Imam Ali
Imam Ali

 Imam Ali (Abb. aus www.kuwait.net/~akar); diese Darstellung entspricht weitgehend der stereotypisierten Darstellungsart, die sich im Laufe der Jahrhunderte vor allem im Iran herausbildete. Die ältesten Abbildungen dieses Typs stammen aus der Safawiden-Zeit (seit dem 16. Jhdt.). Frühere Abbildungen zeigen Ali auch mit einem verschleierten Gesicht. Zu den stereotypen Elementen dieser Darstellungen gehören das grüne Tuch, der Vollbart, die schöne, ernste Männlichkeit, der Blick in die Ferne, die entschlossene Traurigkeit im Wissen um das Martyrium. Zu den verwendeten Attributen Alis gehören das Schwert Zülfikar und der Löwe. Ali-Bilder (auch von Hussein und anderen Imamen) gehören in allen schiitischen Regionen auch des Irak, des Libanon und des Jemen zum Alltagsleben, sie sind eine Art sichtbares Zeichen einer schiitischen Identität. Ganz Ähnliches gilt auch für die anatolischen Alewiten, bei denen auch Haci Bektas Veli zu den häufig abgebildeten Personen gehört.   

Sogar Abziehbilder gibt es von diesem Darstellungstyp. Ich erwarb in Teheran 1971 Abziehbilder dieser Art (vgl. Geburt Husseins).    

 

Geburt Imam Alis , islamischer Gedenktag (um das Jahr 598 n. Chr.)

 

Ali ibn Abī Tālib, der Vetter und Schwiegersohn des Propheten Muhammad war in der Sicht der Sunniten der vierte und letzte der „rechtgeleiteten Kalifen“ und regierte von 656 bis 661. Den Schiiten gilt Ali als heilig und unfehlbar, als der erste „Al-Amir Al-Mu'minin“, erster Imam.

Nach einer schiitischen Überlieferung soll der Imam Ali ibn Abu Talib im Jahre 600 in der Kaaba geboren worden sein, als einziger Mensch überhaupt, als Zeichen Gottes für die besondere Position Alis.

Alis Mutter, Fatima bint Asad, so wird erzählt, kam kurz vor der Geburt zur Kaaba, um zu beten. Als sie vor dem Gebäude betete, geschah ein Wunder: in der Wand der verschlossenen Kaaba bildete sich plötzlich an der jemenitischen Ecke (der südöstlichen Ecke) ein Spalt [1], durch den sie in das Gebäude eintrat. Hinter ihr schloss sich der Spalt in der Wand wieder. Die Kunde von dem Wunder verbreitete sich durch Zeugen rasch in der ganzen Stadt Mekka. Da das Tor der Kaaba von innen verschlossen war, konnte niemand hinein.

Fatima bint Asad blieb drei Tage in der Kaaba. Am vierten Tag aber trat sie wunderbarerweise mit dem kleinen Ali auf dem Arm aus der Kaaba heraus. Der Säugling Ali soll jedoch erstmals seine Augen geöffnet haben, als der Prophet Muhammad, der erwartungsvoll vor der Kaaba stand, ihn auf den Arm nahm: so war das Gesicht des Propheten das erste, was Ali auf dieses Welt sah.

Im zarten Alter von ca. 10 Jahren wurde Ali einer der ersten Muslime überhaupt. Nach Ibn Ishaq war Ali der „… erste Mann, der an den Propheten und seine göttliche Botschaft glaubte und mit ihm zusammen betete“ (Ishaq, S. 49, a.a.O.). 

Später, nach dem Beginn der Offenbarungen des Propheten, soll Ali oft die Verse des Korans aufgeschrieben [2] und mit dem Propheten diskutiert haben.

Der Überlieferung nach spielte Ali auch bei der Hedschra eine besondere Rolle, denn wegen der drohenden Attentate auf den Propheten bat dieser Ali, „…. in seinem Bett zu schlafen und sich, wie er es selbst zu tun gewohnt war, völlig mit seinem grünen Hadramaut–Mantel zuzudecken; es würde ihm nichts Schlimmes geschehen….“ (Ishaq, S. 103, a.a.O.). Erst am Morgen – als der Prophet bereits fort war – bemerkten die Feinde die Täuschung.  

 

Kurz nach der Hedschra 622 heiratete Ali Fatima, die Tochter des Propheten, die ihm die Söhne Hasan und Hussein (vgl. Aschura – Fest) gebar: nur sie führten (in männlicher Linie) die Familie des Propehten Muhammad weiter. Ali hatte neun Frauen, solange allerdings Fatima bint Muhammad (+ 633) lebte, heiratete er keine weitere Frau.

Später erklärte Ali nach der schiitischen Überlieferung (in dem Buch „Nahjul Balagha“ [3]), dass der Prophet ihn als Kind oft in seinen Armen gehalten und ihn mit seinen eigenen Bissen gefüttert habe. Er sei dem Propheten gefolgt, wie ein junges Kamel seiner Mutter folge. Jeden Tag habe er weitere bewundernswerte Charakterzüge des Propheten Muhammad entdeckt und habe ihm in jeder Hinsicht gehorcht. Nach schiitischer Überlieferung sagte der Prophet über Ali:

„O Ali, Du bist mein Bruder in dieser und der anderen Welt“

„Ich bin die Stadt des Wissens und Ali ist die Pforte“

„Niemand kennt Allah, außer mir und Ali. Niemand kennt Ali, außer Allah und mir.

 Niemand kennt mich, außer Allah und Ali“

„Wenn Du das Wissen von Adam sehen willst, die Frömmigkeit von Noah, die Andacht von Abraham, die Ehrfurcht von Mose und die Güte und Andacht von Jesus, dann blicke in das klare Antlitz von Ali“. 

 

Ali gehörte zu den zehn gläubigen Muslimen, denen der Prophet schon zu Lebzeiten das Paradies verheißen hatte. Franz Georg Maier charakterisiert den Kalifen Ali, „… den die Nachwelt als Verkörperung arabischen Rittertums feierte, der aber bei aller persönlichen Tapferkeit entschlusslos und unpolitisch war …“ (Maier, S. 273/274, a.a.O.). 

 

Kurz vor seinem Tode soll der Prophet Muhammad am 18. Du l’hijja  - in schiitischer Sicht - seinen Cousin und Schwiegersohn Ali zu seinem Nachfolger designiert haben [4] .  Der Prophet soll vor der Menge der Gläubigen auf der Rückreise von der Abschiedswallfahrt bei Gadir Humm („Wassertümpel, -brunnen von Humm“, ein Lagerplatz zwischen Mekka und Medina) , die Hand Alis in seiner Rechten gefragt haben, ob er die höchste Autorität (aula) darstelle. Als die Menge der Gläubigen dies bejahte, erklärte der Prophet: „Jeder dessen Schutzherr (maula) ich bin, hat auch Ali zum Schutzherrn. Oh Gott, sei dem ein Freund (wali), der auch sein Freund ist, und dem ein Feind, der auch sein Feind ist“ (zit. n. Richard, S. 21/22, a.a.O.).

Diese Hadith wird auch von den Sunniten akzeptiert, jedoch nicht als Nachfolge-Regelung interpretiert. In der Sicht der Schia (arab. „Partei“, die Partei Alis) wird das Ereignis von Gadir Humm in einen direkten Zusammenhang mit Sure V, 5 gebracht, wo es heißt: „Heute habe ich euch vollendet euern Glauben und habe erfüllt an euch meine Gnade, und es ist mein Wille, dass der Islam euer Glaube ist“ (vgl. Koran, in der Übersetzung von Max Henning, S. 112, a.a.O.). 

 

Die Partei Alis (Schiat Ali) wurde zur Hauptspaltung der Muslime in Schiiten und Sunniten. Von den Schiiten und Alewiten wird Ali als erster rechtmäßiger Nachfolger des Propheten angesehen. Nach der Lehre der Shia wird Ali als der „Freund Gottes“ verehrt, z.T. wird er sogar mit der Gottheit selbst identifiziert.

Er gilt als tapfer und treu im Glauben, wird gleichzeitig als Imam, Krieger, Heiliger und Dichter verehrt. 

In vielen Legenden werden seine körperliche Stärke, seine kriegerischen Taten mit dem Wunderschwert „Du l’Faqār“ (trk. Zülfükar [5] ) und seiner wohltätigen Wunder (karamāt) geschildert. Vor allem in schiitischen und alevitischen Regionen sind diese Legenden bis heute sehr populär.

Vielen anatolischen Aleviten gilt Ali als der eigentliche Mittler zwischen Gott und den Gläubigen, für die sich auch seine beiden Söhne, Hasan und Hussein (vgl. Aschura-Tag) geopfert hätten. Auch ein Distichon der Bektaşi unterstreicht dies:

                                    "Muhammad ist die Kammer,

                                     Ali ist die Schwelle"

                                                                  (vgl. Chevalier, S. 572, a.a.O.).

Das Verbot unter vielen Aleviten, Hasenfleisch zu essen, wird damit erklärt, dass der Hase eine Art Reinkarnation Alis sei.

Im Iran und anderen schiitischen Regionen treffen sich Gläubige zu Alis Geburtstag oft, um im Hause eines Freundes gemeinsam bis mitternachts zu beten: „Ein Vorsänger trägt Litaneien zu Ehren des Imams vor, die von allen wiederholt werden; anschließend fordert ein Prediger die Anwesenden auf, die begangenen Sünden zu bereuen und über das Vorbild der Imame und des Propheten zu meditieren“ (Richard, S. 83, a.a.O.).

 

Ali werden vielerlei Abenteuer in allerlei Ländern zugeschrieben, die der historische Ali sicher nie betreten hat, so z.B. in Afghanistan (vgl. auch  Newroz). Dort gibt es sogar einen Wallfahrtsort für Ali, die sieben Seen der Seenkette von Band–e– Amir (pers. „Stau-Damm des Befehlshabers“), mit tiefblauem bis türkisem Wasser, weißem Sand in ca.. 2900m Höhe, in Zentralafghanistan am Hindukusch gelegen, westlich der Überreste der berühmten zerstörten Buddhas von Bamiyan, mitten im wüstenhaften Inneren Afghanistans.

Die sieben Seen entstanden (ähnlich den Plitvicer Seen im heutigen Kroatien) durch die Aufstauung des Wassers an natürlich entstandenen Travertindämmen. Die einzelnen Seen (und die Travertindämme) heißen:

  • Band-e Haibat (= „See/Damm des Zornes“)
  • Band-e Zulfikar (= „See/Damm Zulfikars“, des doppelspitzigen Krummschwertes Alis)
  • Band-e Qanbar (= „See/Damm des Qanbar / Kambar“)
  • Band-e Panir (= „See/Damm des Käses“)
  • Band-e Gholaman (= „See/Damm der Sklaven“)
  • Band-e Pudina (= „See/Damm der Minze“)
  • Kassa Band ( = Schüsselsee bzw. Kesselsee)

Viele Muslime in der Region glauben, dass Ali eigenhändig die Seen geschaffen habe. Die lokale Entstehungslegende besagt, dass Ali nach des Propheten Tod und dem Kalifat Abu Bakrs 632 ins Exil musste – er sei so mit seinem getreuen Diener Kambar u.a. nach Afghanistan gekommen. Im Tal von Band-e Amir wollte ein böser, „heidnischer“ Fürst beide gefangen nehmen, sie entkamen aber in die Berge. Zornig stieß Ali einen Felsbrocken hinab auf die Verfolger, - er löste damit einen Erdrutsch aus, der den Fluss im Tal aufstaute und so den Band-e Haibat – See des Zorns - bildete.  Nun schlug Ali mit seinem Schwert Zulfikar weitere Felsbrocken los, es entstand der Band-e Zulfikar. Auf einen Wink Alis hin schuf Kambar den nächsten See, den Band-e Kambar. Nun warf Ali einige Käselaibe, die ihm Frauen der Gegend bereitet hatten, in den Fluss – es entstand der Band-e Panir. Von Ali und kambar befreite Sklaven hätten den Band-e Gholaman geschaffen, und  die Talsperre Band-e Pudina  hääte sich gebildet, als Ali frische Pfefferminze in den Fluss geworfen habe.

Tausende von Gläubigen jährlich unternehmen Wallfahrten an die Seen und bauen dort ihre Zelte auf (vgl. Coelho, S. 42, a.a.O.).

Nahe dem Hauptsee Band-e Haibat wurde zu Beginn des 20. Jhdts. ein Ali – Schrein errichtet: er heißt „Qadamjoy Shah-i-Aulia“, d.h. der „Platz an dem Shah-i-Aulia stand“; Shah-i-Aulia = König der Heiligen ist einer der vielen Ehrennamen Alis.  

Im Jahre 2008 verbot die afghanische Regierung das Befahren der Seen mit Motorbooten. Seit 2009 sind die Seen der erste Nationalpark Afghanistans.

Der berühmte 1975 gedrehte Film „Dharmatma” von Feroz Khan and Hema Malini wurde in der Region von Band-e Amir gedreht.

In Mazar-e Scharif gibt es sogar eine vielbesuchte Wallfahrtsstätte, die dort als das Grab Alis gilt (vgl. Ermordung Alis).

 

(variabel nach dem muslimischen Mondkalender, hier angegeben jeweils am 8. Tag des 5. Mondmonats, Dschumada  I.; im gregorianischen Jahr 2020 findet auf Grund der Kürze des Mondjahres das Fest Alis Geburt zweimal statt. am 4. Januar und am 23. Dezember 2020. 

Andere Muslime – z.B. in der Türkei feiern die Geburt Alis am 26. Tag des Mondmonats Cemâziyelevvel oder auch am Newroz – Tag, nach dem Gregorianischen Kalender am 20./21. März; viele iranische Schiiten feiern Alis Geburt am 13. Tag des Radschab, seinen Tod am 21. Tag des Ramadan )


© Christian Meyer



[1] An jedem 13. Radschab (dem angenommenen Geburtstag Alis) soll sich wundersamerweise erneut in der südöstlichen Kaaba-Ecke (der Rukn Yamani) ein dünner Riss in der Kaaba-Wand bilden, aus dem ein wohlriechender Duft austritt, der ansonsten nirgendwo in der Kaaba bemerkbar ist. der Riss und die jemenitische Ecke der Kaaba werden von vielen schiitischen Pilgern hochverehrt. Viele Sunniten leugnen schon die pure Existenz des Risses.

[2] John Wansbrough stellte 1977 die These auf, dass der Koran nicht zur Zeit des Kalifen Osman (644 - 656) sondern erst deutlich später zu dem heute bekannten Werk zusammengestellt worden (vgl. Busse, S. 6, a.a.O.).  

[3] Das von Schiiten hochverehrte „Nahjul Balagha“ (“Der Gipfel der Beredsamkeit”) ist eine von Sayyid Radi Bagdadi (+ ca. 1015) zusammengestellte  Sammlung von Predigten, Briefen,Aussprüchen und Maximen Alis. Sie bezeugen beträchtliche literarische Fähigkeiten Alis.

[4] Schiiten feiern dies Ereignis alljährlich mit dem  Id al-Gadir Humm ("Fest des Teiches Humm"), jeweils am 18. Du l’hijja.

[5] In der Reliquien – Abteilung des Topkapı–Museums zu Istanbul wird u.a. ein (angebliches) Schwert Alis aufbewahrt. Zulfikar, türk. Zülfükar, das doppelspitzige Schwert Alis, ist heute das weit verbreitete Symbol eines neuen Selbstbewusstseins der alevitischen Jugendlichen in der europäischen Diaspora.

Imam Ali
Imam Ali

Ali, im Vordergrund das Schwert Zülfükar; der Kronenkranich ist Träger einer vielfachen Symbolik; der weiße Zugvogel mit dem roten bekrönten Kopf und seinen auffälligen Tänzen gilt vielfach als Symbol für Langlebigkeit, Unsterblichkeit, für Treue, Reinheit, Lebens- und Urteilskraft sowie für Schönheit (vgl. Chevalier, S. 488 f., a.a.O.; Abb. aus Föderation der Aleviten, S. 75, a.a.O.).

 

Abb. oben: Alevitische Postkarte aus der Türkei; dargestellt sind die drei Imame Ali, Hassan und Hüssein sowie Kamber (auch: Qambar, Qanbar), ein treuer iranischer Gefährte Alis. Als Attribute Alis sind sein Schwert Zülfükar und der Löwe abgebildet.