"Napoleonsterne"; Kupferstich, Original in der Leipziger Universitätsbibliothek; ein Faksimile davon wurde auf der Ausstellung „Helden nach Maß“ im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig 2013/14 gezeigt.
Caspar David Friedrich: „Chasseur im Walde“
"Die Oderbrücke brennend"; Gemälde, Öl auf Leinwand, heute im Viadrina-Mu- seum in Frankfurt an der Oder, unbekannter Künstler; die zurückkehrenden Res- te der Grande armée setzten Ende Februar 1813 die Frankfurter Oderbrücke in Brand, um sich vor den verfolgenden russischen Einheiten zu schützen.
Schlachtplan, Leipzig am 18. Oktober 1813 (Abb. aus Bibliographisches Institut, 1890, Bd. 10, S. 671, a.a.O.)
Schlachtplan, Leipzig am 18. Oktober 1813 (Abb. aus Bibliographisches Institut, 1890, Bd. 10, S. 671, a.a.O.)
18. Oktober Tag der Völkerschlacht bei Leipzig 1813
Voraussetzungen
Die französische Revolution bewirkte die Entstehung einer neuen Armee, sowohl von ihrem Bewusstsein, als auch von ihrem Aufbau und ihrer Kampfesweise her.
Die Revolutions- und die frühe napoleonische Armee wurde geformt von der Vorstellung, „das Vaterland“ und die Revolution seien in Gefahr und müssten durch die levée en masse gerettet werden. In den Revolutionskriegen tat – meinte sogar Hermann Stegemann [1] - „... die Druckerpresse größere Wirkung als eine Kanonade“ (Stegemann, Bd. II., S. 183, a.a.O.). Anfangs glaubten vermutlich viele Soldaten der Revolutionsarmeen an ihre „weltbefreiende Sendung“ (Stegemann, Bd. II., S. 178. a.a.O), an ihren Kampf gegen die Tyrannen in aller Welt, für Freiheit, Menschenrechte und die Aufhebung der Feudalprivilegien. Die Soldaten waren vielfach Freiwillige, deshalb motiviert. Handgelder für angeworbenen Soldaten wurden abgeschafft. Desertionen [2] musste wenig gefürchtet werden. Deshalb konnte man auch von der Lineartaktik abgehen.
Friedrich Christian Laukhard (1757 - 1822) machte als preußischer Soldat des Thaddenschen Regiments die „Campagne in Frankreich“ 1792 und die Kanonade von Valmy mit und „desertierte“ 1793 (in Absprache mit hohen militärischen Vorgesetzten, um einen ihm bekannten republikanischen französischen Repräsentanten in Landau zum Abfall zu bewegen) [3]. Die Franzosen empfingen ihn freundlich, lobten seine Desertion weg von den Tyrannen, hin zur Freiheit. Alle duzten sich und redeten sich mit „citoyen“ und „citoyenne“ an. Anfangs erschienen ihm die französischen Soldaten als noch ungeübt (Laukhard, S. 269, a.a.O.), bald aber bewunderte er ihre Ordnung und Disziplin. Vor allem: „... alle Subordination wird im strengsten Verstande ausgeübt“ (Laukhard, S. 349, a.a.O.). Bald war Laukhard überzeugt, „... dass die Neufranken so lange unüberwindlich sein werden, als sie es selbst wollen. Ihr Gleichheitssystem ist der Kitt, den nichts übertrifft“ (Laukhard, S. 355, a.a.O.). Jeder konnte Offizier werden, wenn er im Sinne der Armee erfolgreich war. Vor der Revolution konnten nur Adlige Offizier werden, außer wenig im angesehenen Ingenieurskorps. Viele der Revolutionsgeneräle und späteren Marschälle Napoleons kamen aus sehr bescheidenen Verhältnissen.
Ein General der Revolution, Bonaparte, „bändigte“ schließlich die Revolution durch diese Armee.
Die Revolutionsarmeen legten keine Magazine an, sondern ernährten sich durch Requirierungen aus dem Lande. So wurden die Armeen schneller, beweglicher, auch rücksichtsloser. Sie nahmen Abschied von der Lineartaktik: Die Franzosen gingen in Kolonnen vorwärts, ließen der Artillerie den Vortritt und setzten auf deren entschiedenen Feuerschläge vor dem Infanterieangriff. Ihre Generäle verbanden die „… Massentaktik auf eigentümliche Weise mit einer zerstreuten Gefechtsart, was sich in Kämpfen im Wald und in Dörfern bewährte“ (vgl. Stegemann, Bd. II., S. 189/190, a.a.O.).
Am 20. April 1793 wurde in Frankreich die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. In der darauf folgenden Heeresreform wurden die Fremdenregimenter entlassen und eine Divisionsorganisation eingeführt: Jede Division umfasste sowohl Infanterie, als auch Kavallerie und Artillerie, als feste Einheit (vgl. Stegemann, Bd. II., S. 199, a.a.O.). Zudem wurde eine Art Großer Generalstab geschaffen, den zwei Jahre lang Lazare Carnot (1753 – 1823, im preußischen Exil) von Paris aus führte. Napoleon Bonaparte hingegen führte die Armee immer vor Ort, „im Felde“.
In der Schlacht von Fleurus (26. Juni 1794) wurde von der Revolutionsarmee unter Jean-Baptiste Jourdan (1762 - 1833) zum ersten Mal Massenangriffe durchgeführt, „… auf der ganzen Front, die von starken Truppenkörpern in Staffeln vorgetragen wurden …“. Auch gab es „… vom Einsatz zurückgehaltene Divisionen, die einer Durchbrechung der eigenen Schlachtlinie entgegenwirken oder dem letzten Anlauf zum Durchbruch helfen sollten …“ (Stegemann, Bd. II., S. 200(201, a.a.O.).
Die Revolutionsarmeen standen bereit, als „kriegsfertiges Instrument“ (Stegemann, Bd. II., S. 201, a.a.O.) – als Napoleon Bonaparte nach ihnen griff.
Napoleons jahrelanger „Siegeslauf“ beruhte nicht auf waffentechnischen Neuerungen oder bahnbrechenden Erfindungen[4], sondern auf dem Bewusstsein, der Motivation und der Organisation der Revolutionsarmee sowie auf seinen wagemutigen strategischen Entscheidungen.
Napoleons Kriegsführung war in den ersten Jahren (bis 1806) gekennzeichnet durch schnelle, blitzkriegartige Offensivoperationen, die zu strategischen Überraschungen führten, so z.B. im Frühjahr 1796 in Oberitalien, wo es ihm gelang, eine Vereinigung der österreichischen und piemontesischen Armee zu verhindern und beide nacheinander zu schlagen. Ganz ähnlich gelang es Napoleon im Herbst 1806 durch einen raschen Flankenmarsch die preußische Armee „… in der Zerstreuung zum Kampf“ zu nötigen (vgl. Stegemann, Bd. II., S. 246, a.a.O.).
Die französischen Revolutionstruppen und später die Armeen Napoleons kamen zwar anfangs als Modernisierer, der „Weltgeist zu Pferde“ fand nicht nur
bei Goethe Bewunderung. Auch war der Code Napoléon mit seinem Gleichheitsgrundsatz epochemachend (vgl. Rodekamp, S. 28, a.a.O.). In vielen Regionen wurden die Bauern befreit, die Zunftpflicht
wurde aufgehoben (Presser, S. 927, a.a.O.). Im Rheinland endete die Ständegesellschaft, die Rechtsgleichheit, Gewerbe- und Religionsfreiheit wurden eingeführt, aber auch die Pflicht zum
Militärdienst in der französischen Armee.
So gab es in den ersten Jahren v.a. in Süddeutschland eine z. T. grenzenlose Bewunderung, Verehrung, ja Verherrlichung Napoleons, eine Art Personenkult um ihn. Im Jahre 1805
wurde er in vielen bayerischen Städten, auch in München, begeistert empfangen, mit Glockenläuten, Salutschüssen und festlich illuminierten Häusern.
Über einen weiteren Besuch Napoleons in Bayern 1809 schrieb der Dichter August von Platen (1796 – 1835) später, Napoleon sei „… der allverehrte Abgott der Menge“ (Platen, zit. n. Planert, 2006,
S. 76, a.a.O.). Rühmende Gedichte in Zeitungen wurden veröffentlicht, Napoleon-Kupferstiche erlebten hohe Auflagen, der Name Napoleon wurde zeitweilig ein Modename. Auch in Leipzig wurde Napoleon
begeistert, festlich mit Girlanden empfangen, noch im Juli 1813 mit „Vive l’empereur“ – Rufen.
Johann Cottas Tübinger „Morgenblatt für gebildete Stände“ berichtete 1808, dass die Marmorbrüche in Carrara nicht schnell genug arbeiten konnten, um den Marmor für die zu Tausenden bestellten
Napoleon-Statuen zu liefern (vgl. Planert, 2006, S.76, a.a.O.).
Einen napoleonischen Personenkult gab es auch in Leipzig. Der Senat der Universität Leipzig beschloss im Jahre 1807, die Gürtelsterne und das Schwert des Orion
künftig „Stellae Napoleonis“, Napoleonsterne zu nennen. (vgl. Presser, S. 932, a.a.O.), um den Kaiser zu ehren. Die neue Sternenkarte sollte feierlich von einer Abordnung der
Universität bei einem Besuch Napoleons in der Stadt Leipzig überreicht werden. Mit viel Pomp sollte die Ehrung ablaufen. Jedoch kam es im Juli 1807 nur zu einem Kurzbesuch mit Pferdewechsel im
Morgengrauen, so dass die feierliche Überreichung des Kupferstichs an Napoleon entfiel.
Jedoch machten sich „die Franzosen“ sehr rasch durch gewalttätige Übergriffe, Vergewaltigungen, Zerstörungen, Willkür, die hohen Kontributionen, die
Kontinentalsperre und generell die Fremdherrschaft verhasst. Durch vielfachen Raub und Plünderungen im Namen einer fremden Nation, durch tausendfaches Sterben verbreiteten die fremden
Besatzungssoldaten Angst und Schrecken. Die gewöhnliche Formel war: „Im Namen des Kaisers, gib mir deinen Beutel! – deine Uhr! – deine Hemden! – dein Weib! – all dein Geld her, oder du stirbst“
(zit. n. Aly, Teil III, S. 4).
Der Schrecken war so groß, dass auch ein Privilegierter wie Johann Wolfgang von Goethe im Zusammenhang mit der Besetzung von Weimar nach der
Niederlage 1806 vorsorglich Christiane Vulpius heiratete, was er zuvor ca. 18 Jahre lang vermieden hatte.
Aus Lübeck wurde berichtet, dass bei der Eroberung und mehrtägigen Plünderung der Stadt im November 1806 z.B. eine 18jährige von insgesamt 22 französischen Soldaten
vergewaltigt und anschließend ermordet wurde (vgl. Aly, Teil III, S. 4).
Zudem verarmte in der „Franzosenzeit“ ein Viertel der Bevölkerung Lübecks (Presser, S. 929, a.a.O.).
Auch das als „Musterstaat“ konzipierte „Royaume Westphalie“ litt nicht nur unter den Kontributionen, Besatzungs- und Durchmarschkosten, sondern - wie Helmut Berding zeigte - an
einem Geburtsfehler: Die Domänen des Staates waren dem westfälischen Budget entzogen und dienten dem kaiserlichen Dotationsfonds. Die Dotationen Napoleons aber waren Teil seiner
Gesellschaftspolitik, sollten die Integration der neuen Militär- und Verwaltungsaristokratie bewirken, eine neue ihm loyale herrschende Klasse schaffen [5]. So war Westfalen bereits
1810 mit dem Vierfachen seiner jährlichen Steuereinnahmen verschuldet (vgl. Berding, a.a.O.).
Große Teile des eroberten Deutschlands wurden von der napoleonischen Verwaltung „… wie eine Kolonie gebraucht und ausgenützt“ (Presser, S. 928, a.a.O.), so dass die Verehrung Napoleons vielfach
rasch in Ablehnung und Hass umschlug. Die Wuppertaler Historikerin Ute Planert (*1964) betonte, verflog die kosmopolitische Freiheitsbegeisterung der frühen Revolutionsjahre mit
der Dauer der Kriege. An die Stelle der jakobinischen Befreiung der Menschheit traten immer stärker die machtpolitischen Interessen Frankreichs bzw. Napoleons (vgl. Planert, 2006, S. 76, a.a.O.).
Angst, Schrecken und Hass, sowie das „Gefühl einer kollektiven Demütigung“ wirkten umgekehrt vielfach als Katalysatoren für das Aufkommen des Gefühls einer „nationalen Identität“ (vgl. Schulze,
S. 190, a.a.O.).
Aufgrund der vielfältigen Gräuel in etlichen Regionen Deutschlands wurden rasch „… republikanische, profranzösisch gesinnte Vereine zu fremdenfeindlichen Geheimbünden … und weltoffene Reformer
(wandelten sich) … zu germanophilen Guerillastrategen“ (Aly, Teil III, S. 4). Napoleon wurde nun verteufelt, er erschien „… als leibhaftiger Antichrist – ein früher Hitler“ (Loest, S. 25,
a.a.O.).
In Ernst Moritz Arndts „Vaterlandslied“ aus dem Jahre 1812 lautete die 5. Strophe:
„Wir wollen heute Mann für Mann /
Mit Blut das Eisen röten. /
Mit Henkerblut, Franzosenblut - /
O süßer Tag der Rache! /
Das klinget allen Deutschen gut, /
Das ist die große Sache“ (Arndt, zit. n. Piper, S, S7, a.a.O.).
Jahn, Arndt u.a. predigten geradezu Hass und Terror, nicht nur gegen Napoleon, sondern gegen das ganze französische Volk.
Schon 1808 verfasste Heinrich von Kleist sein antifranzösisches Propagandadrama „Hermannsschlacht“: Die Römer (vgl. Varusschlacht) kommen in den Tiefen des deutschen Waldes
um.
Eine ganz ähnliche Tendenz findet sich in Caspar David Friedrichs Bild „Chasseur im Wald“ (1813/1814, in Privatbesitz/Bielefeld): Ein einzelner, versprengter Soldat mit der
Uniform der napoleonischen Elitereiterei erscheint hier als einsame Gestalt im verschneiten Wald und wirkt wie von den Bäumen erdrückt, in den Tiefen des deutschen Waldes verloren. Die im
Vordergrund auf einem Baumstumpf sitzende Krähe soll wohl auf ein zukünftiges dunkles Schicksal hinweisen. Oder ist es gar eine latente Aufforderung, die aus Russland zurückkommenden Soldaten der
ehemaligen Grande armée nicht heimkehren zu lassen? (vgl. Abbn. oben)
So kam es nach den großen Verlusten auch unter den Rheinbund-Truppen durch den Guerilla-Krieg in Spanien zu Zweifeln an der napoleonischen Politik und vor allem seit der desaströsen Niederlage
Napoleons in Russland 1812 [6] vornehmlich in Preußen aber auch anderswo in Deutschland zu einer antifranzösischen
Bewegung in Teilen der Bevölkerung, z.T. gegen und ohne den Staat, eine Bewegung, die in die „Befreiungskriegen“ mündete. Theodor Fontane beschrieb 1878 in seinem
Erstlingsroman „Vor dem Sturm“ die Entstehung der Volksbewegung im Oderbruch im Winter 1812/13 (vgl. Fontane, 1969, a.a.O.).
Im neugeschaffenen Großherzogtum Berg im Bergischen Land (mit der Hauptstadt Düsseldorf) bewirkten die französischen Schutzzölle und die Kontinentalsperre - wie Klein/Bocksmühl
zeigten - eine weitgehende Vernichtung der bergischen Industrien (vgl. Klein/Bocksmühl, a.a.O.). Schon Ende Januar 1813 kam es im Großherzogtum Berg angesichts von Hunger, erneuten Konskriptionen
von Rekruten, den Nachrichten von dem Ende der Grande armée in Russland und der trügerischen Hoffnung, „die Russen“ stünden bereits vor der Tür, zu einer Rebellion, dem Aufstand der
„Knüppelrussen“. Es war ein spontaner Aufstand mit „proletarischem“ Charakter, das bergische Bürgertum stand abseits vom „Pöbel“. In einigen Gemeinden wurden - wenig organisiert
- die Gendarmen und die Verwaltung verjagt, Steuer- und Konskriptionslisten vernichtet. Es wurde aber auch geplündert und getrunken. Nach wenigen Tagen aber wurde der Aufstand durch verstärkte
Gendarmerie- und Kavallerieeinheiten niedergeschlagen, sieben (angebliche) Rädelsführer standrechtlich erschossen (vgl. „Zeit“, Nr. 6/1990, S. 33-35).
Die Spendenaktion „Gold gab ich für Eisen“ lief in Berlin am 31. März 1813 an (vgl. Münkler, 2010, S. 268, a.a.O.). Prinzessin Marianne von Preußen hatte die preußischen Frauen
aufgerufen, ihren Goldschmuck gegen eisernen mit der obigen Inschrift zur Kriegsfinanzierung [7] umzutauschen. In der Folge wurde eiserner Schmuck unter Patriotinnen zur Mode. Allein in
Preußen wurden 1813/14 mehr als 6 Mio. Taler für den Krieg gesammelt. Es ist belegt, dass sich auch besonders viele jüdische Preußen an den Sammlungen beteiligten. Insgesamt ca. 160000 goldene
Eheringe wurden in Preußen gegen eiserne getauscht (vgl. Kahnmeyer/Schulze, S. 140, a.a.O.). Auf der Ausstellung „1813“ in dem Deutschen Historischen Museum in Berlin wurde auch ein eiserner Ring
mit der Aufschrift „Gold gab ich für Eisen“ gezeigt.
Auf dem Historiengemälde von Arthur Kampf (1894) „Gold gab ich für Eisen“ wurden das patriotische „Volksopfer“ verherrlicht. Das Bild befindet sich heute im Museum für Bildende
Künste in Leipzig.
Im Rahmen der Heeresreform wurden in Preußen die Strafe des „Gassenlaufens“ sowie Zopf, Locken und Puder abgeschafft. Insbesondere wurde 1813 auf Initiative von Scharnhorst und Clausewitz die
Landwehr organisiert, die Mitte August ca. 100 000 Mann umfasste. Es war eine Art Miliz, landwehrpflichtig waren alle Männer zwischen 17 und 40 Jahren. Damit war eine allgemeine
Wehrpflicht eingeführt worden. Die Offiziere der Landwehr wurden durch Ausschüsse gewählt, die aus je zwei Vertretern des Adels, einem Bürger und einem Bauern bestanden. „Bürgerliche“ konnten so
Offizier werden. Als Folge der schwierigen Finanzlage Preußens war die Ausrüstung der Landwehr oft dürftig. Bei dem Aufbau der Landwehr folgte Preußen dem
Vorbild Österreichs von 1808, das damals als zweiter Staat (nach Frankreich) eine allgemeine Wehrpflicht eingeführt und eine Landwehr gegründet hatte.
Berühmter noch als die Landwehr wurden verschiedene Freikorps, freiwillige Jägereinheiten, in die auch viele (nicht-preußische) Studenten und Angehörigen der gebildeten
Oberschichten eintraten. Die Mehrheit aber stellten städtische junge Handwerker. Die Freiwilligen rüsteten sich hinsichtlich der Waffen, Uniformen etc. in der Regel selber aus. Auch einige junge
jüdische Preußen meldeten sich freiwillig – zum ersten Mal wurden sie als Mitkämpfer akzeptiert. Am bekanntesten wurde das Lützowsche Freikorps (die „Schwarzen Jäger“), zu dem
neben dem Generalmajor Ludwig Adolf Wilhelm Freiherr von Lützow (1782–1837) u.a. Theodor Körner („Das ist Lützows wilde verwegene Jagd“, vertont von Carl Maria von Weber), Karl
Friedrich Friesen [8] , Friedrich Fröbel, Joseph von Eichendorff oder Friedrich Ludwig Jahn und - nachweislich - auch zwei
verkleidete Frauen, Anna Lühring und Eleonore Prochaska gehörten. Die „Schwarzen Jäger“ trugen an der Mütze einen Totenkopf mit gekreuzten Knochen. Entgegen den Legenden waren die Freikorps
militärisch nicht sehr erfolgreich, auch war die Desertionsrate bei den Lützowern überdurchschnittlich hoch. Lützow selbst sei als „… Heerführer … durchaus unfähig“ gewesen (Blumschein/Varges, S.
79, a.a.O.).
Das Hauptmotiv vieler Kriegsfreiwilliger dürfte Hass auf Napoleon und auf Frankreich gewesen sein. Zahllose hasserfüllte Lieder und Gedichte der Zeit geben davon Kunde, aber auch
die „… Kriegführung der preußischen Freiwilligeneinheiten, die es nach Möglichkeit vermieden, Gefangene zu machen. ‚Pardon wird nicht gegeben‘ war der regelmäßige Befehl vor
Attacken“ (Schulze, S. 201, a.a.O.). In Theodor Körners (1791-1813) „Lied der schwarzen Jäger“ heißt es u.a.:
„Gebt kein Pardon! Könnt ihr das Schwert nicht heben, / So würgt sie ohne Scheu, / Und hoch verkauft den letzten Tropfen Leben! / Der Tod macht alle frei. // Noch trauern wir im schwarzen
Rächerkleide / Um den gestorbenen Mut. / Doch fragt man euch, was dieses Rot bedeute: Das deutet Frankenblut“ (Körner, S. 17, a.a.O.)
Auch Blumschein/Varges urteilten, dass den meisten Soldaten im Frühjahr 1813 „… die Wut gegen die Bedrücker und nicht die Hoffnung auf politische Freiheit das Schwert in die Hand drückte“
(Blumschein/Varges, S. 79, a.a.O.). In Teilen der Dichtungen der „Freiheitskriege“ findet sich als ein Grundmotiv Völker- und Fremdenhass. Die „nationale Identität“ wird durch
scharfe Abgrenzung von Anderen, v.a. von Frankreich und den „Welschen“ definiert. Eine z.T. pathologisch anmutende Todessehnsucht und -verherrlichung, wie auch ein Blut- und Waffenkult finden
sich - Ähnlichkeiten zur späteren NS-Ideologie sind offensichtlich [9].
Einheiten der ostpreußischen Landwehr unter dem Juristen und (bürgerlichen) Major Carl Friccius (1779–1856) drangen nach blutigen Kämpfen am 19. Oktober als erste durch das
Äußere Grimmaische Tor [10] in die Stadt Leipzig ein (vgl. Leipzig-Karte oben).
Die Nationalsozialisten versuchten in der Schlussphase des 2. Weltkriegs – vergeblich – den „Volkssturm“ in die Tradition der Landwehr von 1813 zu stellen.
Auf die preußische Landwehr bezog sich auch das DDR-Verteidigungsministerium in einer Broschüre von 1956: „In unserer Volksarmee lebt der Geist der Landwehrmänner und Freikorpskämpfer von 1813,
der Geist Scharnhorsts, Gneisenaus, Yorcks und Blüchers …“ (zit. n. Münkler, 2010, S. 452, a.a.O.).
Götz Aly wies darauf hin, dass zu Füßen des von Karl Friedrich Schinkel entworfenen gusseisernen Denkmals auf dem Berliner Kreuzberg „… ganze Straßenzüge an jene Schlachten erinnern, die dem
Leipziger Gemetzel vorausgingen: So die Möckernstraße, die Großbeeren-, Hagelberger-, Kulmer-, Wartenberg-, Großgörschen-, Dennewitz- oder die Katzbachstraße“ (Aly, 2013, Teil I, a.a.O.). Dabei
wurde die Schlacht bei Hagelberg (am 27. August 1813) als die „Kolbenschlacht“ bezeichnet: Das Pulver war nass geworden und die Soldaten erstachen und erschlugen sich
gegenseitig. Es war der erste große Einsatz der neu geschaffenen preußischen Landwehr.
Das Frühjahr 1813 war für Preußen in vieler Hinsicht ähnlich der levée en masse im revolutionären Frankreich von 1793. Gustav Blumschein urteilte: „Das Jahr 1813 ist das größte
in der Geschichte des preußischen Volkes“ (Blumschein/Varges, S. 80, a.a.O.).
Der preußische König Friedrich Wilhelm III. zögerte jedoch auch nach dem Untergang der Grande Armée, sich den Russen gegen Napoleon anzuschließen. Ein britischer Beauftragter in Berlin berichtete am 20. Februar 1813 nach London: „Wenn der König sich weigert, die Mittel zu gebrauchen, die ihm seine Untertanen entsprechend dem allgemeinen Willen der Nation zur Verfügung gestellt haben, oder wenn er nur zögert, die Anstregungen zu unterstützen, die Russland unternimmt, um die preußische Monarchie wiederherzustellen, halte ich die Revolution für unvermeidlich“ (zit. n. Fesser, a.a.O.).
Ablauf der Schlacht
Die „Völkerschlacht“ bei Leipzig, eigentlich eine Abfolge mehrerer Schlachten vom 14. – 19. Oktober 1813 brachte die militärische Entscheidung in den
„Befreiungskriegen“, war die erste neuzeitliche Massenschlacht und die sehr wahrscheinlich bis zum 1. Weltkrieg die größte und blutigste Schlacht der Weltgeschichte.
Die russischen und preußischen Armeen von 1813 waren nicht mehr die von Austerlitz oder Jena: „Beide haben von den Franzosen gelernt, haben den Schützen- und Kolonnentaktik und deren organisatorische Gliederung ü bernommen“ (Fesser, a.a.O.).
Schon bei Eylau und Friedland bildeten auch Napoleons Gegner Kolonnen und Schützenlinien, die die Deckungen des Geländes ausnutzten (vgl. Stegemann, Bd. II., S. 245/246, a.a.O.).
Zudem handelten Generäle wie Gneisenau, Eugen von Württemberg oder Blücher vielfach flexibler, wagemutiger und selbständiger als die französischen Marschälle, denen Napoleon „... durch seinen despotischen Führungsstil jegliche Bereitschaft zu selbständigem Handeln ausgetrieben hatte“ (Fesser, a.a.O.).
Drei alliierte Armeen zogen gegen Napoleon, von Süden her die Böhmische Armee unter dem österreichischen Feldmarschall Schwarzenberg - der auch den
Gesamtoberbefehl erhielt -, von Osten her die Schlesische Armee unter dem preußischen General Blücher (mit dem Generalsstabschef Gneisenau) und die Nordarmee
unter dem Befehl des schwedischen Kronprinzen Karl Johann (Bernadotte) [11] .
Am 14. Oktober traf Napoleon von Dresden her kommend in Leipzig ein. Er scheint anfangs angenommen zu haben, dass die Verbündeten nicht eine große
Entscheidungsschlacht gegen ihn wagen würden. Vergeblich versuchte er die drei gegnerischen Armeen getrennt zu schlagen; tatsächlich aber geriet er immer mehr in die Defensive, eine militärische
Situation, die Napoleon hasste (Cronin, S. 452, a.a.O.). Es gibt Indizien dafür, dass Napoleon ahnte, die Schlacht zu verlieren (vgl. Fesser, 2013, a.a.O.). Insbesondere Bernadotte riet vor der
Schlacht bei Leipzig dazu, „… Napoleon selbst soweit als möglich in Ruhe zu lassen, seine Marschälle zu schlagen, und erst zum Schluss den Kaiser selbst durch ihr zahlenmäßiges Übergewicht zu
vernichten“ (Presser, S. 774, a.a.O.) - ein Ratschlag der sich als zweckmäßig und erfolgreich erwies. Denn der Mythos der Unbesiegbarkeit von Napoleon war immer noch ein
wichtiger Faktor; in Russland – wurde argumentiert – hätte er nicht gegen die Armeen verloren sondern gegen das Wetter und die Natur (vgl. Blumschein/Varga, S. 82, a.a.O.).
Circa 500 000 französische, deutsche, russische, österreichische, polnische, italienische, englische und schwedische Soldaten bekämpften einander. Die deutlich
überlegenen Alliierten verfügten gemeinsam über mehr als 300 000 Soldaten und 1360 Geschütze, Napoleon und seine Verbündeten konnten ca. 160 000 Soldaten und 630 Geschütze in den Kampf
bringen.
Die Feuerkraft der Artillerie war in Leipzig bereits hoch: Spitzenartilleristen schafften es in 34 sec vom „Abprotzen“ der Kanonen bis zum ersten
Schuss. Die napoleonische Artillerie allein soll in der Leipziger Schlacht vom 16. – 19. Oktober ca. 250 000 Schuss abgegeben haben (Rodekamp, S. 127, a.a.O.). Die Artillerie spielte in der
Schlacht eine herausragende Rolle. Napoleon – ursprünglich selbst Artillerist - hatte „… in den letzten sechs Jahren eine vernichtende Technik entwickelt: Er brachte die Geschütze so nahe
wie möglich an den Gegner heran, um Breschen für die Kavallerie und Infanterie zu schießen. Jetzt sah er die Geschütze der Verbündeten mit eben dieser Absicht in langen Reihen vorrücken. ‚Endlich
haben sie doch etwas gelernt!‘ rief er“ (Cronin, S. 454, a.a.O.).
Noch in den 80er Jahren des 20. Jhdts. fand man z.B. Kartätschen-Kugeln auf den Leipziger Schlachtfeldern.
Die Alliierten versuchten Napoleons Armee auf Leipzig zurückzudrängen und dort einzukesseln, was allerdings nicht gelang, u.U. wegen eines (absichtlich?) zu
zögernden Vorgehens der Österreicher unter Schwarzenberg im Westen der Stadt.
Schon am Abend des 16. Oktober „... ist die Schlacht ... für Napoleon ... verloren. Es gelang ihm nicht, im Süden die Linie der Hauptarmee zu durchbrechen, und im Norden wurde sein bestes Korps zerschlagen. 23 000 Männer sind gefallen oder verwundet, 2500 in Gefangenschaft geraten. Zudem ist klar, dass die Verbündeten mit erheblicher Verstärkung rechnen können“ (Fesser, a.a.O.).
Der 18. Oktober wurde schließlich der Tag der militärischen Entscheidung. Nun kam im Norden von Leipzig eine britische Raketenbatterie zum Einsatz, die zur Nordarmee unter Bernadotte gehörte: „Das Geheul und die Feuerschweife der anfliegenden Raketen versetzen die französischen Truppen in Panik, sie fluten zurück. Wer von einer Rakete getroffen wird, verbrennt bei lebendigem Leibe“ (Fesser, a.a.O.).
Der napoleonischen Armee gelang kein entscheidender Durchbruch und die Alliierten konnten weitere frische Truppen heranführen. Zudem gingen am Nachmittag des 18. Oktober Teile der
Rheinbundtruppen (württembergische Kavallerie und Teile der sächsischen Armee, 3200 Soldaten mit 20 Kanonen, vgl. Starke, S. 40, a.a.O.) befehlswidrig zu den Verbündeten über und
verstärkten deren Positionen [12] . Erich Loest schrieb dazu in seinem Roman „Völkerschlachtsdenkmal“: „Die aus der
Front taumelnden Sachsen hofften, die Kampfgier des Feindes würde von den neunzehn Kanonenschlünden angesaugt, sie selbst würden von den preußischen Reitern gering erachtet, viel Feind wäre für
diese viel Ehr, aber da drehten die sächsischen Artilleristen ihre Kanonen um, Rheinbundherzen tauschten sie flugs gegen teutschen Sinn, nicht wieder wollten sie auf der Seite der Verlierer aus
der Bataille herausgehen, sondern schnell noch als Befreier des Vaterlandes vom korsischen Ungeheuer“ (Loest, S. 16/17, a.a.O.).
In dieser Situation [13] erkannte Napoleon die Unmöglichkeit eines Sieges und befahl gegen 4 Uhr nachmittags den Beginn
des Rückzugs.
Ausschlaggebend für den Sieg war schließlich die überwältigende Übermacht der Alliierten. Max Braubach führte dazu aus, dass „… weniger der besseren Führung als der durch die früheren Operationen
herbeigeführten Gunst der Verhältnisse und der zahlenmäßigen Überlegenheit … der Sieg“ bei Leipzig zu danken sei (Braubach, S. 145, a.a.O.).
Der preußische Stabschef, August von Gneisenau (1760-1831), schrieb am 19. Oktober 1813 an seine Frau Ottilie von einem „… Schauspiel, wie es (es) seit Tausenden von Jahren nicht
gegeben hat … Viel Blut ist geflossen. Auf meilenlangen Strecken liegen die Toten und Verstümmelten“ (Gneisenau, zit. n. Fesser, 2013, a.a.O.). Mehr als 100 000 Soldaten kamen bei den Kämpfen ums
Leben oder erlagen später ihren Verletzungen. Viele Tote wurde nach der Plünderung in Massengräbern verscharrt.
Erich Loest beschrieb ein überliefertes grausiges Detail: „Unterwegs trafen wir auf Tausende von Leichen gefallener Franzosen. Sie waren alle von ihren Besiegern ausgezogen worden. Die nackten
Leichen lagen auf dem Rücken mit dem Gesicht nach Osten; die Fledderer, als Russen oder Österreicher waren sie ja gute Christen, hatten ihnen jeweils drei Häufchen Erde auf die Brust gelegt, sie
wenigstens symbolisch bestattet. Mochten Würmer, Füchse und Krähen ihr übriges tun“ (Loest, S. 19, a.a.O.).
Im Jahre 1824 kaufte ein Leipziger Gutsbesitzer in London eine Knochenmühle für sein Gut bei Lützschena. V.a. ärmere Bauerfamilien sammelten die Überreste Tausender „… der gefallenen Krieger …,
(die) kaum einige Fuß tief in die Erde eingescharrt worden waren, in ansehnlicher Quantität …“. Sie verkauften die Knochen an den Gutsherrn, der „… durch das producierte Mehl seinen Äckern und
Wiesen eine widerhaltende Kraft“ geben konnte (vgl. Leipziger Ausstellung „Helden nach Maß“ 2013/2014). Auch eine Reihe von erhalten gebliebenen Knochen von Pferden und Menschen, die bei Leipzig
1813 gefallen waren, wurde auf der Ausstellung gezeigt.
Der in der Nacht zum 19. Oktober beginnende Rückzug aus den Stellungen bei Leipzig wurde für die napoleonische Armee zu einer Katastrophe. Ein großer Teil der napoleonischen Armee - ca. 80 000
Soldaten - konnte zwar in Richtung Südwesten über die alte via regia, den Ranstädter Steinweg und Lindenau (vgl. obiger Schlachtplan) der drohenden Umklammerung entkommen.
Durch die wohl durch ein Missverständnis zu früh - kurz nach 12 Uhr - erfolgende Sprengung der entscheidenden Elstermühlgraben-Brücke [14] konnten jedoch viele noch
in der Stadt kämpfenden, den Rückzug deckenden Einheiten, auch einige Generäle und Marschälle nicht mehr entkommen (vgl. obiger Stadtplan Leipzig 1813). Durch die Sprengung wurden „… Hunderte von
Körpern zerfetzt …; später lagen abgerissene Arme in Gärten, Därme hingen auf Pflaumenbäumen“, schrieb Erich Loest (vgl. Loest, S. 116, a.a.O.). Der gerade ernannte Marschall Poniatowski
ertrank bei dem Versuch die Hochwasser führende Elster mit seinem Pferd zu durchschwimmen.
Circa. 30 000 napoleonische Soldaten wurden gefangen genommen. Auch der sächsische König – ein
Rheinbundfürst – wurde in Leipzig gefangengenommen (vgl. Kahnmeyer/Schulze, S. 141, a.a.O.).
Nach der Niederlage von Leipzig befahl Napoleon auch den Rückzug „… aller französischen Garnisonen aus Deutschland … Während sich die französische Armee auf Erfurt, Hanau und Mainz zurückzog,
hörte Napoleon hinter sich das Grollen, das dem Zusammenbruch vorausgíng“ (Cronin, S. 456, a.a.O.).
Nach dem Niederlage und dem verlustreichen Rückzug der napoleonischen Armee brach das Grand Empire rasch zusammen, denn v.a. der militärische Ruhm und die Erfolge hielten das Reich Napoleons
zusammen (vgl. Hinrich, S. 281, a.a.O.).
Der junge Wilhelm von Kügelgen (1802-1867) lebte 1813 mit seiner Familie in Ballenstedt, im damaligen Herzogtum Anhalt-Bernburg. Der Herzog war - noch - loyaler
Rheinbundfürst [15] als „… die Nachricht von der Schlacht bei Leipzig wie ein Blitz durch die Schwüle (fuhr) … und die
Atmosphäre mit einem Schlage (reinigte) … In großer Eile war ein schönes, freiwilliges Jägerkorps gebildet, die Landwehr aufgeboten und durch alle Ortschaften des Herzogtums ein Landsturm
organisiert. Fröhlicher Waffenlärm erfüllte das ganze Land, alle Werkstätten erklangen von kriegerischen Liedern und alle Kräfte regten sich im Dienste einer guten und gerechten Sache. Ein
schöner, frischer Frühlingsmorgen war für Anhalt angebrochen … Fast in allen Häusern wurde gerüstet, wurden Waffen und Lederzeug geputzt, Kugeln gegossen und Tornister zugerüstet. Aus dem ganzen
Lande, ja aus aller Herren Länder lief Botschaft ein, wie die Jugend scharenweis zu den Fahnen strömte. Selbst von jungen Mädchen hörte man, die, in der allgemeinen Begeisterung fortgerissen,
sich verkleidet in den Kriegsdienst eingestohlen hatten. Die ganze Nation hatte einen mächtigen Aufschwung genommen in allen ihren Schichten, mit Hab und Gut, mit Leib und Leben und mit allen
ihren Kräften zu sich selbst zu stehen“ (Kügelgen, S. 181 - 184, a.a.O.). Auch der erst 11jährige Wilhelm von Kügelgen versuchte sich freiwillig zu den Soldaten zu melden, - allerdings
vergeblich.
Dennoch ist der überlieferte Slogan „Der König rief, und alle, alle kamen“ nicht nur für Preußen eine patriotische Legende. Denn die verschiedenen sozialen Gruppen folgten dem
Appell sehr unterschiedlich: „Die ‚gebildeten Stände‘, Akademiker, Beamte, Studenten und Schüler waren ungefähr fünffach überrepräsentiert, und das gilt auch für die städtischen Handwerker, die
an der preußischen Berufsstatistik mit knapp 7 Prozent beteiligt waren, die aber nicht weniger als 40 Prozent der Kriegsfreiwilligen ausmachten. Was dagegen die Landbevölkerung anging, so machte
sie zu jener Zeit etwa 75 Prozent der preußischen Bevölkerung aus, aber nur 18 Prozent der Freiwilligen“ (Schulze, S. 200, a.a.O.).
Nach der Schlacht bei Leipzig brach das Empire, mit seinen Verbündeten und Vasallen „… mit unerwarteter Plötzlichkeit zusammen. Als er über den Rhein nach Paris zurückkehrte, war
Napoleon ein Kaiser ohne Reich“ (Cronin, S. 458, a.a.O.).
Ca. 22 000 russische, 16 000 preußische, 12 000 österreichische, 300 schwedische und ca. 30 000 napoleonische Soldaten kamen in der Leipziger Schlacht ums Leben.
V.a. in der DDR wurde im Zusammenhang mit der Leipziger Schlacht oft die russisch-deutsche „Waffenbrüderschaft“ beschworen. Sie diente zur „Legitimation der engen Bindung an die
Sowjetunion“ (Rodekamp, S. 16, a.a.O.). Jedoch belegen Briefe des russischen Verbindungsoffiziers (und Geodäten) Friedrich von Schubert (1789–1865) die Distanz bzw. auch Arroganz
hoher preußischer Offiziere gegenüber den russischen Verbündeten: Ein Indiz dafür, dass die russisch-deutschen Waffenbrüderschaft in den „Befreiungskriegen“ nicht so gediehen war, wie v.a. in der
DDR so oft behauptet (vgl. Fesser, 2013, a.a.O.).
Die Stadt Leipzig hatte damals ca. 35 000 Einwohner. Die Versorgung der Verwundeten musste die Stadt übernehmen. Es gab in Leipzig 50 Lazarette, Kirchen und öffentliche Gebäude
wurden zu Notunterkünften umgewandelt. In der Pleißenburg wurden Gefangene untergebracht, die Thomaskirche diente als Lazarett.
Mythisch überhöht wurde die Überbringung des Siegesnachricht am Abend des 18. Oktober durch den kommandierenden alliierten Oberbefehlshaber Fürst von Schwarzenberg. Die die Schlacht beobachtenden
drei verbündeten Monarchen, Zar Alexander I., König Friedrich Wilhelm III. und Kaiser Franz I., seien auf dem „Monarchenhügel“ [16] spontan betend und dankend in die Knie gesunken - der
„heilige Augenblick“. Dieses (angebliche) Ereignis wurde vielfach propagandistisch genutzt, durch Drucke, Bilderbogen etc. verbreitet. In der Leipziger Ausstellung „Helden nach
Maß“ (im Stadtgeschichtlichen Museum, 2013/14) wurde ein porzellanener Pfeifenkopf ausgestellt, der den „heiligen Augenblick“ zeigte.
Tatsächlich aber war Kaiser Franz I. schon wieder auf dem Wege in sein Quartier im Schloss in Rötha südlich von Leipzig, als Schwarzenberg die Nachricht vom Sieg über Napoleon überbrachte.
Im Leipziger Stadtgeschichtlichen Museum wird ein zeitgenössischer Bilderbogen aufbewahrt, der den „Heiligen Augenblick“ darstellt (vgl. Abb. unten).
Das Gemälde „Siegesnachricht nach der Schlacht bei Leipzig“ von Johann Peter Krafft aus dem 1817 stand im Zentrum der Gedenkausstellung zum 200. Jahrestag der Leipziger Schlacht
in Deutschen Historischen Museum zu Berlin.
Am 19. Oktober gegen 13. Uhr fand eine Siegesfeier der alliierten Monarchen, Alexander I., Zar von Russland, Kaiser Franz I. von Österreich und König Friedrich Wilhelm III. von
Preußen, auf dem Leipziger Markplatz vor dem Rathaus statt, während in der Stadt noch gekämpft wurde. Blücher wurde zum Feldmarschall ernannt, Zar Alexander I. „… begrüßte ihn als den Befreier
Deutschlands“ (Starke, S. 55, a.a.O.).
Auch auf der Seite Napoleons kämpften viele Nicht-Franzosen, so z.B. die mit Frankreich verbündete sächsische Armee. Aber auch sonst gab es viele deutsche „Beutefranzosen“.
Beispielhaft berichtete Götz Aly von dem brandenburgischen Bauern Leonhardt Krause (1780 – 1853), der zuerst jahrelang preußischer Soldat sein musste, nach Jena 1806 aber als Gefangener zur
französischen Armee gezwungen wurde. Jahrelang musste er für Napoleon kämpfen, u. a. in Spanien. Erst 1809 wurde er nach Hause entlassen (vgl. Aly, 2013, Teil II. a.a.O.).
In der Folge der Napoleonischen Kriege waren Hunderttausende v.a. junger Männer europaweit tot, vermutlich ebenso viele Frauen vergewaltigt und ganze Regionen durch die Zerstörungen, hohen
Kriegskosten, Kontributionen und die Kontinentalsperre ruiniert. Die überlebende Bevölkerung in vielen Teilen Europas war verarmt.
Auch die Soldaten der beteiligten Armeen waren schlecht oder unzureichend ausgestattet. Auf der Ausstellung „1813“ im Berliner Deutschen Historischen Museum zeigte man z.B. einen Fund aus dem
Grab eines russischen Soldaten: Einen französischen Uniformknopf – man nutzte das, was zur Verfügung stand.
Krankheiten wüteten in den Kriegszeiten besonders intensiv; Napoleon soll nach dem Rückzug aus Leipzig in Weißenfels noch über ca. 120 000 Soldaten verfügt haben, in Eisenach
sollen nur noch 60 000 Mann kampffähig gewesen sein: der Typhus dezimierte die Armee desaströs (vgl. Blumenschein/Varges, S. 89, a.a.O.). 1813/14 starben in der Festung Mainz ca.
18 000 Soldaten Napoleons und 250 Bürger der Stadt, „… ein Zehntel der Stadtbürger“ (Aly, 2013, Teil I, a.a.O.) - v.a. an Fleckfieber. Es wurde regelrecht als „Festungsfieber“,
„Kriegspest“ oder „Lazarettfieber“ bezeichnet. Unter den katastrophalen hygienischen Bedingungen werden die Erreger, Rickettsien, durch Läuse, Milben, Zecken oder Flöhe übertragen [17] . Auf dem Rückzug der
napoleonischen Armee aus Russland 1812 soll ca. ein Drittel der Soldaten mit Fleckfieber angesteckt worden sein.
Rudolf Virchow beschrieb 1868 die Folgen der Einquartierungen und Belagerungen am Beispiel des sächsischen Torgau: „In der kleinen Stadt von 5100 Einwohnern waren 8000 Pferde und
35 000 Mann zusammengedrängt; in der Zeit vom 1. September 1813 bis zur Übergabe der Festung am 10. Januar 1814 starben darin 20 435 Menschen und zwar 19 757 Soldaten und 680 Bürger. Die
Gesamtsterblichkeit der Bürgerschaft in der Zeit vom 1. Januar 1813 bis Ende April 1814, demnach binnen 16 Monaten, betrug 1122, also fast ein Viertel.
In Danzig erlagen in demselben Jahre zwei Drittteile der französischen Besatzung und der vierte Teil der Bevölkerung an Krankheiten“ (Aly, 2013,Teil I, a.a.O.).
An Fleckfieber starb in Berlin u.a. der Philosoph Johann Gottlieb Fichte (1762 - 1814); seine Frau hatte Verwundete gepflegt, sich angesteckt – sie überlebte, ihr Mann nicht: Er
wurde auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof begraben.
Üble Auswirkungen des Napoleon-Mythos‘ in Frankreich
Zum Napoleon-Mythos insbesondere in Frankreich gehören die Verehrung des „militärischen Genies“ Bonapartes, des Ruhmes, der daurch (angeblich) auf Frankreich gefallen sei, die Hochschätzung seiner Verwaltungs- und Rechtsreform (Code civil) und die Vorstellung vom Opfertod des verbannten Kaisers, allein in der Ferne, von seinen Feinden (angeblich) vergiftet. Der Kult um Napoleon setzte in Frankreich rasch nach der Restauration der Bourbonen ein, genährt durch Tausende von Bildern, Liedern, Theaterstücken, Gedichten, Romanen und nicht zuletzt durch die Überführung seiner sterblichen Überreste 1840 in den Pariser Dôme des Invalides.
Ausgeblendet wird bei dem Napoleon-Mythos u.a. ...
Der Napoleon-Mythos hatte in Frankreich eine fatale Fernwirkung, eine permanente autoritäre Versuchung mit demagogischen Appellen an die „Nation“, vom Bonapartismus zu Napoleon III. und Boulanger, zu Pétain und Vichy („Bonapartismus der Niederlage“, vgl. Jospin, a.a.O.) bis zu Charles de Gaulles Staatsstreich von 1958.
Gedenken an die Schlacht – Rezeption
Die Schlacht bei Leipzig stellte den Wendepunkt der Napoleonischen Kriege dar, in denen von Spanien, über Ägypten bis Russland ca. 3,5 Mio. Soldaten starben. Die Stadt Leipzig wurde durch die
Schlacht zu einem für viele Deutsche identitätsstiftenden Erinnerungsort (vgl. Piper, S. S7, a.a.O.).
Tatsächlich aber wurde die Schlacht zur Voraussetzung für die spätere restaurative Politik v.a. Metternichs. Dessen politisches Ziel waren die Wiederaufrichtung der alten Monarchien und die
Wiederherstellung des Gleichgewichts der europäischen Großmächte, - was auf dem Wiener Kongress auch halbwegs gelang.
Der Napoleon-Hasser und fremdenfeindliche Ideologe Friedrich Ludwig Jahn [18] , damals bei den Lützowschen Jägern, kam sehr zu seinem Leidweisen zu spät zu der Leipziger Schlacht.
Jahn war einer der ersten, die bald darauf das Datum der „Völkerschlacht“ als deutschen Nationalfeiertag vorschlugen.
Zum ersten Jahrestag der „Völkerschlacht“ wurden 1814 in vielen deutschen Regionen unabhängig voneinander Gedenkveranstaltungen durchgeführt. Ernst Moritz Arndt, „… selbst ein
Teilnehmer der Schlacht, regte als erster an, der Legion der Toten ein ehrendes Monument zu errichten“ (Rodekamp, S. 6, a.a.O.). Arndt [19] veröffentlichte im September 1814 seine Schrift „Ein Wort über
die Feier der Leipziger Schlacht“ und forderte „teutsche Festtage“. „Dass auf den Feldern bei Leipzig ein Ehrendenkmal errichtet werden muss, das dem spätesten Enkel noch sage, was daselbst im
Oktober des Jahres 1813 geschehen, darüber ist wohl in ganz Deutschland, ja in der ganzen Welt nur eine Stimme … Ein kleines unscheinbares Denkmal tut es nicht … Das Denkmal muss draußen stehen,
wo soviel Blut floss, es muss so stehen, dass es ringsum von allen Straßen gesehen werden kann, auf welchen die verbündeten Heere zur blutigen Schlacht der Entscheidung heranzogen. Soll es
gesehen werden, so muss es groß und herrlich sein, wie ein Koloss, eine Pyramide, ein Dom in Köln“ (Arndt, zit. n. Starke, S. 14, a.a.O.). Zunächst aber sollten am Abend des 18. Oktobers
alljährlich auf allen Bergen, Hügeln und Erhebungen Gedenk- und Freudenfeuer entzündet werden.
Auch Ferdinand Arnold Brockhaus (1772 - 1823), der Gründer des gleichnamigen Leipziger Verlags, forderte schon 1814 auf dem Leipziger Schlachtfeld ein dauerhaftes Denkmal zu
errichten.
Schon Zeitgenossen der Schlacht benutzten den Begriff „Völkerschlacht“ (Starke, S. 5, a.a.O.). „Völkerschlacht“ und „Befreiungskriege“ sind ideologische Begriff, denn es waren
nicht die Völker [20], die die Schlacht führten und zu einer wirklichen Befreiung führte die Schlacht nirgendwo. Auch war es
kein Sieg der „Völker“ über Napoleon. Teile einiger Völker hofften auf eine freiere Entwicklung, Teile anderer Völker befürchteten – mit Recht – eher eine repressive zukünftige Entwicklung (z.B.
in Polen oder in Italien). Auch waren es ganz überwiegend die regulären Armeen und die aristokratischen Offiziere die den blutigen Sieg bei Leipzig erkämpften.
Höchstens handelte es sich um eine durch die obsiegenden Herrschenden verratene Befreiung. Zudem wurden die Schlachten von 1813 und die „Befreiungskriege“ Teil eines problematischen deutschen
Gründungsmythos: Wilhelm, der Sohn der von Napoleon (angeblich) gedemütigten preußischen Königin Luise, der als junger Offizier 1814 in Frankreich das Eiserne Kreuz erhalten
hatte, wurde - nach dem Sieg über einen weiteren Napoleon - in Versailles zum Deutschen Kaiser proklamiert - Luise damit „gerächt“. In dem Mosaik der „Jüngeren Hohenzollern“ in der Gedenkhalle
der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche
(eingeweiht 1895) z.B. wurde diese Sicht illustriert [21] .
Auch Ute Planert führte aus, es habe sich weder um einen nationalen „Befreiungskrieg“, noch um einen „Freiheitskrieg" gehandelt. In Preußen v.a. habe es zwar 1813/14 einen
„antifranzösischen Furor“ gegeben, der aber auch auf den negativen Erfahrungen der Besatzungszeit beruhte, aber auch auf einem Treuegefühl gegenüber den Hohenzollern. Dabei spielte der rasch
aufkommende Luise-Kult eine nicht zu unterschätzende Rolle (vgl. Planert, 2007, a.a.O.).
Allerdings bleibt dennoch festzuhalten, dass 1813 bei vielen Deutschen „… ein Gefühl der Identität entstand, das Tausende dazu bewog, sich für die Schaffung eines gemeinsamen Staatswesen zu
engagieren, dabei Hab und Gut einzusetzen und selbst das Leben zu riskieren“ (Rodekamp, S. 17, a.a.O.). Zumindest zeitweise - meinen viele Historiker – hatte der Krieg gegen Napoleon den
Charakter eines „Volkskrieges“ gegen die Besatzer. Als Beleg dafür führte der Historiker Gerd Fesser einen Brief Gneisenaus an den preußischen Staatskanzler Hardenberg an: „Die
Landwehren spielten mit die vorzüglichste Rolle, namentlich das Bataillon Sommerfeld aus dem Hirschberger Kreis, großenteils aus Leinewebern bestehend. Möchten Ehrwürdige Exzellenz diese braven,
armen Leute sehen, wie sie der notwendigsten Kleidungsstücke ermangeln und den Krankheiten und der Ermattung erliegen, es würde Ihnen das Herz pressen"(Gneisenau, zit. n. Fesser, 2013,
a.a.O.).
Der Hagener Historiker Peter Brandt (*1948) schätzte, dass ca. die Hälfte der deutschen Studenten sich an den „Befreiungskriegen“ beteiligte. Die Freiwilligenverbände machten
schließlich zwar nur 12 % der antinapoleonischen Armeen aus, jedoch stellten sie ein in Norddeutschland neuartiges Phänomen dieses Krieges dar (Peter Brandt, S. 100 f., a.a.O.).
Sehr bald nach Kriegende 1815 begann ein öffentlicher Disput über den Charakter der antinapoleonischen Kriege: Waren es „Freiheitskriege“ oder
„Befreiungskriege“? Autoren, die einen frühen Liberalismus (Verfassung, Pressefreiheit, politische Partizipation, Vereinigung der deutschen Staaten) vertraten, betonten - auch
innenpolitisch - freiheitliche Ziele und Motive bei der antifranzösischen Erhebung und benutzten die Bezeichnung ‚Freiheitskriege‘. Dieser Begriff implizierte ein noch nicht erfülltes Ziel und
Kritik an der politischen Situation nach dem Wiener Kongress, wurde deshalb staatlicherseits abgelehnt. Viele Studenten und Kriegsfreiwillige sahen den Krieg als Aufstand des Volkes, als
Freiheitskrieg.
Eher Konservative benutzten - apologetisch - den Begriff ‚Befreiungskriege‘, und die ‚Befreiung‘ von der napoleonischen Fremdherrschaft war abgeschlossen und hatte keine sonstigen
innenpolitischen Implikationen (vgl. Peter Brandt, S. 84, a.a.O.).
Für z.B. Friedrich von Gentz war es ein Krieg der Generäle und legitimen Monarchen zur Überwindung der französischen Hegemonie, nicht etwa ein Volkskrieg. Auch Karl Friedrich
Schinkels 1821 eingeweihtes gusseisernes „National-Denkmal für die Befreiungskriege“ auf dem heutigen Berliner Kreuzberg stellte nicht einen Freiheitskrieg des Volkes, sondern
den Monarchen ins Zentrum. In der Inschrift heißt es: „Der König dem Volke, das auf Seinen Ruf hochherzig Gut und Blut dem Vaterlande darbrachte.“
Mir scheint, die Kriege 1813/15 hatten vor allem anfangs einen doppelten Charakter, den eines Freiheitskrieges, als auch den eines Unabhängigkeitskrieges. Je länger der Krieg
dauerte, desto stärker trat der machtpolitische Aspekt in den Vordergrund (vgl. Peter Brandt, S. 84, a.a.O.).
Erst spätere Generationen von Politikern, Publizisten und Historikern stilisierten den „grausamsten Weltkrieg, der je die Gesellschaft erschütterte“ (Gentz, zit. n. Planert, 2006, S. 76, a.a.O.)
zur „deutschen Erhebung“ und zu einem nationalen Heldenepos.
Für uns heute erscheint die „Völkerschlacht“ von Leipzig als sehr weit weg, sie ist weitgehend historisiert. Das war in der Zeit bis zum 1. Weltkrieg noch anders. Bis dahin wurde diese blutige
Schlacht als der Beginn einer glorreichen jüngeren Vergangenheit empfunden, was sich auch zum Beispiel in dem Bau des Völkerschlachtsdenkmals zeigte.
Hans Franck beschrieb in seinem Roman „Marianne" die Feierlichkeiten, die schon zur ersten Wiederkehr der Leipziger Schlacht im Jahre 1814 in der Umgebung von Frankfurt am Main
begangen wurden. Am Abend des 18. Oktobers 1814 stand Goethe demnach neben Marianne Willemer auf dem Mühlberg der Gerbermühle bei Frankfurt: „Ringsum erglühten alle Höhen Freudenfeuer, mehr als
hundert, lohten gen Himmel. Marianne hatte auf einer Karte mit roter Tinte sämtliche Punkte bezeichnet, wo - vom Mühlberg aus gesehen - Holzstoßflammen zu erwarten waren. Denn sie wusste um seine
Neigung, Erlebtes durch Wissen zu befestigen. Willimer begnügte sich damit, die lodernden Flammen anzuschauen, dem Aufleuchten weiterer Feuer mit den Blicken zu folgen" (Franck, S. 19,
a.a.O.).
Die studentischen Burschenschaften wählten mit Bedacht den vierten Jahrestag der Leipziger „Völkerschlacht“, den 18. Oktober 1817 zur Durchführung ihres Fests auf der Wartburg,
das mit zum Auslöser der reaktionären Demagogenverfolgungen wurde. Die Allgemeinen Deutschen Burschenschaften wurden am 18. Oktober 1818 gegründet.
Jacques Presser wies darauf hin, dass in den Enttäuschungen der Restaurationszeit „… der Brauch, an jedem 18. Oktober … ein Freudenfeuer auf den Bergspitzen anzuzünden … zumindest erst einmal
schnell verschwand“ (Presser, S. 938, a.a.O.).
Am 18. Oktober 1862 wurde im Donautal die „Ruhmeshalle“ Walhalla eingeweiht. In einem Gedenkstein vor der Halle ließ der bayerische König Ludwig I. u.a. einmeißeln: „Möchten die
Teutschen nie vergessen, was den Befreiungskampf notwendig gemacht, und wodurch sie gesiegt“ (Ludwig I., zit. n. Piper, S. S7, a.a.O.).
Dr. Theodor Apel (1811–1867), ein wohlhabender Leipziger Bürger und Schriftsteller, ließ 1861 – 64 auf eigene Kosten auf dem ehemaligen Schlachtfeld 44 „Marksteine“ setzen, mit
den jeweiligen Datenangaben und wohlunterschieden in N-Steine (Napoleon) und V-Steine (Verbündete). Dennoch erscheint es bemerkenswert, dass auch der gegnerischen Opfer und Napoleons selbst
gedacht wurde (vgl. Abb. unten). Dies zeugt einerseits von einer Art von „Ritterlichkeit“, andererseits wird der eigene Sieg durch die Anerkennung der Größe des Besiegten erhöht. Apel
veröffentliche auch einen Führer zu den entsprechenden Gedenkorten der Schlacht.
Der SPD-Politiker Georg Ledebour kritisierte in einer Reichstagsrede am 18. Februar 1913 eine „Entartung des nationalen Gedankens …, der geboren wurde als ein Kind der
Freiheitsbestrebungen" um 1813, in den Händen der „heutigen Machthaber". Dagegen wollten die Sozialdemokraten das „Reich der Freiheit und des Rechts" aufrichten, „das Fichte und andere Männer mit
ihm vor hundert Jahren ersehnt haben ..." (Lebedour, zit. n. Schweitzer, a.a.O., S. 89)
Zum Gedächtnis der ca. 22 000 bei Leipzig gefallenen russische Soldaten wurde am 17. Oktober 1913 auch die russisch-orthodoxe Gedächtniskirche des Hl. Alexej (in der heutigen
Philipp-Rosenthal. Str.) durch den Großfürsten Kyrill, einen Cousin des Zaren, eingeweiht. Sie erinnert an die 1532 erbaute Himmelsfahrtskirche in Kolomenskoje/Moskau. In der Kirche werden bis
heute einige historische Kosakenstandarten aufbewahrt und in der Gruftkapelle befinden sich vier eicherne Sarkophage mit Gebeinen russischer Gefallener von 1813.
Für Werner Starke war die Leipziger „… Denkmals- und Ruhmeskirche des russischen Volkes … dem Gedächtnis der vielen Tausende gefallener russischer Krieger geweiht, … (die ihr) Leben für die
Befreiung unseres Volkes von der napoleonischen Fremdherrschaft“ gaben (Starke, S. 10, a.a.O.) - eine Mystifizierung des „Volkes“ zumindest in der frühen DDR.
Das am 18. Oktober 1913 zum 100-Gedenken der Schlacht eingeweihte Leipziger Völkerschlachtsdenkmal steht im Mittelpunkt des gleichnamigen Romans von Erich Loest.
Architekt des Völkerschlachtsdenkmals war der Leipziger Clemens Thieme (1861 – 1945), der auch den Bau des Leipziger Hauptbahnhofs leitete. An dem Völkerschlachtsdenkmal wurde 15 Jahre gebaut,
der erste Spatenstich erfolgte am 18. Oktober 1898. Bereits während der Bauzeit besuchten ca. 600 000 Menschen das entstehende Denkmal (vgl. Piper, S. S7, a.a.O.).
Es ist 91 m hoch, die Innenhalle allein bereits 68 m. „Die Größe und die Ausmaße des Denkmals entsprechen der Größe und weltgeschichtlichen Bedeutung der Völkerschlacht“ (Starke, S. 11, a.a.O.).
Das Völkerschlachtsdenkmal war 1913 der größte Denkmalsbau in Europa und kostete damals die enorme Summe von ca. 6 Mio. Mark.
Zu den aufwändigen Feierlichkeiten zur Einweihung des Völkerschlachtsdenkmals – in Anwesenheit des Kaisers und des sächsischen Königs – wurden die übrigen Sieger von 1813, die Russen, Engländer,
Schweden und Österreicher nicht einmal eingeladen (Piper, S, S7. a.a.O.) – „die“ Deutschen monopolisierten, „nationalisierten den Sieg bei Leipzig 1813 sozusagen für sich.
Der „Vorwärts“, die SPD-Parteizeitung, meinte am 19. Oktober 1913 „Die Feier der Freiheitskriege war nichts als eine Fürstenfeier, höchstens noch eine Kundgebung des borniertesten Nationalismus
im Zeichen des schlachtenwitternden Imperialismus“ (zit. n. Fesser, 2013, a.a.O.).
Nach dem Potsdamer Historiker Ernst Piper (*1952) spiegelten sich in dem Leipziger Völkerschlachtsdenkmal drei „konkurrierende historische Narrative“, als Denkmal für …
• den Sieg einer internationalen Koalition über Napoleon
• die (angebliche) nationale Befreiung und Wiedergeburt Deutschlands, ein nationales Denkmal
• Preußen, das sich der Aufgabe der „nationalen Einigung“ gestellt habe, ein „Symbol der kleindeutschen Lösung“ (vgl. Piper, S. S7, a.a.O.).
Das Völkerschlachtsdenkmal wurde ideologisch vereinnahmt und politisch instrumentalisiert (Rodekamp, S. 6, a.a.O.), es unterlag in seiner 100jährigen Geschichte einem Bedeutungswandel, von einem
Mahnmal für die „Helden“, über das Gedenken an eine „Waffenbrüderschaft“, zu einem „Monstrum“ und zur „Eventkulisse“ (Tobias Barth, vgl. MDR, Figaro, 20.9. 2013).
Am 18. Oktober 1944, absichtlich am Jahrestag der „Völkerschlacht“ hielt Heinrich Himmler – als Befehlshaber des Ersatzheeres im Rundfunk eine Durchhalterede: „Unsere Gegner müssen begreifen lernen: Jeder Kilometer, den sie in unser Land vordringen wollen, wird Ströme ihres Blutes kosten. Jeder Häuserblock einer Stadt, jedes Dorf, jedes Gehöft, jeder Wald wird von Männern, Knaben und Greisen und – wenn es sein muss – von Frauen und Mädchen verteidigt“ Die Einberufung des Jahrgangs 1928 rechtfertigte Himmler: „Es ist besser, es stirbt ein junger Jahrgang und das Volk wird gerettet, als dass ich den jungen Jahrgang schone und ein ganzes 80-90 Millionenvolk stirbt aus“ (zit. n. Himmler, S. 332, a.a.O.).
Wie Herfried Münkler betonte, „… hatten die Befreiungskriege von 1813/14 für das Selbstverständnis der DDR eine so grundlegende Bedeutung, dass man beim Leipziger
Völkerschlachtsdenkmal … nicht an eine Sprengung dachte, sondern in seine Erhaltung investierte. Es wurde zu einem Ort, an dem man die ‚deutsch-russische Waffenbrüderschaft‘ zelebrierte. Das
Völkerschlachtsdenkmal war ein fester Bestandteil im kulturellen Erbe der DDR, und die Befreiungskriege gehörten zum gründungsmythischen Wurzelwerk, aus dem der sozialistische Staat seine Kraft
zu beziehen suchte“ (Münkler, 2010, S. 450, a.a.O.).
Wolfgang Richter wies darauf hin, dass das Völkerschlachtsdenkmal zwar nicht das größte Denkmal (das war das Treptower Ehrenmal für die 1941 – 45 gefallenen sowjetischen Soldaten) aber mit 91 m
das höchste Denkmal der DDR war (vgl. Richter, S. 32, a.a.O.).
Heute halten in Leipzig und Umgebung über hundert „… kleine und größere Denkmale, Tafeln und Erínnerungssteine das Gedenken am jene Tage lebendig“ (Rodekamp, S. 12, a.a.O.). Noch in den 50er
Jahren des 20. Jhdts. gab der Leipziger Brockhaus-Verlag einen Wanderführer zu den zahlreichen Gedenkstätten und -orten der „Völkerschlacht“ 1813 heraus (vgl. Starke, a.a.O.).
Seit Jahren werden in der Umgebung von Leipzig immer wieder von Liebhabern die Schlacht oder Teile der Schlacht in historischen Uniformen und Waffen nachgespielt, mit viel Publikum.
Eine große Gedenkfeier an die Schlacht wurde zum 200. Jubiläum im Oktober 2013 veranstaltet.
Seit dem 3. August 2013 wurde in Leipzig in einem alten Gasometer (vgl. Abb unten) auch das
Panorama „Eine Stadt nach dem Krieg“ von Yadegar Asisi gezeigt . Auf ca. 3500 Quadratmeter wurde die Situation Leipzigs nach der Schlacht aus der Sicht der Stadtbürger dargestellt,
mit den vielen Toten, Verwundeten, dem Elend und Chaos, den Epidemien etc. Es soll sich hier um das weltgrößte Panorama handeln [22].
Götz Aly meinte, dass in der „Franzosenzeit“ die Deutschen „… das schwerste Massentrauma zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und dem Ersten Weltkrieg“ erlitten. Es entstand – resümierte er – „… zu
Beginn des 19. Jahrhunderts der kulturell überhöhte, engherzige deutsche Nationalismus, (es) wurden Demokraten zu Fremdenhassern und autoritären Volkskollektivisten.
Im „Militärhistorischen Museum“ der Bundeswehr in Dresden wurde bis zum März 2014 die Sonderausstellung „Blutige Romantik – 200 Jahre Befreiungskriege“ gezeigt. Thematisiert
wurden sowohl E. M. Arndt oder Theodor Körner, „die fanatischen Hass“ und „den Krieg als Gottesdienst“ predigten, als auch der Versuch „… die kulturelle Hegemonie Frankreichs zu brechen“ (vgl.
„Berliner Zeitung“, 18. Februar 2014, S. 4). Das Völkerschlachtsdenkmal wurde in der Ausstellung als ein Element gekennzeichnet, das den „… Nährboden für die Kriegsrhetorik des August 1914“
bildete (vgl. „Berliner Zeitung“, 18. Februar 2014, S. 4).
Die Völkerschlacht bei Leipzig ist kein Anlass zu Feiern – sie steht für eine verhängnisvolle politische Fehlentwicklung in Deutschland“ (Aly, Teil III, S. 4).
(unveränderlich nach dem Gregorianischen Kalender)
© Christian Meyer
[1] Der konservativ-nationalistische Schweizer Publizist Hermann Stegemann (1870 – 1945) veröffentliche seine zweibändige Schrift „Der Krieg“ 1939/40 im nationalsozialistischen Deutschland.
[2] Auch bei den französischen Revolutionsarmeen gab es vereinzelte Desertionen; sie wurden schwer bestraft, oft mit der Exekution geahndet (vgl. Laukhard, S. 376, a.a.O.).
[3] Friedrich Christain Laukhard berichtet in seiner Autobiographie von lothringischen Bauern 1793, die „... durch die Revolution von jeder Seite durchaus gewonnen hätten. Die schrecklichen Abgaben ... wären nicht mehr; jetzt könnten sie auch an sich denken, bauen, anderen aushelfen, ihres Lebens wie ihrer Arbeit froh werden, einen Notpfennig ersparen. Die vielen Akzisen hätten aufgehört, das grobe Wild verwüstete ihre Fruchtfelder nicht weiter, kurz, sie fühlten jetzt, daß sie Menschen wären und nicht mehr Sklaven des Edelmanns und der Priester etc.“ (Laukhard, S. 267, a.a.O.).
[5] Mit dieser Gesellschaftspolitik aber scheiterte Napoleon gründlich. Er ernannte u.a. 6 Fürsten, 32 Herzöge, 452 Grafen, 1500 Barone und 1174 Ritter; mit dem Fürstentitel war ein Majorat von ca. 200 000 Francs jährlich verbunden, 100 000 für einen Herzog etc. Aber je reicher die Beschenkten wurden, desto mehr fürchteten sie auch eine kommende, sie wieder arm machende Katastrophe. Tatsächlich war es im April 1814 die Hauptangst der meisten Angehörigen des neuen Adels, Titel und Reichtümer in eine sichere Zukunft unter den restaurierten Bourbonen hinüber zu retten. Die Abdankung Napoleons ging auch auf den Druck des neuen Adels zurück, der einen Ausgleich mit den Bourbonen anstrebte und erreichte. Napoleon selbst urteilte 1815: „Ich finde nur Adel in der Kanaille, mit der ich nicht gerechnet habe, und Kanaille in dem Adel, den ich geschaffen habe“ (Napoleon, zit. n. Presser, S. 565, a.a.O.).
[6] Pjotr Iljitsch Tschaikowski (1840-1894) beschrieb in seiner „Ouverture solennelle 1812“ op. 49 (uraufgeführt 1882) musikalisch den „Vaterländischen Krieg“ gegen die französischen Invasoren.
[7] Im 1. Weltkrieg wurde die Aktion wiederholt und auch meine Großmutter Karoline Meyer geb. Karcher tauschte ihren goldenen Ehering gegen einen eisernen Ring mit der nämlichen Inschrift um. In wieweit dies unter sozialem Druck geschah, ist unklar. Der Ring verbrannte 1943 im Bombenhagel auf Berlin.
[8] Von Karl Friedrich Friesen (1784–1814, in Frankreich gefallen) stammt die Losung „Deutschland erwache“ – es war die Forderung nach einer mentalen Mobilmachung gegen Frankreich. Einige Straßen in Berlin-Kreuzberg tragen schon seit über 100 Jahren Namen, die an Protagonisten der „Befreiungskriege“ erinnern sollen, so Friesen, Fichte, Arndt oder Jahn. Die Namensgebung liegt an ihrer räumlichen Nähe zum ersten Turnplatz in der Hasenheide („Jahnpark“), den Friedrich Ludwig Jahn am 19. Juni 1811 eröffnet hatte. Die dortigen Übungen waren weit eher eine paramilitärische Ausbildung als Sport im heutigen Sinne (vgl. „Kreuzer“, Nr. 8/Dezember 1994, S. 4).
[9] Tatsächlich sah die SS in den Lützower Jägern einen ihrer Vorläufer, Theodor Körner mutierte zu einem frühen Horst Wessel
(vgl. Loest, S. 161, a.a.O.).
[10] 1863 wurde Friccius an der Stelle des ehemaligen Grimmaischen Tors ein Denkmal errichtet. An der Nordseite des heutigen Grassi-Museums erinnern bis heute zwei Denkmale an die damaligen blutigen Kämpfe.
[11] Der französischstämmige Jean-Baptiste Bernadotte (1763–1844), Ehemann der durch Annemarie Selinkos Roman berühmt gewordenen Desirée, Marschall von Frankreich und von Napoleon zum Fürsten von Ponte Corvo ernannt, scheint versucht zu haben, seine Truppen möglichst aus den Kämpfen herauszuhalten: Für den Fall einer französischen Niederlage hoffte er vielleicht auf eine Karriere in Schweden, oder in Frankreich - falls Napoleon siegte (vgl. Fesser, 2013, a.a.O.). Die schwedischen Truppen trafen zuletzt auf dem Leipziger Schlachtfeld ein. 1818 wurde Bernadotte tatsächlich als Karl XIV. Johann König von Schweden. Bis heute befindet sich in dem Großen Staatswappen Schwedens im Mittelschild ein napoleonischer Adler und eine betürmte Brücke für das Fürstentum Ponte Corvo.
[12] Erich Loest kommentierte: „Verrat oder nicht – das ist immer eine Frage des Zeitpunkts“ (Loest, S. 11, a.a.O.). Das „Sächsische Realienbuch“ – ein seit dem Ende des 19. Jhdts. in vielen deutschen Ländern verbreitetes und einflussreiches Schulbuch erwähnte den Frontwechsel von Teilen der sächsischen Armee mit keinem Wort (vgl. Kahnmeyer/Schulze, a.a.O.).
[13] Napoleons Befehlsstand befand sich zu dieser Zeit am 18. Oktober nahe der Quandtschen Tabaksmühle. Hier - schrieb Werner Starke – hatte Napoleon erkennen müssen, dass selbst „… sein erprobtes Feldherrengenie die elementare Kraft der um ihre nationale Befreiung kämpfenden Völker nicht gewachsen war. … In der siebenten Stunde verließ Napoleon den Platz an der Tabaksmühle, der für alle Zeiten zum Symbol dieser Niederlage geworden ist“ (Starke, S. 48, a.a.O.).
Dort wurde im Jahre 1857 der „Napoleonstein“ errichtet: Das Denkmal auf einem kleinen Hügel trägt einen granitenen Würfel, „.. auf dem ein Kissen mit Degen, Hut und Fernrohr des Korsen … liegt“ (Starke, S. 45, a.a.O.). Der „Napoleonstein“ ist bis heute erhalten geblieben; er liegt westlich des „Sees der Tränen“ vor dem Völkerschlachtsdenkmal, nahe der Straße „An der Tabaksmühle“ (vgl. Abb. unten).
[14] Schon am 18. Oktober wurden Minen zur Sprengung unter die Brücke gebracht. 1863 wurde für die zahlreichen Opfer der vorzeitigen Sprengung das Brückensprengungsdenkmal nahe dem Elstermühlgraben (heute an der Friedrich-Ludwig-Jahn-Allee) errichtet. Nahebei gibt es auch einen Gedenkstein an den Tod Poniatowskis.
[15] Vor allem in den mehr als 30 ehemaligen Rheinbundstaaten wurde im Laufe der Jahre die napoleonische Vergangenheit umgedeutet, in eine antinapoleonische umerfunden.
[16] Schon im Oktober 1814 wurde auf dem 158m hohen „Monarchenhügel“ (die Stadt Leipzig liegt 114 m hoch) bei Meusdorf im Süden von Leipzig als erstes Denkmal der „Völkerschlacht“ ein großes hölzernes Kreuz errichtet (vgl. Starke, S. 44, a.a.O.). Im Jahre 1847 wurde auf dem „Monarchenhügel“ ein Denkmal errichtet. Es ist bis heute erhalten geblieben, südöstlich des Völkerschlachtsdenkmals, an der Leipziger Straße.
[17] Während des 2. Weltkriegs wurden u.a. in Auschwitz und Bergen-Belsen verbrecherische Menschenversuche an Häftlingen unternommen, um einen Impfstoff gegen das Fleckfieber zu erhalten.
[18] Friedrich Ludwig Jahn (1778 – 1852) war u. a. vermutlich der Erfinder des
Substantivs „Volkstum“. Im Jahre 1808 verfasste Jahn seine Schrift „Deutsches Volksthum“, er propagierte darin eine Art großdeutschen, völkischen Nationalismus. Später erklärten ihn
führende Nationalsozialisten zum „ersten Nationalsozialisten“.
[19]
In der NVA der DDR gab es ein Ernst-Moritz-Arndt-Regiment (vgl. Piper, S. S7, a.a.O.).
[20] Jedoch
z. B. auch der DDR-Autor Werner Starke befürwortete die Bezeichnung „Völkerschlacht“. Er meinte schlicht, die Tatsache, „… dass an ihr fast alle europäischen Völker beteiligt waren, rechtfertigt
diese Bezeichnung“ (Starke, S. 5, a.a.O.).
[21]
Bis heute gibt es in Berlin-Schöneberg eine „Königin-Luise-Gedächtnis-Kirche“.
Weitere Abb. zum Thema "Völkerschlacht".
Stadtplan von Leipzig 1813 (aus Starke, S. 46/47, a.a.O.)
Im Leipziger Stadtgeschichtlichen Museum wird ein zeitgenössischer Bilderbogen aufbewahrt, der den „Heiligen Augenblick“ darstellt.
Zwei Beispiele der Apelschen Marksteine (Abb. aus Starke, S. 8, a.a.O.).
DDR-Münze – Völkerschlachtsdenkmal: Über einer Statue des Erzengels Michael trägt das Leipziger Völkerschlachtdenkmal die Inschrift „Gott
mit uns“.