber dem Aquarium) wurde das Stabsquartier der, die ein Heer von Spitzeln und in den bürgerlichen Bezirken eine Einwohnerwehr/Bürgerwehr (mit)organisierte.
Am 27. Dezember 1918 traf Papst erstmals mit Gustav Noske (MSPD, 1868 - 1946) zusammen , dem Volksbeauftragten für Heer und Marine.
Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gehörten unterdessen zu den Mitbegründern der KPD, die ihren Gründungsparteitag vom 30. Dezember 1918 bis zum 1. Januar 1919 in Berlin im Festsaal des heutigen Abgeordnetenhauses durchführte. Rosa Luxemburg stand auf der Seite derer, die eine Beteiligung an den Wahlen zur Nationalversammlung forderten, aber von der Mehrheit überstimmt wurden.
Bereits seit Dezember 1918 wurden von der „Antibolschewistischen Liga“ in Berlin Flugblätter und Plakate veröffentlicht, in denen zur Ergreifung der Anführer des Revolutionäre aufgerufen wurde.
Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gehörten zu den Mitbegründern der KPD, die ihren Gründungsparteitag vom 30. Dezember 1918 bis zum 1. Januar 1919 in Berlin im Festsaal des heutigen Abgeordnetenhauses durchführte.
Nach den Unruhen zu Jahresbeginn 1919 tauchten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die zu Recht um ihr Leben fürchteten, in verschiedenen Wohnungen unter, zuletzt in Wilmersdorf, in der ….. Straße.
Von einer „Bürgerwehr“ wurden beide festgenommen und ins Hotel Eden beim Zoologischen Garten gebracht, damals das Hauptquartier der (konterrevolutionär orientierten) Garde-Kavallerie-Schützen-Division, dessen faktischer Befehlshaber 1919 Waldemar Pabst war.
Die beiden Gefangenen wurden getrennt und misshandelt, u.a von Pabst befragt, und dann zwei Kommandos zur Ermordung übergeben.
Horst von Pflugk-Harttung (1889 – 1967) befehligte 1919 das Freikorps-Kommando, welches auf Weisung von Hauptmann Waldemar Pabst, am Abend des 15. Januar 1919 Karl Liebknecht im Berliner Tiergarten. „auf der Flucht“ erschoss. Gleichzeitig wurde von Pabst auch die Ermordung von Rosa Luxemburg veranlasst
Rosa Luxemburg wurde ebenfalls beim Verlassen des Hotels Eden misshandelt, noch im Auto erschossen und – mit Steinen beschwert – in den nahe gelegenen Landwehrkanal geworfen [5].
Den Mord gab Pflugk-Harttung „gegen die Verpflichtung absoluter Geheimhaltung“ am 16. Januar gegenüber Ernst von Weizsäcker zu, der ihm zur Flucht riet.
Im Mai 1919 wurde Horst von Pflugk-Harttung nach einer Prozess-Farce zusammen mit anderen Tatbeteiligten von einem Kriegsgericht freigesprochen und flüchtete mit Hilfe von Wilhelm Canaris (einem Beisitzer in dem Gericht) nach Schweden.
Die Beurteilung des (Mit-) Gründerpaares der KPD klafft bis heute massiv auseinander. Insbesondere Rosa Luxemburg erfuhr posthum eine hohe Aufwertung, sie wurde sozusagen zu einer Ikone, einem Leitbild eines philanthropischen, demokratischen Sozialismus.
Das Zitat von Luxemburg „Die Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkens“ wurde auch in der DDR von Dissidenten ausgegriffen. Auch hat z.B. die Deutsche Bundespost eine Gedenkbriefmarke für Rosa Luxemburg herausgegeben.
Umgekehrt wird vielfach (insbesondere von Konservativen und Rechten) der Mord Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht als die logische Konsequenz, die gerechte Strafe ihres Handelns, ihrer (angeblichen) Taten angesehen.
Jeweils am 2. Sonntag im Januar wird der Ermordung der beiden demokratischen Sozialisten durch einen „Spaziergang“ zu ihren Gräbern in der Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin – Lichtenberg gedacht. Allerdings liegen dort auch z. B. Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht, sicher nicht gerade Leuchten eines demokratischen Sozialismus. Auch an ihren Gräbern werden alljährlich hunderte von roten Nelken niedergelegt (vgl. Abb. oben).
Issac Bachevis Singer berichtete von dem jiddischen (mir ansonsten unbekannten) Schriftsteller Zachrias Kammenmacher, der wohl in den Zwanziger Jahren in einem Gedicht Rosa Lucemburg mit der jüdischen Satmmutter Rachel, der Frau Isaaks verglich (vgl. Singer, S. 257, a.a.O.).
Der Bukowina-deutsch-jüdische Lyriker Paul Celan (1920 - 1970) schrieb im Dezember 1967 in West-Berlin das titellose Gedicht „Du liegst im großen Gelausche“ als eine Erinnerung an die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht:
„DU LIEGST im großen Gelausche,
umbuscht, umflockt.
Geh du zur Spree, geh zur Havel,
geh zu den Fleischerhaken,
zu den roten Äppelstaken
aus Schweden –
Es kommt der Tisch mit den Gaben,
er biegt um ein Eden –
Der Mann ward zum Sieb, die Frau
musste schwimmen, die Sau,
für sich, für keinen, für jeden –
Der Landwehrkanal wird nicht rauschen.
Nichts
aaaaaastockt“.
(Paul Celans Gedicht „DU LIEGST…“ wurde erstmals 1971 posthum veröffentlicht, im Nachlassband Paul Celan: „Schneepart“, Bibliothek Suhrkamp, Frankfurt am Main 1997)
(Gedenkveranstaltung veränderlich, jeweils der 2. Sonntag im Januar, nach dem Gregorianischen Kalender)
© Christian Meyer
[0] Auch in der DDR-offiziellen „Geschichte der Deutschen Arbeiterbewegung“ wird nicht erwähnt, dass auch Rosa Luxemburg an der Planung und Durchführung der Friedensdemonstration am Potsdamer Platz beteiligt war (vgl. Autorenkollektiv, 1967, Kap. V., S. 83, a.a.O.).
[1] Hans Diefenbach war im 1. Weltkrieg an der Westfront als Militärarzt tätig. Kurz vor seinem Tode - der 33jährige wurde in der Nacht vom 24. zum 25. Oktober 1917 von einer Granate tödlich getroffen – verfasste er seinen letzten Willen, in dem er Rosa Luxemburg sein von seinem Vater ererbtes Vermögen in Höhe von 50 000 Mark vermachte.
Die darin gemachte Auflage ist charakteristisch für Rosa Luxemburg. Der Text des Testaments lautet:
„Meiner Freundin Dr. Rosa Luxemburg, Berlin-Südende, Lindenstr. vermache ich 50 000 M jedoch mit einer Klausel: Die genannte Summe soll von irgend einer entsprechenden Instanz z.B. von meiner
Schwester verwaltet und der Erbin der jährliche Zins bis zu ihrem Tode regelmäßig ausgezahlt werden. Ich treffe diese Bestimmung, da meine ausgezeichnete Freundin in der Privatökonomie
vielleicht keine ganz so geniale Meisterin ist, wie in der National-Ökonomie. Ein impulsives Ausgeben der genannten Summe für irgend einen momentanen politischen Zweck läge nicht im Sinne
meines Vaters, des Erwerbers des Geldes, als dessen bloßer Verwalter ich mich eigentlich fühle, nicht als dessen gemeiner Besitzer. Wohl aber bitte ich meine Freundin Rosa Luxemburg für den
Fall ihres Ablebens eine Bestimmung zu treffen, wie die genannte Summe von 50 000 M als dann für unsere gemeinschaftlichen großen politisch-sozialen und philanthropischen Ideale
zweckentsprechend verwendet werden sollen. Das Bestimmungsrecht hierüber soll ihr für ihr Testament vollkommen zustehen. Die jährlich ausgezahlte Zinssumme bitte ich sie sorglich in meinem
Sinne zu verwenden und dabei vor allem zu berücksichtigen, daß nicht bloß die Gemeinschaft unserer Ideen, sondern auch ihr eigenes körperliches Wohlergehen stets eine nahe
Herzensangelegenheit gewesen ist. Sie soll also die jährliche Rente nicht bloß, wie dies ihrem großartigen Natürel entspräche, für andere bedürftige Leute sondern in erster Linie für sich
selbst verwenden.
gez. Hans Diefenbach."
Rosa Luxemburg konnte infolge ihres gewaltsamen Todes die Erbschaft nicht mehr antreten. Erst 1927 nach der Inflation, erhielten die Erben Rosa Luxemburgs die stark reduzierte Summe (vgl. http://www.diegeschichteberlins.de/geschichteberlins/persoenlichkeiten/persoenlichkeiteag/422-diefenbach.html?573da0f5e1c688030bddf01b36b05e41=48cd8308c82722aee97711218c2588759)
[2] Waldemar Pabst (1881-1970) war Sohn einer wohlhabenden Berliner Bürgerfamilie. Er besuchte die preußische Kadettenanstalt in Lichterfeld, wo er u.a. Franz von Papen kennenlernte, dem er lebenslanf freundschaftlich verbunden blieb (vgl. Gietinger, 2008, S. 10, a.a.O.). Papst wurde 1899 als Fähnrich Berufsoffizier, 1900 Leutnant und nach dem Besuch der Preußischen Militärakademie 1914 Hauptmann. Während des 1.Weltkrieges war Pabst an der Front in Belgien, nahm dann an den Kämpfen um Verdun teil; ab Mitte 1916 war er im Generalstab tätig.
Anfang Dezember 1918 erreichte Papst mit der (konterrevolutionär orientierten) GKSD Berlin, am Bahnhof Nikolassee. Zur Begrüßung erschienen der USDP-Volksbeauftragte Ernst Barth (1879 - 1941) und Vertreter des Rates der Deserteure – Papst ließ die Delegation vom Bahnsteig vertreiben, mit einem „Halbkommunisten“ wollte er nichts zu tun haben.
Er gab den Befehl zur Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, nicht ohne „Billigung höheren Orts“ (vgl. Gietinger, 2008, S. 10, a.a.O.).
Nach dem 2. Weltkrieg erklärte Waldemar Pabst: „Dass ich die Aktion ohne Zustimmung von Noske gar nicht durchführen konnte und auch meine Offiziere schützen musste, ist klar. Aber nur ganz wenige Menschen haben begriffen, warum ich nie vernommen oder unter Anklage gestellt worden bin. … Ich habe als Kavalier das Verhalten der damaligen SPD damit quittiert, dass ich fünfzig Jahre lang das Maul gehalten habe über unsere Zusammenarbeit“.
Die CDU-Bundesregierungen betrachteten die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht als „standrechtliche Erschießungen“ (vgl. Bulletin des Presse- und Informationsdienstes der Bundesregierung Nr. 27, vom 8. Februar 1962).
Waldemar Papst stand der NPD nahe, war aber nicht Mitglied der Partei. Er starb 1970 wohlhabend geworden.
Der Luxemburg-Forscher Klaus Gietinger (*1955) hielt Pabst für „eine präfaschistische Figur“ (Gietinger, 2009, S. 112, a.a.O.).
[3] Horst von Pflugk-Harttung (1889 – 1967) war seit 1907 Berufssoldat, stieg auf zum Kapitänleutnant. Er ist der Mörder von Karl Liebknecht. 1919, nach den Morden, flüchtete er nach Schweden. Er erklärte in einem Zeitungsinterview, er habe im Auftag Noskes Liebknecht ermordet. Später dementierte er diese Aussage.
Nach dem 2. Weltkrieg lebte er als Kaufmann in Hamburg und pflegte den Kontakt zu Waldemar Pabst.
Horst von Pflugk-Harttung wurde in der Bundesrepublik nicht strafrechtlich behelligt.
Kapitänleutnant
[4] Otto Wilhelm Runge (1875 – 1945) war Schweißer, dann (als gemeiner) Soldat in der Garde-Kavallerie-Schützen-Division. Als solcher bewachte es am Abend des 15. Januar 1919 den Eingang des Eden Hotels. Im Auftrage eines Offiziers schlug er – vermutlich in der Hoffung auf eine finanzielle Belohnung - erst Karl Liebknecht, dann Rosa Luxemburg beim Verlassen des Hotels mit dem Gewehrkolben und verletze beide schwer, Luxemburg lebensgefährlich. Runge soll dafür von einem Offizier 100,-RM erhalten haben. Runge flüchtet mit Unterstützung der Division, wird aber bald von der Polizei gefasst.
Im Prozess um die Ermordung vor dem Feldkriegsgericht des Garde-Kavallerie-Korps wurde Runge am 14. Mai 1919 wegen versuchten Totschlags zu einer zweijährige Gefängnisstrafe verurteilt und musste - als einziger - sie bis 1921 verbüßen. Nach der Entlassung lebte er unter falschem Namen in Berlin. Zweimal, 1925 und 1931 wurde er von Arbeitern bzw. Arbeitslosen erkannt und verprügelt. 1934 erhielt Runge nach einer Amnestie von der NS-Regie- rung eine finanzielle Haftentschädigung von 6000,- RM.
Ende Mai 1945 wurde der 70jährige Runge von Kommunisten festgenommen, der sowjetischen Geheimpolizei übergeben und im damaligen „NKWD-Keller“ in der Fröbelstraße in Prenzlauer Berg, im Haus 3, inhaftiert.
Runge wurde noch im Juni 1945 aus Berlin abtransportiert und hat vermutlich den Transport nicht überlebt. Die Umstände seines Todes sind unbekannt (vgl. „Junge Welt“, 13./14.01.2007).[5] Genau in diesem historischen Moment setzt der (spannende) Roman „Das Luxemburg-Komplott“ von Christian von Ditfurth (a.a.O.) ein: Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg werden nahe dem Eden-Hotel von einer revolutionären Arbeiter-Patrouille befreit und führen die Revolution zum Siege – zu einem Scheinsieg allerdings nur: Luxemburgs Vorstellungen von einem demokratisch-freiheitlichen, toleranten Sozialismus scheitern schließlich an der Gewalt und dem Chaos im Land, aber auch an den gewaltorientierten, „leninistischen“ Gruppen in der KPD und der USPD.
Gedenkbriefmarke für Rosa Luxemburg, DDR 1959
Gedenk-Briefmarke an Rosa Luxemburg, Deutsche Bundespost 1974
Abb.: Sockel des geplanten Liebknecht-Denkmals am Potsdamer Platz, beim U - Bahn - Ausgang an der Stresemannstraße - Berlin 10785 (Photo: Christian Meyer, 2005).
Am Ort der Antikriegsdemonstration des 1. Mai 1916 wurde am 13. August 1951 anlässlich der Weltjugendfestspiele der Grundstein eines Denkmals für Karl Liebknecht gelegt, - genau an Liebknechts 80. Geburtstag. Der ca. 1,70 m hohe dunkle, gemauerte Denkmalsockel sollte das damals geplante Denkmal tragen – eine Liebknecht-Statue. Sie wurde jedoch nie errichtet. Genau 10 Jahre später befand sich der Sockel unmittelbar hinter der Mauer im gesperrten Grenzstreifen und war damit nicht zugänglich. 1990 verschwand er auf
privatem Baugrund hinter einem Baustellenzaun. Am 22. März 1995 wurde der Sockel demontiert und seine Einzelteile auf einen Lagerplatz gebracht. Nach Protesten und einer Intervention des Bezirks Mitte von Berlin für die Wiederaufstellung des Sockels wurde er 2003 mit einer kommentierenden Informationstafel des Berliner Forums wieder aufgestellt. Bei der Neueinweihung am 20. November 2003 sprachen der damalige Senator für Wissenschaft und Kultur, Thomas Flierl, und der frühere Direktor der Berliner Festspiele, Ulrich Eckart.
Seit dem am 13. August 1951 trägt der Sockel in roten Großbuchstaben die Inschrift: „Von dieser Stelle aus rief Karl Liebknecht am 1. Mai 1916 zum Kampf gegen den imperialistischen Krieg und für den Frieden auf“. Auf der anderen Seite steht: „Grundstein eines Denkmals für Karl Liebknecht 1871 bis 1919“.
Der Sockel ist - neben dem Balkon des Stadtschlosses, eingebaut im ehemaligen Staatsratsgebäude - eines der wenigen noch in Berlin sichtbaren Zeugnisse für das Wirken Karl Liebknecht.
Abb. Das ehemalige Leichenschauhaus in der Hannoverschen Straße 6, nahe dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin-Mitte; (Photo, Christian Meyer, während der Restaurierungsarbeiten im Juni 2020)
Der als Königlich Preußisches Leichenschauhaus 1884-85 aufgeführte hufeisenförmige Komplex in der Hannoverschen Straße 6 besteht aus einem flacheren Mittelbau und zwei mächtigeren Seitengebäuden, die zusammen eine Art Ehrenhof bildeten. Im Mittelteil waren ursprünglich u.a. die polizeiliche Leichenschauhalle, westlich eine Kapelle und östlich die Obduktionshalle sowie die Unterrichtsanstalt für Staatsarzneikunde und das Leichenkommissariat untergebracht.
„Dies ist das Haus der Opfer“ nannte Egon Erwin Kisch (1885-1948) das Leichenschauhaus. Es war in den Zwanziger Jahren eine Attraktion für Einheimische und Touristen. „Die Tafel ,Leichenschauhaus geöffnet’ ist eine Einladung. Kutscher steigen ab, ihr Gefährt auf der Straße stehenlassend, Schulkinder versuchen einzudringen, aus den Geschäften und Häusern holt der Nachbar den Nachbarn zur unentgeltlichen Schaustellung“. Der letzte Satz seiner Reportage lautet: „…noch im Grabe pflanzt man die Hoffnung auf“ (Kisch, 2018, a.a.O.).
Denn hier in das Leichenschauhaus wurde am 16. Januar 1919 der ermordete Karl Liebknecht eingeliefert, und auch, im Mai des Jahres - kurzfristig –, die aus dem Landwehrkanal geborgene Leiche Rosa Luxemburgs.
Auch viel weitere Berliner Prominenz nahm ihren letzten Weg durch dieses traditionsreiche Gebäude, von Otto Lilienthal über Horst Wessel, den Toten des 17. Junis bis zum Maueropfer Peter Fechter.
Bis 2005 war hier die Gerichtsmedizin angesiedelt. Der Gebäudekomplex steht unter Denkmalschutz, in den Seitengebäuden ist das HU-Institut für Katholische Theologie im Aufbau.