Koptischer Kalender für das Gregorianische Jahr 2020, hrsg. von der koptischen Diözese Assuan/Oberägypten (Photo: Christian Meyer)
Auf dem großen Photo dargestellt sind Jesus, der das Haupt des vor 13 Jahren verstorbenen Bischofs von Assuan, Armija Zati, küsst. Die arabische Überschrift beinhaltet, dass der Kalender dem Gedächtnis des Verstorbenen gewidmet ist.
Oben links ist der Hl. Michael dargestellt, der Patron der Kathedrale von Assuan. Oben rechts sieht man Maria mit dem Jesuskind und kleinen Engeln.
Darunter sind in (ostarabischen) Ziffern die Jahresdaten 1736/37 („nach der Märtyrerzählung“) und die Gregorianische Jahreszahl 2020 („nach der Geburt Gottes“) aufgeführt.
Für uns originell ist die Schreibweise bzw. Schreibrichtung: Die ostarabischen Zahlen werden - genau wie unsere westarabischen Zahlen – von links nach rechts geschrieben und gelesen.
Der zweite Teil des koptischen Jahres, die 37, wird dann aber entsprechend der generellen arabischen Schreib- und Leserichtung links daneben gesetzt, aber wieder von links nach rechts geschrieben:
37/1736 = ٣٧/١٧٣٦
Ganz unten findet man das Kalendarium des Jahres, nach dem Gregorianischen Kalender mit vom Lateinischen abgeleiteten Monatsnamen, nicht den unten aufgeführten koptischen Monatsnamen.
Im Kalendarium des 9. Monats, des Septembers findet sich am 11.Tag der arabische Hinweis, dies sei der "ras al-sana". der "Kopf des Jahres", der Neujahrstag.
Koptischer Kalender
Der Koptischen Kalender (C.C. = „Coptic Calendar“) der christlichen Minderheit in Ägypten ist eine frühe, julianische Form des Sonnenkalenders und hat viele Dinge mit dem Kalender in Äthiopien (und Eritrea) sowie auch dem alt–armenischen Kalender gemeinsam. Alle diese Kalender sind Abkömmlinge des alt–ägyptischen Sonnenkalenders. Der koptische Kalender zählt damit zu den ältesten (nach Reformen) noch verwendeten Kalendersystemen der Welt.
Das koptische Jahr mit 365 Tagen wird in 12 Monate zu dreißig Tagen und einen 13. Monat mit 5 oder 6 Tagen (in Schaltjahren) am Ende des Jahres unterteilt.
Das Koptische Neujahr fällt – wie das äthiopische – auf den (gregorianischen) 11. September, oder wenn das folgende Jahr ein Schaltjahr ist, auf den 12. September.
Der gregorianische 12. September 2015 entspricht von daher dem 1. Thot des koptischen Schaltjahres 1732 A. M. (Anno Martyrum ≙ im Jahre der Märtyrer). Das koptische Neujahsfest heißt Nairuz (ʿīd an-nairūz) und fällt auf den ersten Tag des ersten Monats Thot.
Nach dem julianischen Kalender fällt das koptische Neujahr immer auf den 29. August oder den 30. August vor einem Schaltjahr.
Einige der heutigen koptischen Monatsnamen gehen direkt auf altägyptische Monatsnamen zurück, wobei einige Monate den Platz in der Monatsabfolge geändert haben. Der Monat Thot war z.B. auch im alten Ägypten der erste Monat des Jahres, der 1. Tag des Thot der Neujahrstag.
Koptischer Monatsname |
Monatsbeginn |
Tout – Thot – der Monat des Thot |
11. Sept |
Baba – Paopi - der Monat der Ipet |
11 Okt |
Hator – Hathor – der Monat der Hathor |
10. Nov |
Kiahk - Koiak |
10. Dez |
Toba - Tobi |
9 Jan |
Amshir - Meschir |
8. Feb |
Baramhat – Paremhat – Monat des Amenhotep |
10. Mär |
Baramouda – Paremoude – Monat der Renenutet |
9. Apr |
Bashans – Paschons |
9. Mai |
Paona – Paoni – Monat des Tales |
9. Juni |
Epep – Epip |
8. Juli |
Mesra – Mesori – Monat der Geburt Res |
7. Aug |
Nasie - Pi Kogi Enavot – Tage zwischen den Jahren |
6. Sep |
Die Jahreszählung des koptischen Kalenders folgt der Ära Kaiser Diokletians, auch Diokletianische Ära (≙ Anno Diocletiani, AD). Die Ära beginnt – wie damals im Römischen Reich üblich - am (julianischen) 29. August 284 n. Chr., dem Jahr der Thronbesteigung Diokletians. Unter Kaiser Diokletian fanden die letzten römischen Christenverfolgungen statt. Nach der (freiwilligen) Abdankung (der einzigen eines römischen Kaisers) Diokletians im Jahre 305 wurde die Jahreszählung im Reich fortgesetzt: Nach Einführung des Christentums wurde die Ära aber nicht mehr nach ihm benannt, sondern nach seinen Opfern, „Ära der Märtyrer“ (άπό τών ματύρων ≙ seit den Märtyrern). Im 5.-7. Jhdt. wurde sie in den koptischen Kalender übernommen.
Das Gregorianische Jahr 2019 entsprach dem Jahr 1735/36 nach der koptischen Diokletian-Ära, der „Märtyrer-Ära“ (≙ Anno Martyrum, A.M.)
Jedes vierte Jahr des koptischen Kalenders ist ein Schaltjahr, das erste Schaltjahr war das Jahr 3 A.M. (286/287 n. Chr.). Die Koptischen Schaltjahre folgen der gleichen Schaltungsregel wie die Julianischen Schaltjahre: Jedes ohne Rest durch 4 teilbare Jahr ist ein Schaltjahr, außer den Jahren, die genau durch 100 teilbar sind. Die Gregorianische Zusatzregel, dass volle Jahrhunderte nur dann Schaltjahre sind, wenn sie sich genau durch 400 dividieren lassen, gilt beim koptischen Kalender nicht.
Die Koptische Kirche – und damit auch der besondere Koptische Kalender – sind ein langfristiges Resultat des (vierten) Allgemeinen Konzils von Chalkedon (dem heutigen Istanbuler Stadtteil Kadiköy) im Jahre 451. Das Konzil befasste sich u.a. mit der strittigen Frage nach der Natur Christi (christologischen Streit). Die Mehrheit der Konzilsväter entschied sich für die „Zwei-Naturen-Lehre": „Wahrer Gott vom wahren Gott – wahrer Mensch vom wahren Menschen." In der Folge kam es zum ersten dauerhaften Schisma (Kirchenspaltung) der Kirchengeschichte.
Die (Mehrheit der) Christen in Ägypten, Armenien und Teile der syrischen Kirche akzeptierten die chalkedonische Formel jedoch nicht, sie betonten demgegenüber die Einheit der menschlichen und der göttlichen Natur Christi. Diese Vorstellung von einer Natur wurde Monophysitismus genannt. In der Folge schlossen sich die Kopten auch nicht den westlich-christlichen Jahreszählungen an.
© Christian Meyer