Fest des « Vogelkönigs» («Roi de l’Oiseau ») in Le Puy-en-Velay / Haute-Loire
Das Fest geht zurück auf den alten Brauch des Vogelschiessens, der früher in vielen Teilen Europas verbreitet war. In Frankreich verbreitete sich die Sitte, nachdem Karl V. (1338 - 1380) die Schliessung aller « Spielhöllen » befohlen hatte. Das Vogelschiessen bestand daraus, den « papagaï » [1] herunterzuschiessen.
Antoine Furetière (1619 - 1688) beschrieb in seinem grossen Dictionnaire von 1684 den « papagaï » als einen Vogel aus Holz oder Pappe, der am Ende einer Stange befestigt wird, um als Ziel für die Bogen- bzw. Büchsenschützen zu dienen. Wer « den Vogel abgeschossen hatte » (die deutsche Redewendung rührt her von ganz ähnlichen traditionellen Schützenfesten), erhielt einen Preis. In Le Puy wurde er zum «König der Büchsenschützen» proklamiert.
In Le Puy geht das Fest zurück auf das Jahr 1524. In diesem Jahr gestatteten es die Konsuln der Stadt Le Puy den ca. 100 Jahre zuvor gegründeten Bruderschaften der Bogen- und Büchsenschützen « auf Vögel zu schiessen » (vgl. Office de tourisme, S. 3, a.a.O.). Offizielles Ziel war es, unter den Mitgliedern der Brüderschaften, besonders den jüngeren, einen gewissen Wetteifer anzustacheln, sie ausserdem « von der Geilheit und den Tavernen » fernzuhalten und den « tausend anderen Leidenschaften und Liederlichkeiten, denen die Jugend unterworfen ist ».
Das Vogelschiessen wurde damals jedes Jahr am Pfingstmontag veranstaltet.
Zuerst brachte man den Vogel am Tour des Farges, später an der Porte Saint-Gilles an. Der Sieger des Wettbewerbs wurde für ein Jahr zum Vogelkönig erklärt. Während dieses Jahres hatte er das Recht, einen Degen zu tragen, an Prozessionen und städtischen Feierlichkeiten im Rang der Konsuln teilzunehmen. Auch hatte er das Recht, während dieses Jahres eine Schützenabteilung mit einem Tambour zu kommandieren. Man vertraute ihm auch die Schlüssel der Stadt an und er war von der Steuerzahlung befreit. Von der Schützen wurde die Steuerbefreiung jedoch rasch als ein nur geringes Entgelt angesehen, denn die Position eines Vogelkönigs war mit gewissen Kosten verbunden. Die Schützen waren in der Regel verheiratet, die Ausrüstung und die Gewänder waren kostspielig. Vor allem aber war der Vogelkönig (wie die deutschen Schützenkönige) traditionell verpflichtet, alle Getränke während des Wettbewerbs zu bezahlen, sowie einen Imbiss und das Abendessen samt Getränken (vgl. Office de tourisme, S. 3, a.a.O.).
Um eine allseits beliebtes Fest zu erhalten, bewilligten die Konsuln von Le Puy dem Vogelkönig für jeden Wettbewerb die Summe von 10 Pfund, später von 100 Louis d’or.
Mit einigen Unterbrechungen während der Religionskriege blieb die Tradition bis zur Grossen Französischen Revolution erhalten.
In den Statuten der « Herren von Saint-Hubert » von 1770 hiess es im 24. Artikel, dass sich die Herren von Saint-Hubert in jeweils der Pfingstwoche zum traditionellen Vogelschiessen versammeln. Für den Gewinner wurde als Preis ein kleines goldenes Jagdhorn im Werte von 18 Pfund ausgesetzt.
Nach der Revolution, mit der Restauration, fand das traditionelle Vogelschiessen wieder statt, wurde aber allmählich aufgegeben. Auch eine Wiederaufnahme des Vogelschiessens in der Zwischenkriegszeit blieb nur kurzzeitig erfolgreich.
Die alte Tradition wurde 1986 wieder aufgenommen, in dieser Woche lebt die Renaissance in Le Puy wieder auf. Das jetzige Fest des Vogelkönigs wird umrahmt von Ausstellungen, historischen Umzügen, Speisen und Getränken, Vorführungen von Gauklern, Feuerspeiern, Seiltänzern, Marktschreiern, Akrobaten, Jongleuren, Musikern, Tänzern etc. Viele Teilnehmer tragen historische Kostüme, eine spezielle historische Währung, der Patar, wird dazu wieder geprägt. Der eigentliche Wettbewerb, heute nur von Bogenschützen ausgetragen, findet nun auf dem zentral gelegenen Place du Breuil statt.
(veränderlich nach dem Gregorianischen Kalender, immer am zweiten Wochenende des Septembers, vom Freitag zum Sonntag)
© Christian Meyer