Ostasiatische Koshin–Nacht, auch Koshin matsuri oder Kanoë-Saru (von Kano-ë „Metall-Licht“ und Saru „Affe“; z.T. wird dem 60-System noch yin und Yang, Licht – „ë“ - und Schatten – „to“ zu einem 120-er-Zyklus hinzugefügt)

 

„Koshin“ (庚申)wird der Tag oder das ganze Jahr genannt, an dem nach den ostasiatischen Tierkreiszeichen das Metall „ko” mit dem Affen (dem neunten Symbol des chinesischen Tierkreiszeichens) zusammenfallen.

Koshin (koh-shin) ist einer der 60 Namen, die im ostasiatischen Lunarkalender jedem Tag und jedem Jahr zugeordnet werden. Nach dem zyklichen System der chinesischen Tierkreiszeichen Eto (eh-toh) werden die Tage und Jahre immer wieder endlos von 1 bis 60 gezählt, wobei zwei Gruppen von Zeichen miteinander kombiniert werden: 12 Tiernamen (wie Affe, Ratte, Tiger, Hase, Drache, Hahn, Schlange, Ochse, Schwein, Pferd, Hund und Schaf) und 5 „Elemente“ [1] („dizhi“, „Erdzweige“: Feuer, Erde, Wasser, Holz, Metall; sie beginnen in der japanischen Kamakura - Terminologie mit „Koh“ und enden mit „Ki“). Koshin ist jeweils der 57. Tag des 60-Tage-Zyklus, die Namensverknüpfung von „Ko“ und „Affe“.

 

Nach chinesisch – taoistischer Vorstellung hat jeder Mensch in seinem Körper drei insektenähnliche Wesen namens „Sanshi( 三尸, oder in Hiraganaさんし,  z.T. auch als die drei Leichenwürmer bezeichnet), die die bösen Taten „ihrer“ Menschen registrieren [2] und in der Koshin–Nacht (jap. Kanoë-Saru) den zuständigen Göttern vermelden. Die schwarzen, grünen und weißen Sanshin verlassen - wenn die Menschen einschlafen - den Körper, steigen nach traditioneller Vorstellung in den Himmel empor zu Ten-Tei, dem Himmelsherrn (der Gottheit des Polarsterns), zu dem buddhistischen Dämon Kongo (oder dem Himmelskaiser bzw. dem shintoistischen Gott Sarudo – Hiko), berichten dort über die Verfehlungen des Menschen, was zu empfindlichen Strafen, auch zu dessen Tod führen kann.  

Deshalb muß die Koshin–Nacht durchwacht werden, damit die Sanshi nicht die Körper verlassen können. An diesem Tag durfte einst weder geheiratet noch ein Kind gezeugt werden (vgl. Ingrid Möller, S. 112, a.a.O.).

In Goyu befindet sich die Koshin – Stupa, sie erinnert an den besonderen Tag, der mit besonderen Riten gefeiert wird.

Dieser Volksglaube entstammt dem chinesischen Taoismus (und Kalender), nicht dem Buddhismus. In Japan eingeführt wurden diese Vorstellungen in der Heian-Periode (794 - 1185) und wurde v.a. in der Aristokratie rasch sehr populär: Man versammelte sich alle sechzig Tage nachts wie zu einer Art nächtlichen Party und unterhielt sich, tauschte Informationen mit Nachbarn und Freunden aus.

Der Brauch, in der Kanoë-Saru – Nacht wach zu bleiben, wurde „Kôshin-Machi" genannt, Kôshin-Warten. In der Heian Ära wurde Kôshin-Machi vor allem in der Aristokratie parktiziert.  

In der Edo-Ära (1603-1867) verbreitete sich Kôshin-Machi auch in weiteren Volksschichten Japans, veränderte allerdings seinen Charakter. Es entstanden zwei Kôshin Wächter-Gottheiten. Eine von ihnen ist Shômen-Kongô, ursprünglich ein Dämon, der Leiden und Krankheiten verursacht.

Warum Shômen-Kongô eine Kôshin–Gottheit wurde, ist unklar, vermutet wird, dass Shômen – Kongô die sanshis krank machen sollte, um sie an ihrem Besuch beim Himmelsgott Ten-Tei zu hindern. Die andere Wächter–Gottheit sind die berühmten drei Affen, die jeweils ihre Augen, Ohren und ihren Mund mit den Händen verschließen und nichts sehen, hören und sprechen.

In Japan werden sie „Mi-zaru“ (nicht sehen), „Iwa-zaru“ (nicht sprechen) und „Kika-zaru“ (nicht hören) genannt. Das japanische Suffix „zaru" (nicht) wurde in Verbindung mit „saru" (jap. Affe) gebracht. Es könnte sein, dass die drei Affen Kôshin–Gottheit wurden, weil man erwartete, dass die sanshis und Ten-Tei durch sie auf Grund eines Abwehrzaubers nichts von den bösen Taten ihrer Eigner hören, sehen und sprechen sollten.

Die drei Affen als gutes Wunsch- und Schutzsymbol symbolisieren zudem mit ihren Gesten den berühmten Ausspruch Buddhas: „Sieh nichts Böses, höre nichts Böses, sprich nichts Böses“, d.h. der Mensch soll seines Karmas wegen nur betrachten, was gut ist, nur hören, was gut ist, nur sprechen, was gut ist (vgl. E. OhnukiTierney, a.a.O.).

 

Das berühmteste Drei-Affen-Motiv (Drei-Affen-Motiv = Sambikisaru, auch Sambiki zaru) befindet sich im japanischen Nikko und wurde im 17.Jahrhundert geschnitzt.Im Mausoleum des Shōgun Tokugawa Ieyasu findet man als Fassadenschnitzerei das Wahrzeichen Nikkōs, die drei Affen, die nichts (böses) sehen, hören und sagen. Nikko Toshogu, Futarasan Jinja, und Rinnoji sind zum Weltkulturerbe erklärt worden.

 

Zudem gab es in Japan einst die Vorstellung, dass ein Mensch, der am Tag von Kanoë-Saru geboren wurde, ein Dieb würde. Verhindert könnte das werden, wenn die Person einen Namen erhielte, der mit Gold oder Geld zusammenhängt. So wurde z.B. der bedeutende japanische Schriftsteller Natsumé Sôseki (1867 – 1916) an einem Kanoë-Saru–Tag geboren; deshalb wurde er Kinnosuké genannt (jap. „Kin" = Gold). Auch dieser Brauch ist im heutigen Japan fast vergessen.

Bis heute gibt es in Japan viele Kôshin-Tô (Kôshin Tempel) und Kôshin-Dzuka (Kôshin -Hügel) mit verschiedensten Shômen-Kongô–Figuren, den drei Affen oder Steinstelen mit den eingravierten Zeichen „Kôshin". Aber die traditionellen Kôshin–Kanoe-Saru-Bräuche sind nahezu verschwunden.

Vor allem nach der Trennung von Shinto und Buddhismus durch die Meiji-Regierung 1872 wurde der Volksglaube als Aberglaube betrachtet, die Kōshin-Traditionen verloren in der Folge an Ansehen und Popularität.

 

Im japanischen  Nara wird Kôshin-matsuri (Nara-machi) bis heute am zweiten Sonntag im März und am 23. November (nach dem Gregorianischen Kalender) gefeiert. Dabei werden aus dem Haushalt zusammengetragene Stoffaffen dem Kôshin-do (Halle für den Gott der Affen-Trinität) geweiht, man bittet um gute Gesundheit, gute Geschäfte und ein gutes Eheleben.


(variabel nach dem ostasiatischen Lunisolarkalender; Koshin-Nächte fallen auf jeweils den 57. Tag des 60-Tage Zyklus, ca. 6mal pro Jahr)

 

 © Christian Meyer



[1] Den Elementen entsprechen auch die altchinesischen 5 Planeten, der Merkur („Wasserstern“), die Venus („Metallstern“), der Mars („Feuerstern“), der Jupiter („Holzstern“) und der Saturn („Erdstern“).

[2] Umgangssprachlich spricht man auch heute in China noch davon, „an die drei Würmer zu denken“ („sān gēng hui chóng“), wenn man jemanden auf die Folgen schlechter Taten aufmerksam machen will.