Gedächtnismahl der Zeugen Jehovas
Die heutigen „Zeugen Jehovas“ gehören zu den ältesten der „neuen Religionen“. Von der Religionsgemeinschaft werden einzig Rituale, die sich direkt aus der Bibel ableiten lassen, die Jesus selbst (vermutlich) vollzogen hat, beachtet. Feste wie Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Konfirmation / Firmung oder Geburtstag / Namenstag werden deshalb von den Zeugen Jehovas abgelehnt.
So haben die Zeugen Jehovas nur zwei wichtige Zeremonien, die Taufe und das Gedächtnismahl.
Bei dem alljährlichen Gedächtnismahl, das der Höhepunkt des Jahres ist, wird eine Ansprache gehalten, anschließend ein Teller mit ungesäuertem, gebrochenen Brot durch die Reihen der Gläubigen, von einem Teilnehmer zum anderen gereicht. Das gleiche geschieht auch mit einem Kelch voller Wein. Das ungesäuerte Brot und der Rotwein gelten den Zeugen Jehovas als Symbole des sündlosen Leibes und des Blutes Jesu. Abgelehnt wird die (katholische) Transsubstantiationslehre, nach der es sich bei Brot und Wein tatsächlich um Leib und Blut Jesu handele.
Von dem symbolischen ungesäuerten Brot und Wein isst und trinkt allerdings nur eine kleine Minderheit der Gemeindemitglieder. Nach Auffassung der Zeugen Jehovas gab es immer und zu allen Zeit weltweit nur 144000 „Gesalbte", die Hoffnung auf einen direkten Eingang ins himmlische Paradies haben dürfen. Diese 144 000 Gerechten sollen beim Wiedererscheinen Christi entrückt werden, dann über die Erde und die große „Volksmenge“ der getreuen Zeugen Jehovas in paradiesischen Zuständen herrschen (vgl. Tröger S. 244, a.a.O.).
Von diesen Privilegierten [1] leben zurzeit auf der Welt ca. 8.700 Personen, in Deutschland ungefähr 200. Von daher sind die allermeisten Anwesenden des Gedächtnismahles lediglich Beobachter und geben den Teller mit dem Brot einfach weiter.
Jedoch wird die Zahl der Teilnehmer am dem Gedächtnismahl genau erfasst: Nach eigenen Angaben der Zeugen Jehovas nahmen im Jahr 2003 in Deutschland 281 149 Gläubige am Gedächtnismahl teil, weltweit waren es in 253 Ländern 16 097 622 Gläubige.
Die Zeugen Jehovas – eine christlich-chiliastische Religionsgemeinschaft - wurden im ausgehenden 19. Jahrhundert in den USA durch den Kaufmann Charles Taze Russell (1852 – 1916) gegründet. Russell gründete 1874 die Missionszeitschrift „Wachturm“ [2], die heute in 35 Sprachen erscheint und errechnete aus der Bibel (angebliche) Wiederkunftstermine Christi (zuerst 1914). In der Folge kam es mehrfach zu Krisen und Spaltungen in der religiösen Bewegung, die jedoch quantitativ weiter anwuchs.
Erst seit 1931 wird die Bezeichnung „Jehovas Zeugen“ benutzt. Zuvor nannten sie sich „Ernste Bibelforscher“ oder „Internationale Bibelforschervereinigung“.
Wegen ihrer „politischen Neutralität“ und „spirituellen Staatenlosigkeit“ (vgl. Tröger, S. 242, a.a.O.) wurden sie mehrfach von Staaten verboten, so im faschistischen Italien 1932 und in Deutschland 1933. Von den Nationalsozialisten [3] wie auch in der DDR wurden die Zeugen Jehovas verfolgt.
Von den 1933 ca. 25.000 deutschen Zeugen Jehovas wurden etwa 10.000 inhaftiert. Etwa 2 000 deutsche und etwa 1.000 ausländische „Bibelforscher“ (violette Winkel) kamen in verschiedene Lager, 1.200 von ihnen kamen dort ums Leben. Ca. 250 Zeugen Jehovas wurden wegen Kriegsdienstverweigerung hingerichtet.
Die Organisation der Gemeinden ist bis heute straff, zentralistisch geleitet, sie erscheint als eine Art Verkündigungsunternehmen. Die Glaubensgemeinschaft wird zwar oft als Sekte bezeichnet, erfüllt nach Auffassung der Bundesverwaltungsgerichts Leipzig jedoch die Kriterien einer Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Die Zeugen Jehovas grenzen sich streng von allen anderen christlichen Gemeinschaften ab. Bekannt ist ihre intensive Mission (mit den Zeitschriften „Der Wachtturm“ und „Erwachet!“), die Ablehnung von Blutgenuss und Bluttransfusionen sowie die Verweigerung des Militärdienstes.
Die anderen christlichen Kirchen gelten den Zeugen Jehovas als satanische Organisationen, zu denen keine Kontakte bestehen dürfen.
Eine Reihe von theologischen und christologischen Besonderheiten ist für die Zeugen Jehovas charakteristisch. Die Zeugen Jehovas lehnen die Lehren sowohl von der Unsterblichkeit der Seele als auch der Dreifaltigkeit ab. Nach der Lehre der Zeugen Jehovas ist Jesus zwar Sohn Gottes, aber eben von ihm erschaffen, ein Geschöpf Gottes, zwar „wesensähnlich“, aber „unter“ Gott stehend. Auch der heilige Geist wird als keine eigenständige Person innerhalb einer Trinität angesehen, vielmehr sei er die von Gott ausgehende Kraft. Nach der Auffassung der Zeugen Jehovas gibt es keine einzige Bibelstelle, die auf einen dreieinigen Gott [4] schließen lasse.
Die Ablehnung der Dreieinigkeitslehre unterscheidet die Zeugen Jehovas von den allermeisten anderen christlichen Glaubensgemeinschaften [5] . Konsequent erfolgt die Taufe bei den Zeugen Jehovas ohne die trinitarische Formel.
Nach Auffassung der Zeugen Jehovas starb Jesus nicht an einem Kreuz, sondern an einem Pfahl (gr. „xylon“ bzw. „stauros“ bedeutet Pfahl, Balken, Stamm, Holz oder Baum). Dem Kreuz käme deshalb auch keine symbolische Bedeutung zu.
Zudem sei die Auferstehung Jesu nicht leibhaftig erfolgt; sein menschlicher Leib sei Ostern zerstört worden, Jesus mit einem immateriellen „geistigen Leib“ auferstanden. In dieser Gestalt sei Jesus als „Geistperson“ mit dem Erzengel Michael gleichzusetzten, eine Sonderlehre der Zeugen Jehovas, die ansonsten wohl bei keiner anderen christlichen Gruppierung existiert.
Evolutionsvorstellungen werden als falsch abgelehnt, da die Bibel ausdrücklich von einer Schöpfung spricht. Die Zeugen Jehovas legen sich jedoch (heute nicht mehr) auf konkrete Zahlen über das Alter der Welt fest. Sie zählen zu den „Alte-Erde-Kreationisten“, da sie einräumen, dass Universum und Erde Milliarden Jahre alt sein können.
Im Jahre 2005 gab es weltweit ca. 6,6 Millionen aktive Mitglieder der Zeugen Jehovas, davon ca. 165.000 in Deutschland, 20.000 in Österreich und etwa 18.000 in der Schweiz.
Die deutsche Verwaltung der Gemeinschaft („Wachtturm Bibel- und Traktatgesellschaft, Deutscher Zweig e.V.") befindet sich in Selters im Taunus. Der Sitz der „Religionsgemeinschaft KdÖR“ ist Berlin.
(variabel, alljährlich jeweils am 14. Tag des 7. Mondmonats Nisan, nach dem jüdischen Kalender,beginnend nach Sonnenuntergang; am Tag vor Pessach)
© Christian Meyer
[1] Zu dieser „Tempelklasse“, die das Abendmahl zu sich nehmen, gehören nur diejenigen Zeugen Jehovas, die bis 1931 den Weg zur Wachturmgesellschaft fanden.
[2] Der sonntägliche Gottesdienst der Zeugen Jehovas besteht aus „Wachturmstudien“ sowie Gebeten und Gesang.
[3] Die deutschen Faschisten verfolgten die Zeugen Jehovas, weil diese sich ihres Glaubens wegen nicht dem NS-Herrschaftssystem anpassten, sich nicht gleichschalten ließen: sie verweigerten z.B. den "Hitler-Gruß", traten nicht in NS-Organisationen ein, lehnten den Antisemitismus sowie die Sakralisierung des Volkes ab und verweigerten den „Dienst“ in der Wehrmacht. Trotz des Verbots und mehrerer Verhaftungswellen gelang es Zeugen Jehovas, ihr Gemeindeleben mehrfach im Untergrund neu zu organisieren: Sogar die Missionstätigkeit konnte aufrechterhalten werden. Viele andere KZ-Opfer bewunderten das Verhalten der inhaftierten Zeugen Jehovas, ihre innere Ausgeglichenheit, Tapferkeit, auffällige Solidarität und Hilfsbereitschaft. Hanns Lilje, Landesbischof der hannoverschen Landeskirche, stellte 1947 fest, dass "… keine christliche Gemeinschaft ... sich mit der Zahl ihrer Blutzeugen auch nur von ferne“ mit den Zeugen Jehovas messen könne.
[4] Tatsächlich wurde das Dogma von Trinität, d.h. die Lehre von der wesenhaften Einheit dreier göttlicher Personen (Vater, Sohn und Heiliger Geist) endgültig erst auf dem Konzil zu Konstantinopel 381 n. Chr. fixiert. Historisch – kritische Theologen gehen seit langem davon aus, dass im Neuen Testament nur geringe Ansätze der Dreieinigkeitsvorstellung zu finden.
Wo triadische Formeln auftauchen werden die drei „Personen“ nebeneinander gestellt, auch sind sie meist spätere Einfügungen, wie z. B. der sog. Taufbefehl: „Darum gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes“ (Matthäus 28, 19).
In den triadischen Formeln des NT ist die Frage der Einheit Gottes noch kein Problem, es wurde dazu erst in den späteren Auseinandersetzungen mit der antiken Philosphie (vgl. Koch, S. 518, a.a.O.).