Abb.: „Saulal-Zeit“, die Saison der Schildkröten-Paarung – Schildkröten-Jagd in der Torres-Straße“ (Abb. aus Lawrie,  S. 19, a.a.O.) Die Torres-Insulaner praktizieren seit langem eine besondere Methode zur Jagd auf  Schildkröten, besonders während des Saulal, der Paarungszeit der Schildkröten. Die Jäger schlingen ein Seil aus Kokosfasern um den Schwanz eines lebenden Schiffshalterfisches (Remora) und entlassen ihn von einem Kanu aus in einer Gegend, in der sich Schildkröten aufhalten. Der Fisch schwimmt nun zu einer Schildkröte und heftet sich an ihren Panzer. Nun ziehen die Jäger an dem Seil, die Schildkröte zieht das Kanu bis sie ermüdet. Nun wird sie nach oben gezogen und ist gefangen.

 

Abb.: Künstlerische Darstellung der Legende von Karakarkula von Victor Motlop (*1961), einem Künstler von den Torres-Inseln aus dem Jahre 2001  (Abb. aus: https://australianartnetwork.com.au/shop/region/torres-strait-islands/karakarkula/)

 

Eine Legende von den Torres-Inseln – in der die Schildkröte allerdings nur eine passive Rolle spielt -  stammt von dem 
Mua Banks Island und wurde Margaret Lawrie am 31. Oktober 1967 von dem Insulaner Wees Nawia erzählt. Einst lebte
in Arkai auf der Insel Mua (Banks Island) ein Mann namens Zangagudan und seine beiden Frauen,
Takamulai und Buziauwar. Jeden Tag sammelten sie Wurzeln und Kräuter in dem Busch oder fischten in dem Riff.
Sie kochten ihre Nahrung in dem Erdofen (amai).
Die „Schildkröten-Fasten-Zeit“ (die Saison der Schildkrötenpaarung) kam heran und eines Tages sahen sie ein
Schildkrötenpaar (saulal), die in der See trieben. Die beiden Frauen drängten ihren Mann zur Jagd, um die weibliche
Schildkröte zu fangen.
Aber Zangagudan, der kein starker Mann war, protestierte, er könne das nicht alleine schaffen. "Dann suche und finde 
jemanden, der dir hilft" sagten seine Frauen. Zangagudan verließ Arkai und lief suchend am Strand entlang. Immer wieder
rief er laut: „Lebt hier jemand?“ aber es
kam keine Antwort. Dann aber antwortete eine Stimme und Karakarkula erschien. Karakarkula war ein Riese, auf dessen
Körper überall Farnkraut (karakar) wuchs.
"Was willst Du?" fragte er Zangagudan. Zangagudan erzählte ihm von den Schildkröten und bat ihn um Hilfe, um sie z
u fangen und an Land zu bringen. "Warte hier," sagte Karakarkula, und war mit wenigen Schritten bei den Schildkröten,
griff sich das Weibchen, legte es auf seine Schulter und war so schnell zurück, wie er gegangen war.
Zangagudan war sehr glücklich. "Wir sollten die Schildkröte auf der Stelle kochen" sagte er. Ein amai wurde gebaut, 
dann löste Zangagudan das Fleisch von dem Panzer, und Karakarkula trank das Blut, das sich in dem Panzer gesammelt
hatte. Dann setzte Zangagudan das Fleisch in dem Panzer zum Kochen in den amai. Nun wurde Karakarkula müde.
"Hast du etwas dagegen, wenn ich mich etwas ausruhe?" fragte er Zangagudan.
"Nein, überhaupt nicht" antwortete Zangagudan. Bald schnarchte Karakarkula.
Er schnarchte immer noch, als das Schildkrötenfleisch gar war. Zangagudan öffnete den Erdofen, entnahm die besten 
Fleischstücke dem Panzer und eilte zurück zu seinen Frauen in Arkai.
Takamulai und Buziauwar waren sehr glücklich, ihn mit gekochtem Schildkrötenfleisch zurückkehren zu sehen. "Wir sollten 
es besser sofort essen" sagte Zangagudan. "Karakarkula wird sehr ärgerlich werden, wenn er aufwacht und findet, dass ich
ihm nur trockenes Fleisch zurück gelassen habe. Er dürfte kommen und nach mir sehen.“

 

Bald darauf erwachte Karakarkula und bemerkte den offenen Erdofen und dass alles bis auf trockenes Fleisch fort war. Als Zangagudan und seine Frauen daraufhin die donnernden Fußstapfen des Riesen hörten, sagte Zangagudan zu Takamulai: “Geh du hinaus ins Wasser. Du, Buziauwar, gehe hinaus auf den Sandhügel. Ihr werden beide sicher vor Karakarkula sein, wenn ihr tut, was ich sage. Ich werde hier bleiben, aber mich im Sand eingraben. Dann wird  Karakarkula in Arkai niemanden finden“. Takamulai lief hinaus in die See und verwandelte sich in einen Stein. Buziauwar lief auf den Sandhügel und wurde zu Stein. Zangagudan begrub sich tief im Grund und verwandelte sich zu Stein.  Karakarkula fand in Arkai niemanden, kehrte in seine Heimat zurück und versteinerte ebenfalls (nach Lawrie, S. 20 f, a.a.O.).

 

 

 

 

 

Abb.: „Der letzte Hurrikan“- ein apokalyptischer Wirbelsturm; Zeichnung von Ainslie Roberts (in Roberts, S. 78, a.a.O.)

 

Schildkrötentag - Fortsetzung

 

Seit der Erschaffung der Zeiten, erzählt eine Legende der australischen Indigenen, hätten die Traumzeit-Ahnen die schwarzen Krähen zu den Wächtern des Westwinds bestimmt. Der wilde Westwind ist der gefürchtetste aller Winde. Er kann sehr rasch anwachsen, von einer sanften Briese zu einem brüllenden Sturm. Er bringt mit sich Blitz und Donner, so wie riesige Regenmengen, die das Land überfluten können und große Härten für die Menschen bewirken.

Seit den frühesten Zeiten halten die schwarzen Krähen die Westwinde eingesperrt in einem großen, hohlen Baum. Manchmal aber gelingt es einigen der Westwände, durch Spalten und Löcher des Baumstamms zu entkommen. Dann beginnt eine wilde Jagd, und die Krähen bringen sie schließlich wieder zurück in ihr Gefängnis.

Aber der Baumstamm verrottet langsam, wie alle Baumstämme es tun. Die Aborigines fürchten von daher, dass einst, wenn der hohle Baum zerfällt, die Westwinde frei werden und einen riesigen Hurrikan entfesseln, der die ganze Erde und alles, was auf ihr lebt, zerstören wird. Deshalb werden schwarze Krähen von einigen Aborigines- Völkern nicht gejagt, denn die Tötung eines dieser Vögel zieht Unglück nach sich (vgl. Roberts, S. 78, a.a.O.).  

 

© Christian Meyer

 

(Schildkrötentag, unveränderlich am 23. Mai, nach dem Gregorianischen Kalender)

 

Abb.: Geschlüpfte Albino-Galapagos-Riesenschildkröte (Abb. aus „Stern“, 9. Juni 2022, S. 14/15). Am 1, Mai 2022 schlüpfte im Tropiquarium in Servion ( Schweiz, Kanton Waadt) eine Galapagor-Riesenschildkröte mit Albinismus, 50 g schwer, weiß und mit roten Augen. Bislang gelang es nur an drei Orten, diese Art in Gefangenschaft zur Fortpflanzung zu bringen. Die Riesenschildkröten sind vom Aussterben bedroht, auf den Galapagos-Inseln leben nur noch ca. 23 000 Exemplare der Art. Im Tierpark von Servion versucht man die Tiere im Zusammenhang eines Arterhaltungsprogramms zu züchten.