.18. Januar 1985: Öffentliche Hinrichtung von Mahmoud Mohamed Taha wegen (angeblicher) Apostasie

 

Mahmoud Mohamed Taha (1909 - 1985), islamischer Gelehrter und religiöser Lehrer im Sudan, strebte einen „humanen Islam“ an. Er versuchte den Islam und die praktische Gesetzeswissenschaft des Islams, das Fikh (arab. „Kenntnis, Einsicht“) „modern“ zu verstehen und zu interpretieren. Taha war von seiner Ausbildung her – bis 1936 -  Ingenieur und arbeitete bei der sudanesischen Eisenbahn in Atbara. 1945 kämpfte er für die die Unabhängigkeit anstrebende Republikanische Partei im Sudan. Dafür kam er durch die britischen Kolonialbehörden bis 1948 ins Gefängnis. Anschließend beschäftigte er sich intensiv mit den Sufi-Lehren und -Traditionen, die er als „2. Botschaft des Islams“ ansah.

Nach Tahas Auffassung hat der Koran zwei Botschaften: Die in Mekka geoffenbarten, eher theologischen, für alle Zeiten gültigen Suren betrachtete als die zweite Botschaft; dort wird die Gleichwertigkeit der Geschlechter betont. Die erste Botschaft, in den späteren eher situationsbedingten, „politischen“, medinensischen Suren, seien nur für die Zeitgenossen des Propheten gültig. Es sind deshalb Botschaften und Gebote die heute teilweise „archaisch“ wirken (vgl. Taha, a.a.O.). Taha forderte damit auch eine Historisierung des Islams. Desgleichen ging Taha davon aus, dass der „Dschiihad“ kein ursprüngliches islamisches Prinzip sei.

   

Die von Taha seit 1951 entwickelte  Form von Islam fordert u.a. die Gleichberechtigung der Geschlechter in Familie und Gesellschaft und praktiziert sie – im möglichen Rahmen.

Seit den sechziger Jahren sammelte sich eine langsam anwachsende Gruppe von Anhängern um Taha, die „Republikanische Bruderschaft“: Die Gruppe strebte keine politische Macht an, es gab keine formale Mitgliedschaft, alles vollzog sich offen und öffentlich. Ausdrücklich setzte sich die Brüderschaft für Demokratie und Menschenrechte ein. Grundsätzlich hielt Taha den Islam für entwicklungsfähig und nicht etwa abgeschlossen.

In Lehre und Praxis der Republikanischen Bruderschaft waren Männer und Frauen völlig gleichberechtigt, - ein Dorn im Auge vieler Gegner Tahas. Darüber hinaus hatten Tahas Lehren auch mystische und messianische Tendenzen. 

Viele Anhänger Tahas sahen nach dem Staatsstreich Numeiris 1969 eine Entwicklungschance in dessen Herrschaft. Aber keiner der „Brüder“ war Mitglied in der Regierung oder der Verwaltung. Seit 1977 widersetzte sich die Brüderschaft deutlich und öffentlich der Wiedereinführung der Scharia und der Einrichtung islamischer Banken. Taha wendete sich besonders gegen die Scharia und die Fikh, der er heute keine Existenzberechtigung mehr zusprach. Insbesondere kämpfte er gegen die Körperstrafen der Scharia und setzte sich für die Auflösung der Scharia-Gerichte ein. Dies brachte speziell die islamischen Juristen gegen die Republikanische Brüderschaft auf, derer Terrain er ja massiv bedrohte. 

Die Republikaner begingen das  Internationale Jahr der Frauen 1975 indem sie 16 schmale Bücher über Tahas Denken über den Islam veröffentlichten (drei davon wurden von den Republikanischen Schwestern verfasst und später ins Englische übertragen, vgl. https://www.cmi.no/publications/file/5605-womens-equal-rights-and-islam-in-sudanese.pdf).   

Nach der Einführung der Scharia im Sudan 1983 wurde die Brüderschaft unterdrückt und ein Hochverratsprozeß gegen Taha angestrengt. U.a. wurde Taha beschuldigt, ein Feind des Islams zu sein, ein Agent des Westens und des Kommunismus. Für den Prozess gegen Mahmud Taha wurde ein spezieller Revisionsgerichtshof Im Sudan eingerichtet, vor dem erstmals ein Apostasie-Vorwurf (arab. al-ridda) erhoben wurde. Der Koran kennt das Delikt Apostasie nicht, allerdings gibt es eine diesbezügliche Hadith.  Als 76jähriger wurde Mahmud Taha schließlich 1985 in Khartum hingerichtet, für z.B. den Islamwissenschaftler Jürgen Rolgaski ein politisch motivierter Mord.  Auch heute gibt es Gruppen von Anhängern Tahas im Sudan und in Ägypten, Tahas Lehren leben weiter, wenn seine Anhänger*innen auch nach Tahas Tod weiter verfolgt wurden. 

Tahas Tochter, Asma Taha, eine ausgebildete Juristin, musste jahrelang ins Exil. Heute ist sie eine wichtige Vertreterin der „Republikanischen Schwestern“, die sich in der Tradition der Republikanischen Partei sehen, versteht sich aber als eine „spirituelle Vereinigung“. Ziel ist es, Tahas „… Vision eines föderalen sozialistischen Sudan zu verbreiten“ (vgl. Wiedemann, 2020, S. 15, a.a.O.).

Das ehemalige Wohnhaus Tahas in Omdurman beherbergt seit dem 18. Januar 2010 (dem Jahrestag der Hinrichtung)  das Kulturzentrum „Ustadh Mahmoud Mohamed Taha Cultural Center“, in dem Seminare, Lesungen, Vorlesungen gehalten werden, mit dem von Asma Taha postulierten Ziel, „Freiheit, Demokratie und Religion“ zu versöhnen (vgl. Wiedemann, 2020, S. 15, a.a.O.).

 

(unveränderlich, nach dem Gregorianischen Kalender)

 

© Christian Meyer

 

Abb.: Mahmoud Muhammed Taha;  Photo aus der privaten Sammlung von Asma Mahmoud Muhammed Taha;  (Abb. aus https://www.cmi.no/publications/file/5605-womens-equal-rights-and-islam-in-sudanese.pdf)