Schon seit längerem gibt es in Deutschland – in der muslimischen Diaspora - Ramazan takvimi – Ramadan-Kalender, mit täglich zu öffnenden Fenstern, analog zum Adventskalender. Dargestellt ist Nasreddin-Hodscha, eine im ganzen Orient beliebte legendäre Figur, die nach verschiedenen Überlieferungen im 13. Jhdt. im türkischen Akşehir (und anderswo) gelebt haben soll. Nasreddin Hodscha wird dargestellt mit einem langen weißen Bart, Turban und umgekehrt auf einem Esel reitend. Die Abb stammt aus der Weihnachtsausstellung der Dahlemer Museen in Berlin (Photo: Karoline Schulz, Dezember 2016)
Islamischer Fastenmonat Ramadan (ar. Ramadhan [1], trk. Ramazan
Das Fasten im Monat Ramadan ist eine der traditionellen „fünf Säulen“ des Islams, außerdem das Glaubensbekenntnis, die täglichen Gebete, die Wallfahrt nach Mekka und die Zahlung der Armensteuer.
Schon in vorislamischer Zeit gab es bei den Arabern eine religiös vorgeschriebene Fastenzeit, deren tatsächliche Durchführung, Verbreitung und Dauer (vielleicht 10 Tage, wie bei den Juden) sind jedoch unklar. Sicher aber ist der Monatsname Ramadan bereits vorislamisch.
Nach islamischer Überlieferung soll der Prophet Muhammad seinen Anhängern in Medina zunächst das Fasten am Aschura–Tag [2] (10. Tag des Mondmonats Muharram) vorgeschrieben haben. Dann erfolgten die koranischen Offenbarungen zum Ramadan:
„Der Monat Ramadan, in welchem der Koran herabgesandt wurde, als eine Leitung für die Menschen und als Zeugnis der Leitung und Unterscheidung – wer von euch den Mond sieht, der beginne das Fasten in ihm. Wer jedoch krank ist oder auf einer Reise, der (faste) eine (gleiche) Anzahl anderer Tage. Allah wünscht es euch leicht und nicht schwer zu machen, und dass ihr die Zahl (der Tage) erfüllt und Allah dafür, dass er euch leitet, preist; und vielleicht seid ihr dankbar. ... Erlaubt ist euch, zur Nacht des Fastens eure Weiber heimzusuchen ... Und esset und trinket, bis ihr einen weißen von einem schwarzen Faden in der Morgenröte unterscheidet. Alsdann haltet streng das Fasten bis zur Nacht und ruhet nicht bei ihnen, sondern verweilet in den Moscheen“ (2. Sure, 181 – 183).
Im Fastenmonat dürfen also gläubige Muslime am Tage nichts essen, nichts trinken, nicht rauchen, keine sexuellen Aktivitäten vollziehen, nicht einmal den Speichel darf man herunterschlucken. Aus diesem Grunde schwimmen bzw. duschen manche Muslime tagsüber in diesem Monat nicht, um nicht aus Versehen etwas Wasser herunterzuschlucken. Ähnliches gilt auch für Zähneputzen und Gurgeln.
Der Fastenmonat gilt nicht für Kranke, schwangere und stillende Frauen, für Reisende und für Kinder vor der Pubertät. Jedoch versuchen immer jüngere Kinder zu fasten, da ihnen damit hohes gesellschaftliches Prestige entgegengebracht wird.
Das Nicht-Einhalten des Ramadan-Fastens gilt als „haram“, als eine schwere Sünde. In einer Hadith (überliefert von An-Nasâ`î (3286), At-Tabarânî (8/157) und Al-Baihaqî (4/216); authentifiziert durch Ibn Chuzaima (1986), Ibn Hibbân (7491) und Al-Hâkim) werden den Muslimen, die das Fastengebot absichtlich übertraten, grausame Höllenstrafen angedroht: Der Prophet habe in einer Art Offenbarung Menschen gesehen, “... die an ihren Achillessehnen aufgehängt und deren Kinnbacken zerrissen waren, so dass aus ihnen das Blut floss. Ich fragte: ‘Wer sind diese Leute?’ Sie sagten: ‘Diese sind jene, die ihr Fasten brachen, bevor es ihnen erlaubt war’".
In einigen islamischen Ländern wird staatlicherseits das Nichteinhalten der Fastengebote sanktioniert. Im Iran kann öffentliches Fastenbrechen mit Peitschenhieben bestraft werden.
Auch Nichtmuslime, die in Saudi-Arabien während des Ramadan tagsüber in der Öffentlichkeit essen, trinken oder rauchen, werden bestraft (vgl. http://www.upi.com/Top_News/World-News/2013/07/09/Saudi-Arabia-threatens-Ramadan-punishment/UPI-78121373377801/).
Noch in den 70er Jahren des 20. Jhdts. war die Praxis des Ramadan-Fastens in Marokko recht liberal, seither wurde der Islam, auch der Ramadan
politisch instrumentalisiert. In Rabat/Marokko kam es 2009 zu polizeilichen Verhaftungen von sechs Jugendlichen, die sich im Ramadan über Facebook zu einem Picknick verabredeten.
Die Geheimpolizei hatte sie abgehört und verhinderte noch auf dem Bahnhof den geplanten Ausflug mit Sandwiches. In der Folge bildete sich in Marokko die MALI („Mouvement alternatif pour les
libertés individuelles“), die sich für eine Entkriminalisierung des Nichtfastens, für die Freiheit des Gewissens und der sexuellen Orientierung und weitergehend für eine Trennung von Religion und
Staat einsetzt. Mitglieder der MALI erhielten beleidigende Anrufe und Morddrohungen, aber auch viele positive Zuwendungen.
In Marokko ist der König nach der Verfassung der oberste Hüter des Glaubens, der Islam ist Staatsreligion. Einerseits garantiert die Verfassung das Recht auf freie Religionsausübung, andererseits droht der § 222 des marokkanischen Strafgesetzbuches all jenen mit Bußgeldern und Haftstrafen bis zu sechs Monaten, die das Ramadan-Fasten öffentlich brechen.
Bis heute muss, wer in Marokko öffentlich gegen das Fastengebot verstößt, mit einer Verhaftung rechnen (vgl. http://www.tagesschau.de/ausland/ramadan-marokko100.html).
Am Abend des 19. Juli 2014 veranstaltete die MALI (gemeinsam mit dem Rat der Ex-Muslime Marokkos) vor dem Parlament in Rabat ein Sit-in zum Internationalen Tag der Missachtung der Fastenregeln (am 20. Juli). Die Proteste richteten sich u.a. gegen den § 222 des marokkanischen StGB. Das Sit-in wurde nach wenigen Minuten von nicht-uniformierter Polizei gewaltsam, mit Beleidigungen und Schlägen aufgelöst.
In Biskra/Algerien wurden 2008 sechs Männer, die das Fastengebot gebrochen hatten, von dem regionalen Gericht zu einer vierjährigen Haft und 1000 € Strafe verurteilt (vgl. http://www.wluml.org/node/4813).
Der gesamte Tagesablauf ändert sich während des Monats Ramadan. Noch in der nächtlichen Dunkelheit, vor Sonnenaufgang geht z.B. in der Türkei v.a. auf dem Lande bis heute oft eine Trommler (trk. davulcu) von Haus zu Haus und weckt gegen eine kleine Spende die Bewohner zum Sahur, dem letzten zulässigen Essen vom Beginn der Fastenstunden. Mit vollem Magen legen sich die Fastenden wieder ins Bett.
Vor allem wenn der Mondmonat Ramadan in die heißen Sommerwochen des Sonnenjahres mit seinen langen Tagesstunden fällt, ist der Verzicht auf das Trinken mühsam. Alle Arbeiten im Fastenmonat lassen sich ruhig an, die Arbeitsproduktivität im Ramadan sinkt in allen muslimisch geprägten Gesellschaften deutlich ab.
Habib Bourgiba (1903–2000), der erste, bis 1987 autoritär regierende Präsident Tunesiens hielt den Ramadan zwar für eine „schöne Tradition“, meinte aber er „paralysiere“ die Gesellschaft und bewirke Stagnation und Dekadenz. Deshalb bekämpfte er öffentlich das Ramadan-Fasten und trank während einer TV-Ansprache 1960 im Ramadan öffentlich und bewusst ein Glas Orangensaft – für viele traditionell fühlende Muslime ein Skandal.
Früher stiegen Geistliche [3] auf die Minaretts oder Anhöhen, um die genaue Zeit des Fastenbrechens bestimmen zu können und durch einen Kanonenschuss zum Beispiel der Allgemeinheit mitzuteilen.
Heute gibt es muslimische Kalender mit entsprechenden Angaben der Fastenzeiten für die jeweiligen Orte (nach ihrer geographischen Breite), auch werden durch Radio und Fernsehen die Nachrichten verbreitet: Jetzt ist Fastenbrechen (iftar) in Erzurum, nun in Erzincan, nun in Ankara etc. Oft ist es so, dass hunderte von Menschen gemeinsam in Restaurants vor den gefüllten Tellern sitzen und auf die Nachricht warten.
Das abendliche Fastenbrechen–Essen (es heißt Iftar) wird oft gemeinsam und feierlich eingenommen. Traditionell wird das Fastenbrechen durch das Verzehren von drei Datteln eingeleitet, so soll es auch der Prophet Muhammad selbst gehalten haben. So ist es kein Wunder, dass im Ramadan die höchsten durchschnittlichen Monatsausgaben für Nahrungsmittel anfallen.
In Jordanien gilt es z.B. als hohe Ehre, zum Iftar an die königliche Tafel geladen zu werden.
Vielfach organisieren wohlhabende Muslime Iftar für die Armen, was als besonders verdienstvoll gilt.
Eine Reihe von besonderen Gebeten sind im Ramadan verbreitet, so zum Fastenbrechen am Abend: „O Allah, um deinetwillen habe ich gefastet, an dich glaube ich, und mit deiner Nahrung breche ich mein Fasten, darum nimm es von mir an. Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen“.
Zum Fastenbrechen als ein Gast eines anderen: „Mögen die Fastenden bei euch ihr Fasten brechen und die Rechtschaffenen eure Speise essen und die Engel um Segen für euch beten. O Allah, segne sie in dem, womit du sie versorgt hast, und vergib ihnen und erbarme dich ihrer“.
Nach dem Essen: „Lob sei Allah, der uns zu essen und zu trinken gibt und uns zu Gottergebenen gemacht hat“ (vgl. Sieg, S. 52, a.a.O.).
Von manchen Sunniten wird im Ramadan jeweils nach dem Nachtgebet (ṣalāt al-ʿišāʾ) in der Moschee das besondere Tarawih-Gebet vollzogen, das ihnen als wichtiger ritueller Teil des Fastenmonats gilt. Zudem wird in den Moscheen innerhalb des Ramadan der gesamte Koran rezitiert. Jeder,der am Tarāwīḥ-Gebet teilnimmt, hört so den gesamten Koran innerhalb des Ramadan.
„Tarāwīḥ“ ist der Plural von ar. tarwīḥa, ≙ „Erholung, Erquickung, Pause“.Seit Jahren schon werden die Tarāwīh-Gebete aus Mekka auch live im Fernsehen mit englischen und französischen Simultanübersetzungen übertragen.
Viele Imame rund um die Welt forderten angesichts der Corona-Pandemie im April 2020 die Gläubigen auf, das besondere abendliche Gebet im Ramadan zu Hause zu vollziehen (vgl. Moosa, S. 11, a.a.O.).
Im Ramadan sind die Minarette der Moscheen festlich beleuchtet. Oft werden in den Moscheen im Fastenmonat Zikr-Rituale
In Ägypten gibt es für den Ramadan spezielle Laternen, die während der ganzen Zeit brennen. Heute kommen sie oft aus China, sie sind billiger.
Der Fastende soll sich im Ramadan besonders gut verhalten, für die Schule interessant ist es, dass der Gebrauch von Schimpfworten im Ramadan verboten ist und das Fasten entwertet.
Als Ziele des Fastens werden von islamischen Theologen angeführt:
· die Übung der Selbstbeherrschung
· die Entwicklung von Mitgefühl mit den Armen und Bedürftigen
· Dankbarkeit für Gottes Gaben
· Erfahrungen von Gemeinschaft beim Fasten und Fastenbrechen
· das Sammeln von spirituellen Erfahrungen im Gebet und bei vertiefter Koran–Lektüre.
Das Fasten im Monat Ramadan wird vielfach zu einem Gemeinschaftsritual, es wird oftmals sozial erzwungen. Es gibt eine große Zahl heuchelnder Nicht-Fastender in allen islamischen Gesellschaften. Wer öffentlich nicht fastet, gilt vielfach als „Abtrünniger“.
Der Prophet Muhammad wusste anscheinend nicht, dass die Tage in den nördlichen Breiten im Sommer immer länger werden, so dass es mit dem Unterscheiden eines weißen und schwarzen Fadens im Juni am Nordkap zum Beispiel auch Mitternachts kein Problem darstellt.
Im Jahre 1024 besuchte eine Gesandtschaft der Wolgabulgaren den Hof Mahmuds von Ghazna (im heutigen Afghanistan). Der Gesandte erzählte beiläufig vom fernen Norden, „... wo im Sommer die Sonne nicht untergeht. Mahmud brauste auf und erklärte dies für Lüge und Ketzerei“ (zit. n. al–Biruni, Vorwort, S. 21, a.a.O.).
Die Reaktion Mahmuds – eines gläubigen Muslims – wird verständlich, wenn man bedenkt, dass zwei der fünf täglichen Pflichtgebete an den Auf- bzw. Untergang der Sonne gebunden sind und im Ramadan Essen und Trinken nur nachts gestattet sind.
Al–Biruni (* 4. September 973 in Kath/Choresm, + am 9. Dezember 1048 in Ghazna), der aus Zentralasien stammende, arabisch schreibende und jahrelang am Hofe Mahmuds arbeitende muslimische Universalgelehrte soll damals interveniert haben, und mit geometrischen Argumenten die Richtigkeit des Berichts des Gesandten bestätigt haben.
In seiner „Geodäsie“ berichtet al–Biruni von den Anwohnern des „Meeres der Waräger“, der Ostsee, und dass sie „... ihre Fahrt in Richtung auf den Himmelsnordpol bis zu einer Stelle fortsetzen, wo die Sonne bei ihrer sommerlichen Wende über dem Horizont kreist. Sie beobachten das und brüsten sich damit bei ihren Leuten, dass sie den Ort erreicht haben, an dem es keine Nacht gibt“ (vgl. Al–Biruni, S. 68, a.a.O.).
In der Praxis lösen fromme Muslime die hier angedeutete Fragestellung pragmatisch durch späteres Nachholen der Fastentage. Ähnliches gilt auch für alle anderen nicht geleisteten Fastentage.
Früher wurden - um das Fasten im Ramadan erträglicher zu gestalten - zur Nachtzeit verschiedene Vorführungen zur Ablenkung veranstaltet, so z.B. in der Türkei Schattenspiele mit Karagöz und Hacivad.
Im Jahre 2013 lebten allein in Schweden ca. 100 000 Muslime, für die in den entsprechenden jahren – je nach nach Breitengrad – maximal wenige Stunden für iftar, Schlafen und sahur bleiben. Deshalb haben doe Vorsitzenden der islamischen Glaubensgemeinschaft in Schweden und auch der Europäisch-Muslimische Glaubensrat sich mit der Fastenfrage beschäftigt: „Astronomen sollen eine Regelung für Pol-nahe Regionen errechnen, um den Gläubigen die Einhaltung des Fastenmonats zu erleichtern“ (zit. n. „Freitag“, Nr. 26, 26. Jumi 2014, S. 24).
In den letzten Jahren ist in den allermeisten muslimisch geprägten Ländern eine Zunahme der Beachtung des Fastengebote im Ramadan zu bemerken. Auch ist die soziale Kontrolle in dieser Hinsicht immer größer geworden. Auch innerhalb der islamischen Diaspora-Gemeinden in der Bundesrepublik nimmt die Beachtung des Ramadanfastens anscheinend zu. Allerdings wächst auch die soziale Kontrolle innerhalb der Gemeinden.
Von allen religiösen islamischen Praktiken erreichte das Fasten im Ramadan bei der Fundamentalismus–Studie von Wilhelm Heitmeyer u.a. deutlich die höchsten Werte (nach der Beschneidung wurde nicht gefragt). Auf die Frage, „Fasten Sie im Ramadan?“ wurde folgendermaßen geantwortet:
mehrere Tage |
nie |
keine Angaben |
|
61,4 % |
25, 1 % |
12, 0 % |
1, 6 % |
(vgl. Heitmeyer, S. 116, a.a.O.).
Heitmeyer resümiert: „Es ist ... nebensächlich, ob es sich um Jüngere oder Ältere, um Jungen oder Mädchen oder um Jugendliche aus niedrigen oder gehobenen Sozialschichten handelt – für sie alle hat die religiöse Tradition der Fastenregeln eine außerordentlich hohe Bedeutung“ (vgl. Heitmeyer, S. 117, a.a.O.).
Immer wieder kommt es zu Abweichungen bei der Errechnung der Fastenzeittermine.
Das “Islamic Crescent Observation Project” (Islamisches Halbmond – Beobachtungsprojekt, ICOP; vgl. www.icoproject.org) wurde 1998 organisiert von „Arab Union for Astronomy and Space Sciences“ (AUASS) und „Jordanian Astronomical Society“ (JAS) als ein weltweites Vorhaben gegründet, in dem mehr als 400 muslimische Gelehrte, Physiker, Mathematiker und Astronomen die Mondphasen beobachten und über die Angelegenheiten des islamischen Ritualkalenders beraten und publizieren.
Die ICOP errechnete auf der Grundlage ihrer Beobachtungen den 10. September 2010 als ersten Tag des Festes des Fastenbrechens und des 10. Monats.
Je nach Mondphase dauert der Ramadan 29 oder 30 Tage. In den meisten muslimischen Ländern begann der Ramadan offizell am 11. August 2010. Deshalb fiel der 29. Fastentag auf den Mittwoch, den 8. September 2010. Zu dieser Zeit ist der Mond in Afrika, Asien und Europa aber noch nicht zu sehen, da er noch vor der Abenddämmerung untergeht. Erst am 9. September sei - nach der ICOP - die Mondsichel im überwiegenden Teil der Welt beobachtbar und markiere damit den letzten Ramadantag. Eid al Fitr begönne damit am Freitag, dem 10. September.
Dagegen legte eine Fatwa des „European Council for Fatwa and Research“ (ECFR) den ersten Fastenbrechentag Eid-al-Fitr auf den Donnerstag den 9. September fest und sind damit in Übereinstimmung mit dem schiitischen Klerus die (außer für Neuseeland und Australien) ebenfalls den 9. September auswählten.
Dagegen bestimmte der „Fiqh Council of North America“ (FCNA) für Nordamerika Freitag, den 10. September als Eid-al-Fitr. Es schien so, dass die meisten Ländern weltweit dem Vorschlag des FCNA als Feiertag folgen.
Im Ramadan 2013 / 1434 war im Irak eine ganze Anschlagserie mit vielen Toten zu beklagen. V.A. in schiitischen Wohngebieten explodierten an Abenden, während des Iftar, wenn besonders viele Menschen in Restaurants und Geschäften sind, immer wieder Bomben. Im Juli 2013 sollen ca. 600 Menschen dabei umgekommen sein (vgl. „Freitag“, Nr. 30/2013, S. 12).
Die Fußballweltmeisterschaften von 1986 und 2014 fielen in den Fastenmonat Ramadan, so dass eine Reihe von Spielern, ja ganze Mannschaften (die Marokkos oder Algeriens) vor der Frage standen, ob sie als Sportler fasten sollten. Auch in der deutschen Nationalmannschaft von 2014 spielten drei Muslime (Mesut Özil, Sami Khedira und Shkodran Mustafi).
Bekannt ist, dass eine ganze Reihe von z.B. algerischen Spielern 2014 in Brasilien fasteten, wobei betont wurde, es würde kein Druck auf sie ausgeübt: Es sei die individuelle Entscheidung, ob sie fasteten.
Unter muslimischen Rechtsgelehrten z.B. in Algerien ist es umstritten, ob Sportler fasten müssten, oder ob sie, wie Reisende oder Menschen mit körperlich anstrengenden Tätigkeiten ihr Fasten verschieben dürften (vgl. „Tagesspiegel“, 29. Juni 2014, S. 31). Hingegen erklärten die türkisch-deutsche DITIB wie auch der Zentralrat der Muslime, selbstverständlich könnten Leistungssportler die Fastentage später nachholen.
In Algerien allerdings, wo der Islam Staatsreligion ist, sollen überführte Fastenbrecher schon mit Gefängnis bestraft worden sein (vgl. www.spiegel.de/.../fussball-islamischer-ramadan ..., 28. Juni 2014).
Bei der WM in Brasilien 2014 waren zwar z.T. die Hitze und die Luftfeuchtigkeit enorm (partiell wurden von den Organisatoren spezielle Trinkpausen während der Spiele organisiert), umgekehrt aber lag die Zeit des Fastenbrechens durch die Nähe zum Äquator relativ früh, ca. um 17.30 Uhr.
Wird die Leistungsfähigkeit von Sportlern durch das Fasten beeinträchtigt?
Im Jahre 1986 kam die fastende marokkanische Nationalmannschaft in der Hitze Mexikos als Gruppensieger ins Achtelfinale. Die Mannschaft Algeriens erreichte 2014 erstmals ein WM-Achtelfinale und schied erst in der Verlängerung gegen Deutschland aus.
Die (medizinischen) Auswirkungen Auswirkungen des Fastens, insbesondere des Trinkverzichts auf die Körperfunktionen sind recht eindeutig: In der brasilianischen Hitze dürften Fußballspieler während der 90 Minuten bis zu 6 Liter Wasser verlieren und die Leistungsfähigkeit begrenzen, Kopfschmerzen, Schwindelgefühle, Ohnmachten und sogar bleibende Schäden könnten auftreten.
Umgekehrt wird von einigen Muslimen betont, dass fastende Sportler besonders motiviert seien und sogar Riesenkräfte entwickeln könnten (vgl. „Tagesspiegel“, 29. Juni 2014, S. 31). Der Ramadan bewirke eine spirituelle und psychologische Stärkung, die Spieler würden „torhungriger“. Gott sei – sozusagen – mit den Fastenden.
(variabel, nach dem muslimischen Mondkalender, 1. Tag des 9. Monats)
Das Fest beginnt, wenn der "neue Mond" (die schmale Mondsichel, ar. hilalm vgl. Abb. unten) den Beginn des zehnten Mondmonats Schawwal anzeigt.
Am ersten Tag des Festes (u.U. auch schon am vorhergehenden Tag) schenken fromme Muslime Armen und Bedürftigen Geld oder Lebensmittel, damit auch sie das Fastenbrechen feiern können. Man wünscht sich „Aitek embarak“ (Gesegnetes Fest) oder „Saha Aitek“ (Gesundheit)
Man besucht Freunde und Verwandte, macht ein Picknick (wenn die Jahreszeit es erlaubt), Kinder erhalten kleine Geschenke, Geld oder Süßigkeiten. Deshalb wird das Fest in der Türkei auch Şeker bayramı, Zuckerfest genannt.
In vielen kurdischen Familien wird zum Cêjnî ramazan morgens zum Frühstück traditionell ein besonderes Gericht, warmer Reis mit Aprikosenkompott gegessen.
Der deutsche Schriftsteller (sowie Ethnologe und Spieleforscher) Michael Roes (* 1960) beschreibt in seinem lesenswerten Roman „Leeres Viertel – Rub’ Al–Khali“ [4] das Spiel „kabsch a’am“ (≙ blindes Schaf), das im Jemen am Ramadan–Ende gespielt wird: „Nur am ende des fastenmonats, zu ’aid, wird As–S’alijah (das gespenst) gespielt, oder besser: aufgeführt. Einem ausgelosten spieler binden die mitspieler das kopffell des zu diesem festtag geschlachteten schafs vor das gesicht. (Liegt an dieser maskierung auch der ursprung des namens kabsch a’am, blindes schaf, für das entsprechende spiel?) Der in dieser weise geblendete versucht, seine mitspieler zu fangen. Jeder von ihm berührte musz sich durch eine geldsumme auslösen. Das gespenst wird nur von erwachsenen männern gespielt“ (vgl. Roes, S. 494, a.a.O., in Kleinschreibung).
Die beiden bedeutendsten muslimischen Feste Aid-es-Seghir (« kleines Fest », Fastenbrechen) und Aid-el-Kebir („Großes Fest“, Opferfest) sind auch in Aïn-el-Hout bei Tlemcen/Algerien die populären Ereignisse, die große Mengen von Pilgern anziehen. Am dritten Tage dieser Feiertage ziehen die religiösen Bruderschaften mit ihren Anhängern aus Tlemcen und Umgebung, mit ihren Bannern, Tamburinen, Kastagnetten und ihren Familien in langen Prozessionszügen zu den Gräbern ihrer Heiligen, so auch zu dem Grab von Sidi Abdallah Ben Mansour (vgl. Abb. Unten) .
Bemerkenswert an diesem Gebäude aus dem 16. Jhdt. ist sein doppelter Zweck, dass es zugleich Moschee mit Kuppel, Mihrab und Gebetssaal und Grabanlage ist. Den Katafalk können Gläubige umrunden. Diese Bauform könnte für ländliche Regionen mit geringer Bevölkerungsdichte gewählt worden sein. Die Osmanen ließen um 1803 das Grab restaurieren.
Bei Tlemcen liegt 8 km nördlich das Dorf Ain el-Hout (≙ Quelle der Fische), in dem sich zahlreihe Heiligengräber (Marabouts) befinden, diese Kubbas bestimmen dort z.T. die Landschaft.
Noch heute sollen in dem Dorf „Benmansour“ leben, Nachkommen des Heiligen, die den Baraka (Segen) geerbt haben sollen und stolz darauf sind. Heute liegt das Dorf nahe der algerischen A1, der Ost-West-Autobahn
Dawiya al-Wassila (5), eine weitgereiste, hochgelehrte islamische Mystikerin, die ca. um 1200 nach Tlemcen kam. Sie fand hier viele Verehrer*innen, die ihr den berberischen Ehrennamen „Lalla Setti“ gaben, was ungefähr „meine Liebe“ bedeutet. Gegen 1220 starb sie in Tlemcen, ihr Grab – Kubba - wurde am Rande des hohen Felsmassivs errichtet, das bis heute Lalla Setti heißt.
Der ca. 1000 m hohe Felsberg , heute mit einer Touristenanlage, ist per Seilbahn erreichbar.Nahebei unterhielt während des Algerienkriegs die Fremdenlegion ein berüchtigtes Gefangenenlager.
Unfruchtbare Frauen begeben sich - vielfach bis heute – zu der als heilig angesehene Quelle im Osten des Dorfes Ain el-Hout. Sieben Mittwoche in Folge trinken sie das dortige Wasser, nach dem sie ihren Gürtel in der Kubba von Lalla Setti deponiert haben. Wie häufig dieses Ritual hilft, wird in den Quellen nicht angegeben.
In der äthiopischen Kaiserzeit (bis 1974) war der Islam – sunnitische Muslime bilden heute ca. die Hälfte der etwa 100 Mio. Äthiopier – eine der Staatsreligion Orthodoxes Christentum nicht gleichrangige Religion. Es gab relative wenige und nicht besonders repräsentative Moscheen. Muslime waren zu höheren Stellungen in Verwaltung und Armee nicht zugelassen.
Nach der Absetzung Kaiser Haile Selassies verlor das Christentum seine privilegierte Position, der Islam wurde staatlicherseits gleichrangig; es wurden viele Moscheen gebaut, z.T. gestiftet von Saudi-Arabien und der Türkei.
Heute ist das Ramadan-Fest (wie das Opferfest und Mevlid) in Äthiopien ein gesetzlicher Feiertag.
In vielen Regionen des Landes ziehen schon morgens zum Ramadan-Fest abertausende Gläubige prozessionsartig durch die teilweise für den Verkehr abgesperrten Straßen zu Festtagsgebeten in die Moscheen, z.T. aber auch der Menschenmassen wegen in die Sportstadien.
Viele Gläubige tragen – der Sonnenstrahlung wegen – ihre Gebetsteppiche auf dem Kopf. Vielfach wird frisch geschnittenes, grünes Gras verkauft, das – aber nicht nur zu dieser Gelegenheit – den Eingangsbereich der Häuser, Moscheen, Restaurants etc. schmückt.
Zum Zuckerfest des Jahres 2019 verteilte die AfD unter anderem in Görlitz an Geflüchtete Postkarten mit dem Text „Syrien vermisst euch“ (vgl. Freitag, 20. Juni 2019, S. 1).
(variabel nach dem muslimischen Mondkalender, an den ersten drei Tagen des zehnten Mondmonats, des Schawwal)
[1] Im Arabischen „Ramadhan“; die ar. Wurzel „r-m-d" bedeutet „sommerliche Hitze“; dieser Monat muss daher in dem vorislamischen Sonnenjahr in den Sommer gefallen sein. Der Ramadan kommt als einziger Monat namentlich im Koran vor, in der Bakara-Sure („Die Kuh", 2. Sure).
[2] Einige Forscher glauben heute den Aschura-Tag als Fastentag mit dem jüdischen Jom–Kippur–Tag (Versöhnungstag) vom Ursprung her gleichsetzen zu können. Nach jüdischer Tradition ist Jom Kippur der letzte der 10 Fastentage und erinnert daran, dass die Juden – nach dem Tanz uns Goldene Kalb – bereuten und fasteten, bis Moses zum zweiten Mal die Zehn Gebote brachte.
[3] Sa’di übte in seinem „Rosengarten“ deutliche Kritik an der oft auch von islamischen Geistlichen geforderten Weltentsagung. Er wies darauf hin, dass ihre Worte oft nicht mit ihren Handlungen übereinstimmen:
„Die Leute lehren sie der Weltentsagen,
indes sie Geld und Korn zusammentragen“ (Sa’di, S. 132, a.a.O.)
Hilal, die schmale Mondsichel
Abb.: André Suréda : „La fête arabe dans la campagne de Tlemcen“, entstanden zwischen 1920 und 1930; Ölgemälde (190 x 230 cm), zurzeit im Musée du quai Branly. (Abb. aus „Le monde“, 6. Februar 2018, S. 21). André Suréda (1872 – 1930) war ein französischer Maler, der sich lange Jahre im westlichen Algerien (insbesondere in Tlemcen, dem « Medina des Maghreb») aufhielt, wurde als orientalisierender Maler bezeichnet. Er stellte auch mehrfach auf Pariser Kolonialausstellungen aus. André Suréda nannte im Titel urprünglich „fête marocaine“. Die lange Reihe der Wallfahrer zieht hinauf zum Marabut de Sidi Abdallah Ben Mansour von Aït-el-Hout (in der Gemeinde Chetouane), das Grabmal des Heiligen erscheint im Hintergrund des Gemäldes auf dem Gipfel des Berges.