Der muslimische Lunarkalender
In der vorislamischen Zeit galt in Arabien sehr wahrscheinlich zuerst ein reiner Mondkalender, dann im 2. Jhdt. v.d. H. wurde vermutlich ein ans Sonnenjahr gebundener Mondkalender verwendet, wahrscheinlich nach jüdischem Vorbild. Das altarabische Jahr begann im Herbst. Zum Ausgleich mit dem Sonnenjahr wurde vor dem Muharram ab und an ein zusätzlicher Schaltmonat eingeschoben. Aufgrund mangelnder astronomischer Kenntnisse scheint allerdings der Ausgleich mit dem Sonnenjahr nur mangelhaft gewesen zu sein. Zu Lebzeiten des Propheten Muhammad jedenfalls stimmten die Jahreszeiten nicht mit dem Kalender überein.
Im Koran (Sure 9, "Die Reue", 36 f.) wurde die Zahl von zwölf Monaten festgelegt.
"Nasi" (Schaltmonate, oder Personen, auf deren Autorität hin, Schaltungen vorgenommen wurden; u. U. sind die jüdischen "Nassi" der Schule von Tiberias gemeint !) galten von daher als Äußerung des Unglaubens und wurden im Jahre 10 n.d. H. von Mohammed verboten.
In Sure 10,5 wird der Mond ausdrücklich zum Zeitmesser bestimmt: "Er ist's ,der gemacht die Sonne zu einer Leuchte und den Mond zu einem Licht; und verordnet hat er ihm Wohnungen (i.e. die Mondstationen), auf daß ihr wisset die Anzahl der Jahre und die Berechnung der Zeit".
Seither gilt ein reiner ritueller Lunarkalender (der 10/11 Tage kürzer als das Sonnenjahr ist), so daß alle muslimischen Monate im Laufe der längeren Sonnenjahre in alle Jahreszeiten fallen können.
Die muslimischen Monate beginnen - wie die jüdischen - mit dem Erscheinen des "Neulichts" (ar. "Hilâl") nach dem Neumond.
Immer wieder und an verschiedensten Orten kommt es allerdings zu Streitigkeiten über die korrekten Monatsanfänge und Festtagsdaten, denn der „neue Mond“ wird auf der Erde regional an unterschiedlichen Tagen sichtbar.
Im Jahre 2010 kam es z.B. in Sansibar darüber zu einem Konflikt innerhalb der dortigen muslimischen Gemeinden. „Die Wahabiten auf Sansibar verlangen: Mekka entscheidet, der Mond über Mekka. Aber haben sich siw stolzen Sansibarer nicht immer nach ihrem eigenen Mond gerichtet?“ (vgl. Wiedemann, S. 17, a.a.O.).
Tatsächlich feierten die Muslime in Tansania deshalb das Opferfest teilweise bereits am 16., teilweise am 17. November 2010.
Das islamische Mondjahr besteht aus 12 synodischen Monaten zu je 29,5306 Tagen, d.h. pro Jahr wären es 354,3671 Tage. Weder der Monat noch das Jahr sind ganzzahlige Vielfache. Deshalb lässt man im islamischen Mondkalender Monate mit 29 und 30 sich abwechseln. Dadurch bleibt auf den Monat gesehen eine Differenz von ca. 44 min, die sich in 2,73 Jahren auf 24 Stunden summieren. Zum Ausgleich werden zusätzliche Schalttage (arab. „yaum kabs“) eingefügt und zwar inerhalb von 30 Jahren elf mal: Im 2., 5., 7., 10., 13., 16., 18., 21., 24., 26. und 29. Jahr. Alle 30 Jahre liegen die Tage des muslimischen Mondjahres bezogen auf das Gregorianische Jahr wieder am selben Tag. Dieser 30jährige Zyklus wird für Schaltungen verwendet: 19 Jahre davon sind Gemeinjahre zu 354 Tagen, 11 Jahre erweiterte Schaltjahre zu 355 Tagen. Der Schaltag wird jeweils am Ende des l2. Monats Dhu ‘l-Hidjdja als 30. Tag angehängt.
Durch die Schaltungen wird der muslimische Lunarkalender dem inkommensurablen Wert des synodischen Mondjahres angenähert.
Das nächste muslimische Schaltjahr ist das Gregorianische Jahr 2016.
Die bis heute in den meisten muslimischen Ländern geltende Jahreszählung ("Ära") beginnt mit der Hedschra, der Flucht, Auswanderung Mohammeds von Mekka nach Yathrib (Medinat al-Nabi) am Freitag, 16. Juli 622 n. Chr. Die Einführung der Hedschra-Ära erfolgte während des Kalifats Omars (634 - 644).
33 muslimische Mondjahre (11 682 d) entsprechen ungefähr 32 Sonnenjahren (11 680 d). Von daher ergeben sich annähernde Umrechnungsformeln (s.u.).
Da der lunare muslimische Kalender für die zeitliche Festlegung landwirtschaftlicher Arbeiten ungeeignet ist, verwendet man z. B. in verschiedenen Regionen des Maghreb noch aus vorislamischer Zeit den julianischen Kalender, wobei die lateinischen Monatsnamen in leicht veränderter Form erhalten blieben: "yennair, ibrair, mars, ibril, maya, yunyuh, yulyuz, ghusht, shutanbir, ktubir, nuwambir, duzambir ".
Monatsbezeichnungen im muslimischen Mondkalender:
l. Muharram: ism-i meful (Partizip der passiven Verbform) von "haram", ar. = rituell verboten, heilig, unverletzlich; in vorislamischer Zeit war die Kriegführung in diesem Monat verboten. Der Koran legt hingegen fest: "Drum.. ... bekämpfet die Götzendiener insgesamt, wie sie euch bekämpfen...(Sure 9, 36).
In vorislamischer Zeit gab es zwei Monate namens Safar; Safar I erhielt als Attribut "al-muharram", das sich allmählich zum eigentlichen Monatsnamen entwickelte.
Der 10. Muharram ist der Aschura-Tag.
2. Safar, trk. Safer: in vorislamischer Zeit bestand das erste Kalenderhalbjahr nur aus "zweimonatlichen Monaten". In manchen islamischen Regionen gilt der Safar als ein unheilbringender Monat.
3. Rabi al-auwal, trk. rebiyülevvel; "Rabi" ist wahrscheinlich ein aramäisches Fremdwort mir der Bedeutung "später Regen". Von daher erhielt das arabische "rabi", "rebiî" die Bedeutung "Frühling", "Frühjahr". Al-Biruni allerdings ordnete den Rabi-Monaten ausdrücklich den Herbst (Kharif) als ur= sprüngliche Jahreszeit zu.
Dieser Monat wird auch der große Geburtsmonat genannt, da in der Nacht vom 11./12. Rebiyülevvel der Prophet Mohammed geboren wurde (Mevlid kandili).
4. Rabi al-Akhira, trk.rebiyülhir; ar. "al-Akhira" = der letzte; wird auch der kleine Geburtsmonat genannt.
5. Djumâdâ al-auwal, trk. cemaziyelevvel: ar. "djumâdâ" = Frostmonat; beide Djumâdâ müssen im vorislamischen Sonnenjahr im Winter gelegen haben.
6. Djumâdâ al-Akhira, trk. cemaziyel ahýr
7. Radjab, trk. recep; auch während dieses Monats herrschte im vorislamischen Mekka Gottesfriede; in der Praxis aber verschoben die vorislamischen Araber oft ihre - wohl auch regional verschiedenen - vier heiligen Monate, wenn sie ihnen ungelegen kamen. Diese Praxis wurde im Koran ausdrücklich verboten (9. Sure, 37).
Der 27. Radjab ist der Überlieferung das Datum der Lailat al-Miradj, der nächtlichen Himmelsreise Mohammeds;
8. Shaban, trk. şaban: In diesem Monat werden zusätzliche, freiwillige Fasten ("nafile") durchgeführt;
Am 14. Shaban gedenken die indischen und pakistanischen Muslime ihrer Toten.
9. Ramadhan, trk. ramazan; ar.: die ar. Wurzel "r-m-d" bedeutet "sommerliche Hitze“; dieser Monat muß von daher in dem vorislamischen Sonnenjahr in den Sommer gefallen sein. Der Ramadhan kommt als einziger Monat namentlich im Koran vor, in der Bakara-Sure ("Die Kuh", 2. Sure, 179 ff.); bereits aus vorislamischer Zeit als Fastenmonat übernommen;
Der 27. Ramadhan ist die Lailat al-Kadr, in der der Koran vom Himmel herabgesandt worden sein soll.
10. Shawwâl, trk. Þevval; wár in vorislamischer Zeit einer der heiligen Monate, in denen man ohne Überfallsgefahr reisen konnte; er trägt den Beinamen "al-mukarram" = der geehrte;
11. Dhu '1-Ka'da, trk. Zilkâde; ar. "Eigentümer des Gottesfriedens" (dhu = "Herr, Eigentümer")
12. Dhu ‘l-Hidjdja, trk. Zilhicce; "Eigentümer der Wallfahrt"; traditioneller Monat der Hadj, der Wallfahrt nach Mekka; die Hadj war bereits in vorislamischer Zeit mit einer Messe/einem Jahrmarkt in Mekka verbunden und mußte deshalb jahreszeitlich festgelegt sein. Der Schalttag wird jeweils diesem letzten Monat hinzugefügt.
© Christian Meyer
Umrechnungsformeln: C= Gregorianisches Jahr; H = Jhar nach der Hedschra
Das Gregorianische (christliche) Jahr 1990 entspricht 1410/1411 n. d. H.