Die Säulenheiligen Simeon der Ältere und Simeon der Jüngere; arabische Ikone von Neemah Al-Mussavir, 1699, aus dem Griechisch-Orthodoxen Konvent Notre Dame de Balamond Kura/Libanon; heute in dem Ikonenmuseum Frankfurt am Main (Abb. nach einer Postkarte des Museums, ca. 2005)
27. Juli
katholischer und koptischer Gedenktag des Hl. Simeon [1], des Styliten, auch Symeon Stylites, d. Ältere, der Syrer (* 390 – † 25. Juli oder 2. September 459 auf dem Qal'at Sim'an bei Aleppo / Halab in Syrien)
Der Überlieferung nach wurde Simeon in Sisan im damaligen Syrien (möglicherweise das heutige Samandağ [2] in der heutigen Türkei) geboren und wurde zuerst Hirt, dann Mönch und schließlich Anachoret.
Er radikalisierte die Askese, z.B. soll er während der vierzig Fastentage überhaupt keine Nahrung zu sich genommen haben.
Um 420 „erfand“ Simeon – um dem Himmel schon auf Erdn möglichst nahe zu sein – seine eigene Form der Askese, er lebte auf einer Säule (gr. „stylos“, daher der Name Stylit). Allerdings gab es „heidnische“ Vorläufer der Styliten.
Otto von Corvin (1812 – 1886), der aus einem ursprünglich polnischen Adelsgeschlecht stammende Publizist, Politiker und „48er“ zeigte gegenüber dem Styliten einen bemerkenswerten Mangel an Empathie, er versuchte nicht einmal, die Motive Simeons zu verstehen. In seinem „Pfaffenspiegel“ schrieb er über den Styliten: „ Simeon… aß nur alle Sonntage und hatte seinen Leib mit einem Stricke so fest zusammengeschnürt, dass überall Geschwüre hervorbrachen, die so entsetzlich stanken, dass es niemand in seiner Nähe aushalten konnte“ (Corvin, S. 71, a.a.O.).
Weiter führte Corvin zu dem Styliten aus, dass er jahrelang auf der Säule stehen blieb. „Die erste Säule, die er zu diesem Zwecke benützte, war nur vier Ellen hoch, aber je höher sein Wahnsinn stieg, desto höher wurden auch seine Säulen. Als seine Tollheit den Gipfelpunkt erreicht hatte, war seine Säule vierzig Ellen [3] hoch; auf dieser stand er dreißig Jahre“ (Corvin, S. 71, a.a.O.).
Corvin fragte sich zudem, wie Simeon „… es eigentlich anfing, nicht herunterzufallen, wenn ihn der Schlaf überkam….; allein wahrscheinlich gewöhnte er sich stehend zu schlafen wie Pferde und Esel“ (Corvin, S. 71, a.a.O.).
Zudem ist überliefert, dass die Säulen an ihrer Spitze etwas verbreitert gewesen sein sollen, eine 6 Ellen hohe Säule war 3 Ellen breit, die 36 Ellen hohe allerdings nur 2 Ellen breit.
Nach Simeons Tod brachte man seine Leiche gegen den Willen der lokalen Bevölkerung nach Antiochia.
Durch Nachahmer verbreitete sich die Verehrung des Styliten rasch und zahlreiche Orte vor allem im nordsyrischen Kalksteinmassiv wurden zu Pilgerstätten. Um die Säule Simeons entstand das vielleicht größte Pilgerheiligtum der damaligen Christenheit, Telemissos (heute: Deir Sim’an), im heutigen Syrien.
Zu der Säule führte der Pilgerweg der Via Sacra, um die Säule wurden eine große Kirche und ein Baptisterium errichtet.
Simeons Beispiel – nach Corvin die „Säulentollheit“ (Corvin, S. 72, a.a.O.) - fand in der östlichen Christenheit, insbesondere in Syrien und Palästina bis zum 10. / 12. Jahrhundert viele Nachfolger.
Im christlichen Westen, im „Abendland“ gab es nahezu keine Säulenheiligen im Wortsinn. Der Begriff aber wird bis heute in einem übertragenen religionskritischen Sinn benutzt.
Nach dem griechischsprachigen Satiriker Lukian von Samosata (ca. 120 – ca. 180), in „De Dea Syria“ ( 28-29, Bd. 3, S. 184, a.a.O.) kannten auch die Anhänger der Fruchtbarkeitsgöttin Atargatis [4] die Askeseform auf Säulen zu stehen. Auf einen Phallus, angeblich von Dionysos aufgestellt, stiegen sie….
Nach Lukian wurde der Tempel der Atargatis zweimal im Jahr von Pilgern besucht, um Wasser in einen Schlund zu gießen (De Dea Syriaca 13). Der Schlund ist laut Lukian ein Überrest der Großen
Flut, und der erste Tempel hier wurde von Deukalion errichtet. Knaben opferten in dem Tempel ihren ersten Bartwuchs, Mädchen ihre Locken. Gelegentlich fanden auch Kinderopfer statt, wobei die
Eltern vorgaben, es handele sich um eine Kuh (vgl. Lukian, .Bd. 3, S. 168-195, a.a.O.).
Weitere bekannte Styliten waren:
(unveränderlich, nach dem Gregorianischen Kalender; in der orthodoxen und armenischen Ostkirche wird sein Fest am 1. September begangen)
[1] Der Name „Simeon“ kommt aus dem Hebräischen und bedeutet „Gott hat erhört“. „Simon“ ist eine gräzisierende Umbildung des Namens Simeon.
[2] Die heutige Kreisstadt Samandağ liegt in der türkischen Provinz Hatay, südwestlich von Antakya, nahe dem Mittelmeer. Der Landkreis hatte 2008 ca. 130 000 Einwohner, mehrheitlich vermutlich Aleviten und arabische Muttersprachler.
In der Antike war Samandağ mit dem Namen Seleukeia Pieria (gegründet um 330 v. Chr. von Seleukos Nikator) der Hafen der Metropole Antiochia (am Orontes). In römischer Zeit war die Stadt Flottenstützpunkt. Später versandete der Hafen. Erhalten blieben Reste der antiken Stadtmauern, Ruinen eines Aquädukts, Nekropolen (in der Felswand gegenüber dem Aquädukt) sowie Reste eines früher zum Hafen führenden Hafenkanals („Titus tüneli“), ca. 1,1 km lang, 6 m breit und 4 – 5 m hoch. Der Kanal folgte vermutlich einer natürlichen Felsspalte, die erweitert und mit Schleusentoren versehen wurde. Vielleicht sollte die Anlage allerdings auch die Stadt vor Überschwemmungen schützen.
Die Kreuzfahrer nannten die Stadt St. Simeon. Seinen heutigen Namen erhielt Samandağ erst im Jahre 1948. Im Bezirk Samandağ liegt Vakıflı, heute das einzige armenische Dorf der Türkei. Circa 6 km östlich der Stadt liegt auf einem Hügel das Kloster des Symeon Stylites des Jüngeren (vgl. „http://de.wikipedia.org/wiki/SamandaÄŸ“).
[3] Welche der verschiedenen noch im 19. Jhdt. in Deutschland verwendeten Ellen Corvin meinte, ist unklar; die damalien Ellenmaße liegen zwischen 56,6 cm und 77,8 cm je Elle (vgl. Hellwig, S. 76, a.a.O.).
[4] Die von den Römern als „Dea Syria“ bezeichnete semitische Göttin wurde auf Aramäisch „Atar'ata“ ( = Astarte), auf Griechisch „Atargatis“ genannt. Athenaios (a.a.O.) setzte die Aphrodite Urania von Askalon mit Atargatis gleich.
Ihr Kult, zu dem u. a. die rituelle Kastration gehörte, war besonders im Norden von Syrien verbreitet, in dem Gebiet also, in dem später die ersten christlichen Styliten auftraten.
Ihr wichtigster Tempel befand sich in Hierapolis Bambyke (vom syrischen „Mabog“ = „die Quelle“) , in Syrien, nordöstlich von Aleppo (heute: Manbidsch).
Seleukos Nikator nannte die Stadt Mabog wegen ihrer Tempel in Hierapolis um. Ergiebige Quellen prägten den Ort, der auch ein wichtiger Rastplatz für die Karawanen nach Seleukia und Babylon war.
Ein Symbol der Dea Syria war der Granatapfel, ein typisches Fruchtbarkeitssymbol.
In vielen Zügen war der Kult der Dea Syria dem der Kybele ähnlich.
© Christian Meyer
Luftbild des Simeon – Heiligtums in
Syrien
"Simeon Stylites auf seiner Säule“, Basaltrelief, Syrien, 5. oder 6. Jhdt., heute im Bode – Museum Berlin, erworben 1963