Abb.: Der Schrein (maqam) von Nebi Musa um 1900; unbekannter Fotograf; (aus Krämer, S. 246, a.a.O.).

Abb.: „Tod des Mose“, Illustration aus Jami' al-tavarikh ( Kompendium der Chronihen) von Rashid al-Din Hamadani (1247 – 1318) (Abb. aus https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Moses_on_his_deathbed.jpg)

 

 

23. – 29. April 2021: Siebentägige Nebi–Musa – Fest (ar. „mausim al-nabi Musa“) in Palästina

 

Nach dem 5. Buch Mose (Deuteronomium) starb der 120jährige Mose (ar. Musa; Nebi Musa Prophet Mose; vgl. Name Mose) und wurde in einem Tal im Lande Moab begraben, d.h. östlich des Jordans, und niemand  kannte den Ort des Grabes (5. Mose/Deut 34:6).

Im Islam hingegen gibt es eine von dem Prophetengefährten  Abu Hurairah (ca. 603– ca. 681) überlieferte Hadith, in der es heißt: „Der Engel des Todes wurde zu Moses gesandt. Als er zu Moses kam, schlug Moses ihm aufs Auge. Der Engel kehrte zu seinem Herrn zurück und sagte: Du hast mich zu einem Sklaven geschickt, der nicht sterben will.' Allah sagte: 'Kehre zu ihm zurück und sage ihm, er soll seine Hand auf den Rücken eines Ochsen legen und für jedes Haar, das darunter kommt, wird ihm ein Jahr Leben gewährt.' Moses sagte: „0 Herr! Was wird danach passieren?' Allah antwortete: 'Dann der Tod.' Moses sagte: 'Lass es jetzt kommen!' Moses bat dann Allah, ihn in der Nähe des Heiligen Landes sterben zu lassen, damit er einen Steinwurf davon entfernt wäre." Dein Leichnam Moses habe dann ein Beduine auf die westliche Seite des Jordans getragen und begraben. Abu Hurairah fügte hinzu: "Allahs Gesandter sagte: 'Wenn ich dort wäre, würde ich dir sein Grab zeigen unterhalb des roten Sandhügels am Straßenrand." (vgl. https://www.alim.org/history/prophet-stories/17/8/ & Ibn Kathir, S. 243, a.a.O.)

 

In einer anderen Überlieferung zum Tode des Musa/Mose wird berichtet: „ Eines Tages wandelte Mose nun an den Hängen des Judäischen Berglandes und sah von dort auf das Land herab, in das nach dem Willen Allahs die Söhne Israels einwandern sollten. Da bemerkte er, wie 4 Männer am Berge, eine Höhle in den Felsen schlugen. Mose ging näher und sah, dass dieses ein Grabmal werden sollte, aber die Männer erklärten ihm, dieses sollte eine Schatzkammer für einen besonders wertvollen Schatz ihres königlichen Herren werden. Nun brannte die Sonne sehr heiß von Himmel, und da war kein Baum, der Mose Schatten zur Ruhe bot. Da bat Mose um die Erlaubnis, in die Hölle eintreten zu dürfen, um sich von der Strapaze der Wanderung zu erholen. Die Männer luden in ein und bereiteten ihm in der tiefsten Ecke der Höhle auf einer Steinbank ein Lager und boten ihm dann noch einen Apfel zur Erfrischung an. Dankend nahm Mose ihn an und biss in die saftige Frucht. Aber kaum hatte er den Bissen im Munde, verfiel er in den ewigen Schlaf. Die Engel aber nahmen seine Seele mit und brachten sie in das Paradies zu Allah, dem großen Erbarmer. Später aber errichtete man über der Stelle ein Kloster, wo heilige Derwische das Grab des Nebi Musa bewachen und alljährlich die Pilger am Grabe des Mose empfangen, um mit ihnen Allah für das Leben des Mose zu danken“ (zit. n. Beltz 1977, S. 123, a.a.O.).

 

 

Der Legende nach soll Saladin im Träume Mose erscheinen sein und ihm den Platz seiner Beerdigung gezeigt habe, wo er auch verehrt werden wolle. Saladin ließ daraufhin dort den Musa-Schrein (maqam) mit dem (leeren) Zenotaph errichten. Seit zumindest ayyubidischer Zeit existiert das Sanktuarium, der Nebi-Musa-Schrein, in dem gleichnamigen kleinen Ort, ca 18 km nordöstlich von Jerusalem, ca. 11 km südlich von Jericho, nahe dem Toten Meer.Schon seit langer Zeit ist Musa Nebi auch als Begräbnisstätte begehrt (vgl. Krämer, S. 245, a.a.O.).

Das Sanktuarium ist heute ein großer, ummauerter Komplex mit 120 Räumen, mehreren Kuppeln und einem Turm. Der Schrein und das (angeblichen) Grab des Propheten Moses ist seit der Mitte des 19. Jhdts. das Ziel einen jährlichen siebentägigen Pilgerfahrt v.a. palästinensischer Muslime (und auch arabischer Christen) von Jerusalem nach Nebi Musa und zurück. In Musa Nebi finden verschiedene Gottesdienste, Gebete, Fasten, Beschneidungen und Rituale statt, oft mit Musik, Gesang und Tanz - ein fröhliches Fest. Zurückgekehrt nach Jerusalem findet am nächsten Tag (dem orthodoxen Karfreitag) eine große Prozession zur Al-Aksa Moschee und dem Felsendom auf dem Tempelberg statt. Am Sonnabend, dem orthodoxen Karsamstag, verlassen die Teilnehmer mit Flaggen und Musik die Stadt. Das Fest bewirkte ein gewisses "überlokales Zusammengehörigkeitsgefühl" (vgl. Krämer, S. 245, a.a.O.). 

 

Im Januar 1919 wurde in Palästina der Inhalt der im November 1917 von der britischen Regierung mit zionistischen Organisationen vereinbarten Balfour-Deklaration bekannt. Darin wurd die Schaffung einer jüdischen "nationalen Heimstätte" in Palästina versprochen. Zwischen 1919 un 1923 kamen weitere 35 000 jüdische Siedler ins Land.  Dagegen kam es zu vielfältigen, anwachsenden Protesten, z.T. unter dem Motto: "Unser Land gehört uns" (Arduna lana). Auch das Nebi-Musa-Fest wurde stärker politisiert.   

 

Im Jahre 1920 fiel das Fest auch mit Pessach zusammen.Einige Pilger führten ein Banner mit der Aufschrift "Palästina ist ein Teil Syriens" [1] mit sich (vgl. Krämer, S. 246, a.a.O.).

Es kam während der Pilgerfahrt zu pogromartigen Übergriffen von Palästinensern gegenüber der jüdischen Bevölkerung Jerusalems. Angestachelt wurden die Teilnehmer durch eine anti-zionistische Rede des jungen Hajj Amin al-Husseini (1897 – 1974), des späteren Groß-Mufti von Jerusalem. Er forderte die Pilger zum Widerstand gegen die britische Balfour-Deklaration auf. Auch zeigte er der Menge in Jerusalem das Bild Faisals und rief, das sei unser König [1].  

Auf dem Wege zur Al-Aksa-Moschee durchquerte der Zug das jüdische Viertel Jerusalems, wo allerdings keine Zionisten, sondern fromme, traditionelle Juden lebten.Stimmungsmäßig angestachelt wurde die Lage durch ein provozierendes Auftreten zionistischer Jugendlicher und Schüsse britischer Soldaten, die die Menge auseinander treiben wollte (vgl. Krämer, S. 246/47, a.a.O.). Unter Parolen wie „Tod den Juden“ oder „Die Regierung ist mit uns“ wurden jüdische Häuser gestürmt, geplündert; es gab 5 jüdische und 4 arabische Tote und hunderte Verletzte.

 

Seit den Osloer Abkommen  (1993, 1995) organisiert die Palästinensische Selbstverwaltung die Wallfahrt, die neben dem traditionell-religiösen auch deutliche politischen Charakter hat. Viele europäische Forscher haten die ganze Wallfahrt für eine erfundene Tradition. Von 1948 bis 1967 unterdrückte die jordanische Regierung die Pilgerfahrt, wegen ihres dezidiert palästinensichen Charakters,

 

Von Nebi Musa aus kann man den Gipfel des Berges Nebo (in Jordanien) sehen, wo nach jüdischer und christlicher Tradition Mose begraben wurde.   

 

[1] Der Haschemit Faisal (1883 - 1933), der Anführer der "arabischen Revolte" im 1. Weltkrieg wurde 1920 in Damaskus zum König von Großsyrien proklamiert und gekrönt. Im Juli 1920 verloren seine Truppen allerdings die Schlcht von Maysalun (westlich von Damaskus) gegen französische Einheiten, der Traum vom großarabischen Königreich war zuende. Faisal wurde aus Syrien ins britische Exil vertrieben; Syrien wurde französisches Mandatsgebiet, die "syrische Option" vieler Palästinenser war vorbei. Palästina wurde britisches Mandatsgebiet.  

 

(obwohl eine muslimische Wallfahrt, richtet sich ihre Datierung nach dem griechisch-orthodoxen Ritualkalender: sie beginnt alljährlich am Freitag vor dem orthodoxen Karfreitag, im Jahre 2021 am 23- April; die Wallfahrt endet am orthodoxen Gründonnerstag, 2021 am 29. April)    

 

© Christian Meyer

Abb.: Der (leere) Zenotaph Moses in dem Schrein zu Nebi Musa (Abb. aus: https://en.wikipedia.org/wiki/Nabi_Musa#/media/File:Grave_Nabi_Musa_045.jpg)