30. April

Walpurgisnacht; sorbisches Hexenbrennen  (sorb. „Chodojtypalenje“)

 

Die Hl. Walburga (i.e. „Bergerin der Gefallenen“) wurde um 710 als Schwester der Hll. Willibald und Wunibald im Süden Englands in einer Adelsfamilie geboren. Auf Initiative des Hl. Bonifatius (wohl ihres Onkels) kam die Benediktinerin nach Deutschland, missionierte dort und wurde Äbtissin des von Wunibald gegründeten Klosters Heidenheim (bei Eichstätt in Franken), wo sie am 25. Februar 779 starb.Auf Initiative des Bischofs von Eichstätt sollten ihre Gebeine am 1. Mai 870 von Heidenheim nach Eichstätt überführt werden und dort im Dom beigesetzt werden. In der Nähe von Eichstätt blieb der Leichenzug jedoch  stehen, die Pferde ließen sich nicht mehr von der Stelle bewegen. Sie führten den Leichnam schließlich zu der Stelle, an der heute noch die Kirche St. Walburga steht, in der bis heute das Grab der Heiligen verehrt wird.

Eine Reihe von Wundern wurden bald der Hl. Walburga zugeschrieben; so soll sie mit 3 Ähren ein Kind vor dem Hungertode errettet haben.
Auf dem Wege zur kranken Tochter eines Burgherrn wurde sie der Legende nach von wilden Hunden angegriffen. Walburga habe den ihr zu Hilfe eilenden Knechten zugerufen, sie stehe unter dem Schutz Jesu, worauf die Hunde von ihr abließen.

 

 

Die Reliquien der Heiligen befinden sich seit 870 in Eichstätt, in der Gruft des Stifts St. Walpurgis. Aus der steineren Grabplatte (aus „dem Brustbein der Heiligen“) sollen von Zeit zu Zeit bis heute (angeblich) wundertätige Tropfen austreten, das „Walpurgisöl“. Dies führte dazu, daß die Heilige Walburga mit dem Attribut eines Fläschchens in der Hand dargestellt wird und sie als Beschützerin vor Zauberkünsten verehrt wurde.
Das „Walpurgisöl“ wird bis heut in Fläschchen abgefüllt und an Wallfahrer gegen eine Spende abgegeben.

 

Die Hl. Walburga genoss in Flandern und den niederländischen Handels- und Seefahrtstädten als Patronin der Seefahrer eine besondere Verehrung.

Der Legende nach soll das Schiff, das die Heilige auf den Kontinent brachte, in einen schweren Sturm geraten sein. Durch ein Wunder beruhigte Walburga mittels ihres Gebets die Wogen – niemand kam zu Schaden.

Diese Episode der Vita der Hl. Walburga wurde z.B. von Peter Paul Rubens 1610/11 („Das Schiffwunder der Hl. Walburga“) dargestellt.

Das Bild entstand als Predella des Hochaltars [1] für die St. Walburga – Kirche [2] in Antwerpen (heute im Museum für bildende Künste. Leipzig). Das Bild zeigt den Moment, in dem ein Lichtstrahl vom Himmel auf die betende Heilige fällt, als Symbol für die kommende Errettung. Vom Aufbau des Bildes her ist das „Schiffwunder“ vergleichbar dem wenige Jahre zuvor entstandenen Rubens – Bild „Christus auf dem Meer“ (heute in der Gemäldegalerie Alte Meister Dresden): Das hilflose Schifflein im tosenden Meer bildet eine diagonale Bildachse. Die dynamisch dramatische Bildkomposition – die Welle erscheint wie ein drohend aufgerissenes Maul – war in ihrer Ästhetik damals hochmodern und wurde vielfach bewundert (vgl. Nicolaisen, 2002, S. 3, a.a.O.). 

Darüber hinaus fiel der Tag der Heiligsprechung Walburgas (1. Mai) zufällig zusammen mit dem germanischen Frühlingsfest, das unter anderem mit Tänzen verbunden war. Bereits nach alten nordeuropäischen Sagen und Legenden sollen in der Nacht vom 30. April zum 1. Mai Hexen und andere Geister ihr Unwesen getrieben haben, um so den Winter endgültig zu vertreiben.

Zum Walpurgistag wurde seit dem frühen Mittelalter der „Lämmerzehnt“ der abhängigen Bauern an den Fronherrn fällig. 

Eine Bauernregel zu dem Gedenktag der Walburga besagt:

 

                               „Wenn sich Sankt Walburgis zeigt, der Birkensaft nach oben steigt.”  

 

 

Mit dem zunehmenden Hexenglauben entstand die Vorstellung, dass in der Walpurgisnacht (zum 1. Mai) die Hexen mit ihrem Meister, dem Teufel, zu einem ausschweifenden Fest auf dem Blocksberg, dem Brocken (1142m) im Harz, zusammenkämen. Die Hexen tanzen um das Feuer herum, vermählen sich mit dem Teufel und werden mit dem Hexenmal gezeichnet, das ihnen Zauberkräfte verleiht. Lange hielt sich der Brauch, in der Walpurgisnacht drei Kreuze und bestimmte Kräuterbüschel an die Stalltüren zu heften, um das Vieh vor den Hexen zu schützen. Ebenfalls auf die Abwehr des Hexentreibens bezog sich anderes Brauchtum: Peitschenknallen, Läuten der Kirchenglocken und das Entzünden von Walpurgis – Feuern.

Der deutsche Schriftsteller und „Polyhistor“ Johannes Praetorius (1630 – 1680) veröffentlichte 1669 in Leipzig sein Werk „Blockes-Berges Verrichtung oder ausführlicher geographischer Bericht von den hohen trefflich alt- und berühmten Blockes-Berge: ingleichen von der Hexenfahrt und Zauber-Sabbathe, so auff solchen Berge die Unholden aus gantz Teutschland Jährlich den 1. Maij in Sanct-Walpurgis-Nachte anstellen sollen; Aus vielen Autoribus abgefasset und mit schönen Raritäten angeschmücket sampt zugehörigen Figuren; Nebenst einen Appendice vom Blockes-Berge wie auch des Alten Reinsteins und der Baumans Höle am Hartz“.

Er führte darin aus, dass sich die Hexen wegen der großen Sittenreinheit der Hl. Walburga gerade in dieser Nacht auf dem Blockberg versammelten. Goethe verwendete die Schrift Praetorius bei der Gestaltung der Walpurgisnacht [3] im 1. Teil des „Faust“:

                                               „Die Hexen zu dem Brocken ziehn,

                                               die Stoppel ist gelb, die Saat ist grün.

                                               Dort sammelt sich der große Hauf,

                                               Herr Urian ist obenauf.

                                               So geht es über Stein und Stock,

                                               Es f-t die Hexe, es st-t der Bock“  (vgl. Goethe, Faust, S. 244, a.a.O.).

 

Im mittelrheinischen Oberwesel wird jeweils am Walpurgistag eine neue "Weinhex" präsentiert, die für zwei Jahre die herkömmlichen Aufgaben einer lokalen Weinkönigin erfüllt, als Repräsentantin der Weinregion Oberwesel. Nach traditioneller Vorstellung soll das Wirken der Weinhex zudem den Winzern zu einem edlen Tropfen verhelfen.

Am Abend des 30. April, der "Weinhexennacht", wird zeremoniell die „alte Weinhex" verabschiedet, die neue "Weinhex" entsteigt mit allerlei Knallerei und Hexenfeuer einem großen Weinfass auf dem städtischen Marktplatz von Oberwesel.

Name und Brauch werden in Oberwesel zurückgeführt auf die mittelalterliche Sitte, zum Frühlingsbeginn auf den Hängen und den Rheinbergen "Hexenfeuer" zu entzünden und Feuerräder herab zu rollen.

Gewählt wird die Weinhex zweijährlich, 2014, dann wieder 2016 etc.

 

In den sorbischen Gebieten Ostdeutschlands glaubte man ebenfalls traditionell, dass in der Walpurgisnacht die Hexen zu ihren Versammlungsplätzen ritten. Als Vorsichtsmaßnahme, versperrte man die Stalltüren und stellte grüne Zweige vor die Eingänge. Vor die Türschwelle legte man zur Abwehr der Hexen einen Besen.

Ebenfalls zur Hexenabwehr dienten die Feuer, die – bis heute – in vielen Orten der Lausitz in der Walpurgisnacht entzündet werden.

Das „Hexenbrennen“ entwickelte sich vielfach zu kleinen Volksfesten. „Außerhalb des Dorfes wird ein großer Reisighaufen aus Abfällen, die beim Frühlingsputz im Garten angefallen sind, errichtet. Obenauf wird eine von Kindern oder Jugendlichen gebastelte Hexe gesetzt. Sobald es dunkelt, wird der Haufen angezündet, und um ihn versammelt sich alt und jung. Die Kinder belustigen sich am Feuer und laufen mit brennenden Besen und Fackeln umher. Manchmal wird auch gesungen, und zum Durstlöschen steht vielerorts ein Kasten Bier bereit“ (vgl. Tascyna, S. 35, a.a.O.).

Seit den siebziger Jahren des 20. Jhdts. wurden die mittelalterlichen Hexenverfolgungen für die neue Frauenbewegung zu einem Symbol für die Unterdrückung der Frau, insbesondere ihres traditionellen Wissens zum Beispiel in der Medizin. Dagmar Neuland – Kitzerow vom Berliner Museum für Volkskunde meinte dazu: „Mit den Hexenverbrennungen im Mittelalter sollte ja im Grunde das weibliche Spezialwissen verdrängt werden“ (vgl. „Tagesspiegel“, 30. IV. / 1. V. 1999, S. 48). 

Die Walpurgisnacht wurde zur „Nacht der Frauen“. Tausende von Gästen reisten zur Walpurgisnacht z. B. in den Harz, u.a. nach Schierke, wo ein „höllischer Festumzug“ mit Hexenfeuern und mit „symbolischem Hexenflug“ veranstaltet wurde. Der Brockengipfel ist in dieser Hinsicht heute als Naturschutzgebiet tabu.  

In der Walpurgisnacht 1999 kamen mehr als 150 000 Besucher in den Harz, wo Hexenschauspiele, Straßenmärkte und Festumzüge veranstaltet wurden. Nach Schierke in den Kurpark kamen ca. 20 000 Besucher, auf dem sagenumwobenen Hexentanzplatz bei Thale versammelten sich ca. 13 000 Menschen und auch auf dem Brocken feierten mehrere hundert „Hexen“ und „Teufel“ die Walpurgisnacht (vgl. „Tagesspiegel“, 2. Mai 1999, S. 40).

In Schweden wird der Walpurgistag („Valborgsmassoafton“) als Frühlingsfest gefeiert, denn der Winter zieht sich nun zurück. Gefeiert wird der Tag traditionell mit viel Tänzen, Frühlingsliedern, Luftschlangen und Papierhütchen, abends werden Walpurgisfeuer angezündet. Die Festlichkeiten des Walpurgisabends bilden den Hintergrund zu dem Film „Walpurgisnacht“ von Gustaf Edgren (Schweden, 1935) mit Ingrid Bergmann.

 

(unveränderlich, nach dem Gregorianischen Kalender am vermutlichen Tag der Kanonisierung der Heiligen)

 

© Christian Meyer


[1] Für die Arbeit an den Altarbildern für St. Walburga erhielt Rubens die (stolze) Summe von 2600 Gulden, was damals dem Gegenwert eines größeren Hauses entsprach (vgl. Nicolaisen, 2002, S. 2, a.a.O.).

[2] Die Kirche St. Walburga fiel im 18. Jhdt. einer Erweiterung des Hafens von Antwerpen zum Opfer. Der Altar wurde ins Liebfrauenmünster verbracht, wo sich das Mittelbild des Hochaltars, eine „Kreuzaufrichtung“, noch immer befindet. Das Predellenbild war bereits im 18. Jhdt. verkauft worden und gelangte 1764 nach Leipzig.

[3] Die „Klassische Walpurgisnacht“ im 2. Teil, 2. Akt des „Faust“ dagegen fand in der Nacht vor der Schlacht bei Pharsalus (8./9. August) statt.

 

Peter Paul Rubens: „Das Schiffwunder der Hl. Walburga“, 1610/11; heute im Museum für Bildende Künst in Leipzig