Abb.: Diese Bronzefigur aus Rällinge /Södermanland in Schweden (11.Jhdt.) stellt (vermutlich) den altgermanischenFruchtbarkeitsgott Freyr mit erigiertem Phallus dar. Sie wurde 1904 in Rällinge aufgefunden. Heute befindet sich die Figur im Historiska Museet in Stockholm.
Abb.: Erde und Sonne im Dezember; die Größenverhältnisse sind nicht maßstabgetreu: Bei der Dezembersonnenwende erreicht der subsolare Punkt (d.h. der Ort, über dem die Sonne genau senkrecht, im Zenit steht) seinen südlichsten Punkt am südlichen Wendekreis (des Steinbocks).
(Abb. aus: https://www.timeanddate.de/astronomie/wintersonnenwende)
(Abb. aus: Sternkarte Dezember 2021, hrsg. von der Stiftung Planetarium Berlin, 2021)
21./22. Dezember: Wintersonnenwende, Winteranfang
Unter Sonnenwende oder „Solstitium" [1]
versteht man die Zeitpunkte, an denen die Sonne während ihrer scheinbaren jährlichen Bewegung an der Himmelskugel mittags den höchsten Stand, für Berlin 61 Grad (am 21. Juni, die
Sommersonnenwende, bzw. den niedrigsten Stand, für Berlin nur 14 Grad (am 21. oder 22. Dezember, die Wintersonnenwende) über dem Horizont erreicht.
Zur Zeit der Sommersonnenwende sind die Tage auf der Nordhalbkugel der Erde am längsten (in Berlin 16h 50min), zur Zeit der Wintersonnenwende am kürzesten (in Berlin 7h 38min). Nördlich des Äquators ist die Wintersonnenwende der Tag mit den wenigsten Tageslichtstunden zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang.
Astronomisch ist die Wintersonnenwende der Zeitpunkt, an dem die Erde sich sich seit Frühlingsbeginn um 270° auf der
Ekliptik weiterbewegt hat. Die Erde hat Dreiviertel ihrer jährlichen Bahn um die Sonne zurückgelegt. Zum Zeitpunkt der Wintersonnenwende gibt es nahe dem nördlichen Polarkreis keinen Sonnenaufgang, da die Sonnenbahn unterhalb des Horizonts liegt. Es
herrscht somit dauerhaft Nacht. Nach der Wintersonnenwende werden die Tage langsam wieder länger.
Kleinere Verschiebungen des Datums können dabei vorkommen, weil das Kalenderjahr nicht gleich dem astronomischen Jahr ist, ca. 6 Stunden länger ist und keine ganzzahlige Länge hat (vgl. Kalenderproblem). Deshalb verschiebt sich der Zeitpunkt der Wintersonnenwende von Jahr zu Jahr um ungefähr sechs Stunden nach vorne. In einem Schaltjahr gibt es dann wieder einen Zeitsprung von etwa 18 Stunden zurück. So kann die Wintersonnenwende selten zwar, aber auch an einem 20. oder 23. Dezember stattfinden.
Der Zeitpunkt der Sonnenwende ist zudem nicht nur an einem bestimmten Tag, sondern zu einer genauer Uhrzeit: Eine Stunde kurz vor Mitternacht kann dann zu eier Verschiebung um einen Tag führen.
Neben diesen Schwankungen wegen der Schaltjahre und der ausfallenden Schaltjahre kommt es zu Datenschwankungen der Wintersonenwende zwischen dem 20. und 23. Dezember, durch…
Im Altnordischen jedoch bezeichnete "Jul" oder "jol" das alte, "heidnische" Wintersonnenwendfest am 21. Dezember, das wahrscheinlich
wichtigste Fest der alten Germanen. In den heutigen skandinavischen Sprachen bedeutet das Wort „Jul" soviel wie „Weihnachtsfest" .
Das Julfest , die Wintersonnenwende, galt den alten Germanen als ein "Geburtsfest der Sonne", als deren Sym-bol sie das Rad (altnordisch "jol") ansahen.
In vielen altgermanischen Gebieten wurden deshalb anläßlich des Julfestes Räder angezündet und den Abhang heruntergerollt.
Bei den alten Germanen in war das Wintersonnenwendfest "Jul" dem Gott Freyr geweiht. Freyr war der altgermanische Gott der
Fruchtbarkeit , der Ernte, des friedlichen Gedeihens und der wiederkehrenden Sonne. Als Gott der Fruchtbarkeit wurde Freyr wohl vor allem von der bäuerlichen germanischen
Bevölkerung verehrt. Als Fruchtbarkeitsgott wurde Freyr oft mit einem erigierten Phallus dargestellt.
Das Fest begann in der Nacht der Wintersonnenwende und dauerte bis zum jetzigen Dreikönigsabend (6. Januar). Aller Streit ruhte in diesen Tagen, die Götter hielten
nach germanischer Vorstellung feierliche Umzüge ab. Zum Julfest entfachte man die Julfeuer, an denen die Herdfeuer neu entzündet wurden, während der beleuchtete Tannenbaum
umtanzt wurde.
Nach der Vorstellung der alten Germanen besaß Freyr einen goldborstigen Eber , "Gullinborsti". Deshalb wurde zum Wintersonnenwendfest als Opfertier ein weißer,
junger Eber, der Juleber, geschlachtet und verzehrt. Noch heute wird in manchen Gegenden Skandinaviens zu Weihnachten das „Julbock" gegessen, ein feines Gebäck, dem ein Eberkopf oben aufgedrückt
ist!
Für das germanische Jul - Feuer anlässlisch der Wintersonnenwende – man hoffte mit diesem Feuer, die Sonne auf die Erde zurückzuholen - nutzte man traditionell
Eichenholz.
Nach der Christianisierung Skandinaviens im 10./11. Jhdt . wurde die Bezeichnung „Jul" auf das christliche Weihnachtsfest übertragen.
Schon im 14. Jhdt. wurde das Wort "Jul" für "Weihnachten" ins Mittelniederdeut-sche übernommen.
Erst im 19. Jhdt . wurde „Jul" - aus dem Schwedischen übernommen - auch im Hochdeutschen üblich, meist in Zusammensetzungen wie „Julfest", „Julmond"
etc.
Julklapp (schwedisch „julklapp" = „Weihnachtsgeschenk") ist eine traditionelle Volkssitte aus Skandinavien und Norddeutschland (v.a. aus dem
bis ins 18. Jhdt . schwedischen Vorpommern ) : ein umständlich eingewickeltes Weihnachtsgeschenk wird von einem vermummten Boten mit dem Ruf „Julklapp" ins Zimmer oder in den Hausflur
geworfen.
In vorchristlicher Zeit wurde in Russland der kürzeste Tag des Jahres „Korotschun“ genannt, zu dieser Gelegen-heit wurde die Kultgestalt Koljada
(oder Koleda) verehrt. Diese sonnengottartige Figur befreite in dieser Zeit die Sonne aus den himmlischen Gewölben und bekämpfte die bösen Geister der Finsternis. Die gläubigen Menschen
unterstützten Koljada, indem sie ihre Gesichter hinter Masken versteckten, indem Männer Frauenkleider und Frauen Männerkleider anzogen, damit die bösen Geister sie nicht erkannten und bestraften.
Auch setzten sie „… ein mit Stroh umwundenes und mit Pech beschmiertes großes Rad in Brand und trieben es über den Schnee“ (vgl. Skljarenko, S. 383, a.a.O.). Dazu wurden Lieder gesungen
wie:
„Als die Welt noch keinen Anfang genommen hatte
und es weder Erde noch Himmel gab,
weder Erde noch Himmel, sondern nur das Meer
und mitten darin zwei Eichen.
Drauf ließen sich zwei Täubchen nieder,
zwei Täubchen auf zwei kleinen Eichen.
Sie begannen Rat zu halten,
Rat zu halten und zu gurren
wie unsere Welt wohl einzurichten sei …“ (zit. n. Skljarenko, S.
383, a.a.O.).
Einst vollzog der Kaiser von China (in seiner Eigenschaft als „Sohn des Himmels“) an dem Tag der Wintersonnenwende ein als bedeutsam angesehenes
Ritual. Vollzogen wurde es in der „Halle des Erntegebets“ (Qinian Dian) in dem Himmelstempel (Tiantan) im Südosten Pekings: eine aufwendige Zeremonie, mit großem Gefolge.
Der Kaiser bat um eine gute Ernte, brachte Opfer dar. Die für die Zeremonien benötigten Gegenstände wurden in der „Halle des Erhabenen Himmels“
aufbewahrt.
Bis zum Sturz der Ching - Dynastie 1911 wurde das Ritual regelmäßig jährlich vollzogen, letztmalig 1913 durch Yuan Shikai.
Auch für die Indianer der Pueblo - Kultur spielte die Wintersonnenwende eine besonders große Rolle, so basierte zum Beispiel ihr Ritualkalender auf
dem genau erfassten Datum der Wintersonnenwende. Die Pueblo - Indianer errichteten Fenster in ihren Ritualbauten (Kiwas) [2],
die so orientiert waren, dass Lichtstrahlen genau zur Wintersonnenwende hineinfielen.
Umgekehrt gab es auch Pueblobauten, bei denen genau zur Sommersonnenwende Lichtstrahlen durch ein Portal in einer Nische fielen.
Innerhalb der NS-Ideologie spielte Jul eine wichtige Rolle.
Bereits 1936 versuchte Heinrich Himmler in einer Rede SS-Gruppenführern die Bedeutung der „germanischen Feste“, insbesondere des Julfestes nahezubringen: „Die Wintersonnenwende ist nicht nur das Jahresende, das Jul, nach dem die zwölf heiligen Rauhnächte kommen, wo das neue Jahr beginnt, sondern sie ist vor allem das Fest gewesen, an dem man der Ahnen gedachte und der Vergangenheit, an dem der Einzelne sich klar war, dass er ohne die Ahnen und ohne ihre Verehrung nichts ist, ein kleines, jederzeit wegwischbares Atom, während er ja eingegliedert, in eine wirkliche Bescheidenheit in die unendliche Kette seines Geschlechts und der Enkel alles ist“ (Heinrich Himmler, in Himmler, S. 274, a.a.O.).
Als eine Art für die SS vorgeschriebenen Jul-Ritus legte Himmler zwölf Julsprüche, bei denen jeweils eine Kerze am Julleuchter entzündet werden sollte. Beschworen wurde in den Sprüchen „Kameradschaft“, „Pflicht“, „Ehrfurcht vor den Ahnen“ und der „Kampf für die Freiheit“. Der zwölfte Julspruch galt dem „Führer“: „Wir glauben an ihn, weil er Deutschland, weil er Germanien ist“ (zit. n. Himmler, S. 274, a.a.O.).
Auch in diesem Bereich kam es zu einer langsamen „Radikalisierung“. Im Jahre 1941 schließlich feierte Himmler mit seiner Familie erstmals das „Julfest“ am 20. Dezember statt Weihnachten am 24. Dezember 1941. Himmlers Schwägerin Lydia Boden beschrieb das Fest im Hause Himmler: „Es war ganz besonders schön und feierlich in einem solchen großen Raum, wie die Halle. Schon die Tage vorher waren für die Kinder sehr geheimnisvoll und aufregend, besonders da die Halle für sie verschlossen blieb. … Eine große Edeltanne füllte das zweite Fenster fast ganz aus. Bunte Kugeln, wie rote, gelbe, blaue wechselten mit dem mannigfaltigen Christbaumschmuck. Sie galten als Sinnbilder der Farben der Sterne am Himmelszelt. Alte germanische Sinnbilder waren aus bestimmtem Teig gebacken, der Fisch, der Juleber, die drei Nornen, das Wickelkind und Wotan auf seinem Roß Sleipnir. Sehr viel Lametta hing von den Zweigen herab und die Wunderkerzen durften auch nicht fehlen. Die letzten Jahre wurden die Winterhilfsabzeichen dazu gehängt. Ihr Kinder halft schon beim Ausputzen der Tanne. Unter den vielen Kerzen leuchtete auch die blaue hervor, den Auslandsdeutschen zum Andenken angezündet. … Für alle Angestellten wurde mit in der Halle aufgebaut. … Nach dem Glockenzeichen versammelte sich alles in der Halle und unter dem Kerzenschimmer erklangen die ersten Weihnachtslieder, dann wurde jeder beschenkt. Die Kinder sagten ihre Gedichte auf, die sie auf schönen Bogen aufgeschrieben hatten. Ein jedes hatte auch ein Geschenk für die Eltern. … Das Abendessen wurde gemeinsam, von allen Hausbewohnern eingenommen. Eine urdeutsche Weihnachtsfeier“ (zit. n. Himmler, S. 273/274, a.a.O.).
„Urdeutsch“ – auch hier findet sich der typische Versuch, der eigenen Ideologie ein ehrwürdiges Alter zuzusprechen.
Deutsche Bauernregeln zum Winter lauten:
„Der Winter bleibt noch lange aus,
tummelt sich die Haselmaus“
„Gibt es Eicheln früh sehr viel,
treibt der Winter hartes Spiel“.
„Wenn die Vögel und Dachse sehr fett sind,
so gibt’s einen sehr harten Winter“
„Ziehen die Spinnen ins Gemach,
kommt gleich der Winter nach“
„Der Frost ist der beste Ackersmann“
„Dies ist ein hartes Winterzeichen,
will’s Laub nicht von den Bäumen weichen“
„Reif bei Vollmond kündigt an,
dass bald Kälte kommen kann“
„Kommen des Nordens Vögel an,
zeigt es starke Kälte an“.
„Je früher der Winter,
je eher der Lenz“
„Wenn der Eichbaum noch sein Laub behält,
so folgt im Winter strenge Kält“.
(Da kein Kalendersystem den Lauf der Erde um die Sonne präzise abbildet, ist das Datum auch der Wintersonnenwende nach dem Gregorianischen Kalender leicht veränderlich: Zwischen dem 20. und 23 Dezember, meist aber am 21. oder am 22. Dezember. Die Datumsänderungen liegen v.a.
· an den Schwankungen der Umlaufzeit der Erde um die Sonne Zwischen 365,256 363 und 365,242 190 Tagen
· dem massereichen irdischen Mond
· wegen der Schaltjahrs- und Schaltsekundenregelungen zur Justierung gegenüber dem Sonnenjahr.
In den Jahren 2014, 2015, 2019 und 2023 fällt die WSW auf den 22. Dezember, in den Jahren 2016, 2017, 2018, 2020, 2022 und 2024 auf den 21. Dezember. Erst im Jahr 2084 wird die Wintersonnenwende in Deutschland wieder am 20. Dezember stattfinden).
© Christian Meyer
[1] Solstitium kommt vom lat. „sol" = die Sonne, der Sonnengott, und „stiti" = angehalten.
[2] Die Kiwas galten als Abbild des Himmels, das Dach als die Milchstraße etc.
Die Julleuchter wurden von der SS-eigenen Porzellanmanufaktur Allach (heute ist Allach ein eingemeindeter Münchener Stadtbezirk) ausschließlich für SS-Angehörige produziert und zum Jahresende verschenkt. Über die ideologische Bedeutung des Julleuchters meinte Himmler schon im Jahre 1936: „Ich möchte, dass allmählich jede Familie eines SS-Mannes, der verheiratet ist, den Jul-Leuchter besitzt. Gerade die Frau will ja, wenn sie den Mythos der Kirche verliert, irgendetwas anderes haben, was sie und das Gemüt und Herz des Kindes ausfüllt“ (Stange, S. 36, a..a.O.).
Die Jul-Leuchter behaupteten, sich auf eine alte germanische Tradition zu beziehen, die aber historisch nicht verifizierbar ist, aus ideologischen Gründen erfunden wurde. Die Leuchter waren „… Kerzenständer aus nicht glasiertem Ton … Etwa 23 cm hoch, verjüngte sich der quadratische Hohlkörper zur Kerzenmulde, auf jeder Seite waren das sechsgeteilte Rad und darüber ein Herz ausgestanzt. Im Kerzenständer brannte als Symbol für das vergangene Jahr die alte Kerze und auf der Spitze wurde die neue Kerze zur Begrüßung des Neuen Jahres aufgesteckt“ (Stange, S. 37, a. a. O.). Die SS-Runen waren am Fuß des Leuchters als Manufakturzeichen eingraviert. Allein im Jahr 1939 wurden mehr als 52.000 Jul-Leuchter in Allach hergestellt.
(obige Abb. aus Stange, S. 36, a.a.O.)