21. Juli
Russisch–orthodoxes Fest der Erscheinung der „Gottesmutter von Kasan“ (Явление иконы пресвятой богородицы во граде Казани), heute wieder ein Feiertag in vielen Regionen Russlands.
Das Fest bezieht sich auf eine der in Russland am intensivsten verehrte, angeblich wundertätige Ikone , die „Kasanskaja“ – Gottesmutter [1].
Um 1550 soll die Ikone durch ein Wunder in der Stadt Kasan [2] aufgefunden worden sein: Dem jungen Mädchen Matjora erschien die Gottesmutter im Traum und wies darauf hin, dass eine wundertätige Ikone unter den Trümmern eines bestimmten verbrannten Hauses in Kasan aufzufinden sei. Tatsächlich fand man dort wundersamerweise die unversehrte Ikone, die nach der Stadt ihrer Auffindung „Kasaner Muttergottes“ genannt wurde. Der Tradition nach war der 21. Juli (der 8. Juli nach dem alten Stil) der Tag der Auffindung der Ikone. Zar Iwan IV. (Grosny, „der Schreckliche“) ließ eine erste Kopie der Ikone anfertigen, der eine Unzahl weiterer Kopien folgten. Auch die Kopien wurden zum Teil als wundertätig angesehen.
Im Jahre 1552 (nach der Eroberung durch die Moskowiter) wurde innerhalb des Kasaner Kreml die Kathedrale der „Verkündigung Mariä“ gegründet, in der die als wundertätig angesehene Ikone aufbewahrt wurde. In dem angeschlossenen Nonnenkloster wurde Matjora Äbtissin. Im Jahre 1936 wurde das Kloster gesprengt.
Durch die Mithilfe der Ikone sollen nicht nur die polnischen Invasoren verjagt (vgl. dazu 4. November, russ.–orth. Fest der „Gottesmutter von Kasan“), sondern auch Napoleons „Grande armée“ soll 1812 durch die Hilfe der Ikone vertrieben worden sein.
Zum Dank für die Mithilfe der Kasaner Gottesmutter wurde ihr … am Moskauer Roten Platz eine Kirche errichtet. Diese Kirche wurde in den 30er Jahren des 20. Jhdts. gesprengt und 1995 wiederaufgebaut.
Auch die Kasaner Kathedrale [3] am Newski–Prospekt in St. Petersburg ist der Gottesmutter von Kasan geweiht. 1821 wurde die Originalikone der Gottesmutter von Kasan in die gleichnamige Kathedrale in St. Petersburg überführt.
Eine Kopie der „Kasaner Muttergottes“ vom Ende des 18. Jhdt. befindet sich heute in der Eremitage zu St. Petersburg (vgl. Abb. unten).
Im 19. Jhdt. soll es in Russland allein von dieser Ikone 8 wundertätige Kopien gegeben haben [4] .
Während der Revolution 1904/05 ging die Kasaner Original–Ikone verloren und ist bis heute verschollen [5]. Nach Gerüchten sollen die (altgläubigen) Raskolniki die Ikone entführt und versteckt haben, nach anderen Gerüchten soll die „Kasaner Muttergottes“ im Vatikan aufbewahrt werden.
Heute findet (u.a.) auch in Kasan an dem Festtag wieder eine große Prozession statt, mit einer ebenfalls als heilig angesehenen Kopie der Ikone zu dem Fundort, heute auf dem Hof einer Fabrik. Geplant ist, auch an dem Fundort wieder eine Kirche zu errichten.
(unveränderlich, nach dem Gregorianischen Kalender am 21. Juli, am 8. Juli nach dem alten Stil)
© Christian Meyer
[1] Die russisch – orthodoxe Tradition unterscheidet insgesamt 197 verschiedene Varianten von Muttergottes – Ikonen, alle sind nach den Orten der Aufbewahrung benannt und alle haben ihren Feiertag im russischen Kirchenkalender.
Der südafrikanische Romancier J.M. Coetzee (* 1940) beschreibt in seinem fiktiv – biographischen Dostojewski – Roman „Der Meister von Petersburg“ die altrussische Legende von der „Pilgerfahrt der Muttergottes“, die den tiefen Glauben an die Wirksamkeit der Fürbitte Marias verdeutlicht: „Am Tag nach dem jüngsten Tag, wenn alles entschieden ist und die Pforten der Hölle versiegelt sind, wird die Muttergottes von ihrem Thron im Himmel herabsteigen und eine Pilgerfahrt zur Hölle antreten, um für die Verdammten zu bitten. Sie wird niederknien und nicht wieder aufstehen wollen, ehe Gott nicht umgestimmt und allen vergeben worden ist, sogar den Lästerern und den Atheisten“ (Coetzee, S. 207, a.a.O.).
[3] Die Kasaner Kathedrale wurde – in Anlehnung an die römische Peterskirche – unter Zar Alexander I. von 1802 – 11 am Newski –Prospekt in St. Petersburg errichtet. In sowjetischer Zeit wurde die die Kirche in ein Museum für Atheismus umgewandelt. Heute „arbeitet“ die Kasaner Kathedrale wieder.
[4] Iwan Sergejewitsch Turgenjew (1818 – 1883) beschreibt in seinem 1857/58 geschriebenen Roman „Das Adelsnest“ (er spielt 1842) einen orthodoxen Abendgottesdienst in einem adligen Haus in der russischen Provinzstadt O.: Vor den Ikonen werden Wachskerzen aufgestellt. Nicht zugegen war allerdings „… das wundertätige Muttergottesbild…., (das) ….. dreißig Werst weiter zu einem Kranken gebracht worden“ war (vgl. Turgenjew, 1954, S. 130, a.a.O.).