Olvenbaum am Golf von Edremit
Olvenbaum am Golf von Edremit

Alter, skurriler Olivenbaum am Golf von Edremit/Türkei (Photo: Christian Meyer; Oktober 2014)

 

Die törichten Jungfrauen
Die törichten Jungfrauen

Die törichten Jungfrauen mit ihren Öllampen am Magdeburger Dom, Paradiesportal der Nordfassade, um 1250 (Photo: Christian Meyer)

100-Lire-Münze
100-Lire-Münze

Eine italienische 100-Lire-Münze, die von 1955 - 1989 im Umlauf war, zeigt die Göttin Minerva (Athene) mit einem kleinen Ölbaum. Die Münze wurde in "R", d.h. Rom geprägt.

 

Ölbaum - Olive

 

Die Namen Öl und Olive stammen etymologisch vom Griechischen, von „ἐλαία“ (elaía) 'Ölbaum, Olive 'und „ἔλαιον“ (élaion) 'Öl'. Die griechischen Begriffe stammen ihrerseits vermutlich aus dem Orient. Das ahdt. „oli“ (8. Jhdt.) 'Öl wurde allerdings aus dem lateinischen entlehnt, von „olum 'Öl'. Vor allem durch die kultischen Bedürfnisse des Christentums (Öl bei der Taufe, Kranken- und letzte Ölung, Priester- und Bischofsweihe) wurde diese Begriffe in die germanischen Sprachen übernommen.

Seit dem 17. Jhdt. wird ‚Öl‘ auch in der Zusammensetzung ‚Erdöl‘ benutzt, seit dem 18. Jhdt auch generell für tierische Fette. Der Begriff „Ölbaum“ wurde bereits ins Ahdt. entlehnt, „oliboum“ (9. Jhdt.).

Der Begriff „Olive“ für die Frucht des Ölbaums wurde vom lat „oliva“ 'Ölbaum, Olive' im 16. Jhdt. übernommen, sie Frabbezeichnung ‚oliv’erst seit dem 19. Jhdt. (vgl. Pfeifer, Bd. II, S. 1199/1200, a.a.O.).

Im Hebräischen heisst die Olive „setum“, im Arabischen „zaitûn“, im Türkischen „zeytin“ und im Armensichen „zeitun“. Auch das Spanische „aceite“ Öl entstammt dem Arabischen.

Der Jerusalemer Ölberg ("Garten Gethsemane" , aram. "Ölkelter") heißt im Arabischen „Dschebel ez-zaitûn“, im Hebräischen „har ha-sétim“, beides bedeutet „Olivenberg“.  

 

Die Herkunft des Ölbaums ist ungewiss, vielfach wurde vermutet, dass die usprüngliche Heimat in Ionien, der Westküste der heutigen Türkei läge (z.B. in Lippert, I. Abteilung, S. 163, a.a.O.). Andere nahmen Syrien und Anatolien als Herkunftsgebiet an. Wildformen des Ölbaums wachsen sowohl im Mittelmeergebiet, im Nahen Osten als auch in Südafrika.

Auf Kreta war die Olive bereits 6000 v. Chr. ein wichtiges Nahrungsmittel. Auch wurde ihr Öl früh als Lichtquelle verwendet, mit Heil- und Duftkräutern versetzt als Medizin und Parfüm. 

 

Die Minoer waren vermutlich die ersten, die vom Olivenöl reich wurden, denn das Öl war eines ihren wichtigsten Exportprodukte, nach u.a. Syrien und Ägypten. 

In der minoischen im Osten Kretas gelegenen Stadt Gournia (gr. „Tränke“, wg. der aufgefunden, in den Boden eingelassenen Viehtränken) fand man aus der jüngeren Palastzeit (1700 – 1450 v. Chr.) eine Art Olivenfabrik. Das Team der US-amerikanischen Archäologin Harriet Boyd (1871 - 1945) grub dort seit 1901 zahlreiche Bronzewerkzeuge aus, sowie Reste von Bottichen, in denen die Oliven ausgepresst und das Öl gereinigt wurde (vgl. Ryans, S. 177, a.a.O.). 

Auch heute noch ist das Olivenöl – nach dem Tourismus – ein wichtiger Wirtschaftszweig Kretas. Es gibt dort mehr als 30 Mio. Olivenbäume auf etwa einem Viertel der Landesfläche, in guten Jahren werden ca. 120 000 t Olivenöl produziert, ungefähr 150 000 Bauern leben auf Kreta v.a. von den Oliven, dem „flüssigen Gold“ (vgl. Pantelouris, S. 78, a.a.O.).  

 

Südlich von Gournia (in der Region Ierapetra, bei Kavousi/Azorias) wächst ein uralter, sehr malerischer Olivenbaum, dessen Wurzelstock nach Jahresringabchätzungen ca. um 1350 – 1100 v. Chr. gepflanzt worden sein dürfte. Allerdings streiten sich mehrere Orte im Mittelemeergebiet darum, den ältesten Ölbaum  der Welt zu beherbergen.  

 

Schon im alten Orient wurde der Olivenbaum und seine Früchte vielfältig genutzt, Oliven und Olivenöl waren ein wichtiges Exportprodukt aus z.B. Israel/Palästina.  

Das Holz des Ölbaums wird mehrfach in der Bibel angesprochen. Im Tempel Salomos wurde die Cherubim, die Pfosten des Allerheiligsten etc. (2. Kön 6, 23, 30 f.) aus Holz des Ölbaums hergestellt. 

Zudem war das Öl als Speiseöl für die Fettzufuhr, zur Herstellung von Salben und Medikamenten sowie als Brennstoff für Öllampen von großer Bedeutung.

 

In dem Gleichnis Jesu von den klugen und den törichten Jungfrauen spielen Öllampen eine zentrale Rolle: „Dann wird das Himmelreich gleich sein zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und gingen aus, dem Bräutigam entgegen. Aber fünf unter ihnen waren töricht, und fünf waren klug. Die törichten nahmen ihre Lampen; aber sie nahmen nicht Öl mit sich. Die klugen aber nahmen Öl in ihren Gefäßen samt ihren Lampen“ (Matth, 25, 1-4).


Schließlich war das Olivenöl für die Opferungen und das Laubhüttenfest von hoher ritueller Bedeutung, und schon seit der Sintfluterzählung und Noah galt der Olivenzweig als Symbol des Heils und des Friedens.
„Da harrte er noch weitere sieben Tage und ließ abermals eine Taube fliegen aus dem Kasten. Die kam zu ihm zur Abendzeit, und siehe, ein Ölblatt hatte sie abgebrochen und trug‘s in ihrem Munde. Da merkte Noah, dass das Gewässer gefallen wäre auf Erden“ (1. Mose, 8, 10-11).

Die Sieger bei den Olympischen Spielen erhielten Ölbaumzweige als Siegeszeichen, Sieger bei den Panathenäen Amphoren mit Olivenöl.

 

Im eigentlichen Griechenland – behauptet der Mythos – wurden Ölbäume zuerst in Athen und der Attika angebaut. Bei der Gründung der Stadt Athen soll es zu einem Wettstreit von Göttern gekommen sein. Derjenige, der der Stadt das bedeutendere, sinnvollere Geschenk machte, sollte gewinnen und Schutzgott der Stadt werden. Der Meeresgott Poseidon soll nach einer Überlieferung der Stadt das Pferd geschenkt, oder auch einen Brunnen, allerdings einen Salzwasserbrunnen. So gewann die Göttin der Weisheit, Athene, die den neu erschaffenen Olivenbaum schenkte und auf dem Burgberg, am Erechtheion pflanzte (vgl. Abb. der italienischen Münze). So wurde die Göttin Schutzpatronin und Namengeberin der Stadt Athen.

Ovid berichtet in seinen „Metamorphosen“ von von einem kunstvollen Gewebe, das den mythischen Wettstreit darstellte: Der Meeresgott „… steht, und den langen Dreizack schlägt er ins raue Gestein; aus der Wunde des Felsens springt eine Welle der See: dies Pfand soll die Stadt ihm gewinnen. Sich aber gibt sie den Schild und die Lanze, geschärft an der Spitze, und auf dem Haupte den Helm; die Brust ist geschützt durch die Aegis. Aber die Erde, so stellt sie es dar, von der Lanze getroffen, lässt einen silbrigen Ölbaum erwachsen: schon trägt er Oliven. Staunend sehen‘s die Götter…“ (Ovid, 1971, VI, 74-82, S. 183, a.a.O.).

 

Von dieser, von der Göttin selbst geschaffenen „Mutterolive“ sollen alle anderen griechischen Ölbäume abstammen. Auch nach der Verbrennung durch die Perser soll der Mutterbaum aus der Wurzel wieder aufgesprossen sein.

Der Ölbaum galt deshalb weithin als ein Symbol für unverwüstliche Verjüngungskraft, „… da aus den in der Erde zurückbleibenden Stumpen wieder neue Stämme herauswachsen, auch wenn er bis zur Wurzel vom Feuer verzehrt wurde“ (Johann Jakob Herzog, Bd. X, S. 546, a.a.O.).


Der Olivenbaum lässt sich sehr gut pfropfen, um den Baum zu veredeln oder seine Fruchtmenge zu erhöhen, denn normalerweise tragen Ölbäume nur alle zwei Jahre Blüten.

Das Bild des veredelten Ölbaums tritt auch in dem Neuen Testament auf: „Ob aber nun etliche von den Zweigen ausgebrochen sind und du, da du ein wilder Ölbaum warst, bist unter sie gepfropft und teilhaftig geworden der Wurzel und des Safts im Ölbaum …“ (Röm, 11, 17).

Im Zusammenhang mit dem kurzen Königtum Abimelechs wird im Alten Testament eine Fabel um eine Königswahl erzählt: „Die Bäume gingen hin, dass sie einen König über sich salbten, und sprachen zum Ölbaum: Sei unser König! Aber der Ölbaum antwortete ihnen: Soll ich meiner Fettigkeit lassen, die beide, Götter und Menschen, an mir preisen, und hingehen, dass ich schwebe über den Bäumen?“ (Richter 9, 8-9).

Der Ölbaum galt den antiken Griechen als heilig, in vielen griechischen Stadtstaaten war es gesetzlich verboten, nur mit einer staatlichen Sondererlaubnis zulässig, Olivenbäume zu fällen (vgl. Irmscher, S. 393, a.a.O.).

Das Holz des wilden Ölbaums verwendete man im homerischen Griechenland wegen seiner großen Härte zur Anfertigung von z.B. Axtstielen. „Aber Atreïdes zog sein Schwert mit silbernen Buckeln und sprang gegen Peisandros, welcher unter dem Schilde eine schöne eherne Axt hervorzog; geglättet war sie, mit einem Stiele von Ölbaumholze versehen“ (Ilias 13, 603-606, S. 260, a.a.O.).  

In der Odyssee erzählt Homer, wie Odysseus die zweifelnde Penelopeia mit dem Wissen um das Geheimnis ihres Ehebettes von seiner Identität überzeugt: „Ein wunderbares Geheimnis war an dem künstlichen Bett; und ich selber baut es, kein anderer! Innerhalb des Gehegs war ein weitumschattender Ölbaum, stark und blühenden Wuchses; der Stamm glich Säulen an Dicke. Rings um diesen erbaut ich von dicht geordneten Steinen unser Ehegemach und wölbte die obere Decke, und verschloss die Pforte mit fest einfugenden Flügeln. Hierauf kappt ich die Äste des weitumschattenden Ölbaums und behaute den Stamm an der Wurzel, glättet ihn ringsum künstlich und schön mit dem Erz und nach dem Maße der Richtschnur; schnitzt ihn zum Fuße des Bettes und bohrt ihn rings mit dem Bohrer, fügete Bohlen daran und baute das zierliche Bette, welches mit Gold und Silber und Elfenbeine geschmückt war; und durchzog es mit Riemen von purpurfarbener Stierhaut“ (Odyssee, XXIII, 188 - 201, S. 261, a. a. O.).

In der Odyssee wird zudem beschrieben, wie die Reichen und Edlen – in diesem Fall Odysseus selbst - Olivenöl - als Luxusgut - zum Salben des Körpers benutzten. „Aber den edelgesinnten Odysseus in seinem Palaste baded Eurynome jetzt, die Schaffnerin, salbte mit Öl ihn, und umhüllt ihm darauf den prächtigen Mantel und Leibrock“ (Odyssee, XXIII,153 -155, S. 260, a. a. O.).

Salben spielten bei der antiken Körperpflege eine große Rolle, so salbte man sich nach dem Baden, vor sportlichen Wettkämpfen; auch die Toten wurden nach der Waschung gesalbt. Häufige Grundlage antiker Salben war Olivenöl, seltener Nuß-, Mandelöl oder Wollfett-Lanolin (vgl. Irmscher, S. 492, a.a.O.).

 

Auch im Koran wird der Ölbaum – ein „gesegneter Baum“ (vgl. Koran, 24, 35, S. 333, a.a.O.) -  mehrfach angesprochen, das beste Olivenöl Arabiens soll aus der Region der Halbinsel Sinai herrühren (vgl. Koran, 23, 20, S. 322, a.a.O.).

Griechische und phönizische Kolonisten brachten den Ölbaum an alle Küsten des ganzen Mittelmeerraumes, später übernahmen die Römer den Anbau und adaptierten den Namen zu „oliva“.

Ägypten bot im eigentlichen Niltal der Bodenbeschaffenheit wegen keine guten Anbaumöglichkeiten für den „heiklen Baum“ (Lippert, I. Abteilung, S. 164, a.a.O.), der eine durchschnittliche Jahrestemperatur von ca. 15 °C benötigt. In Nordafrika liegt die Südgrenze des Anbaus am Atlas-Gebirge, die Nordgrenze des Anbaus in Europa liegt ca. am 46. Breitengrad. Die Olive gedeiht seht gut an felsigen, sonnigen Berghängen, dort bilden sie ganze Wälder.

Der Ölbaum verträgt keine starken Temperaturdifferenzen, auch keine zu hohen Temperaturen und nur wenig Frost.

Die Gefährdung der Ernte und der Ölbäume selbst muss bereits in der Antike in den Anbaugebieten eine weitverbreitete Erfahrung gewesen sein, insbesondere bei einer vorzeitigen Blüte der Olivenbäume. Schon im (nachexilisch entstandenen, ca. 5.-3. Jhdt. Chr.) Buch Hiob wird der Untergang des Gottlosen mit dieser Erscheinung verglichen: „Er wird abgerissen werden wie eine unzeitige Traube vom Weinstock, und wie ein Ölbaum seine Blüte abwirft“ (Hiob 15, 33).

 

In dem (autobiographischen) Roman „Padre Padrone“ von Gavino Ledda (1938) [1]wird unter anderem von einem sardischen Schäfer berichtet, der in jahrelanger Arbeit und finanzieller Belastung versucht einen Olivengarten in den Bergen Sardiniens anzulegen. Die jungen Ölbäumchen sind allerdings noch sehr frostempfindlich: „Doch dann kam der Frost und zerstörte die Illusionen. Der Winter 1956 war sehr mild. Bis Ende Januar blieb es warm. Die sprichwörtliche Trockenheit des ersten Monats im Jahr schien sich in die erste Frühlingswärme verwandelt zu haben. Die Natur erwachte. Die jungen Bäumchen in unserem Olivenhain ließen sich von der Wärme verführen und trieben vor der Zeit. Mitten im Winter standen sich schon voll im Saft: in der Liebe, und wuchsen wie im Frühling. Das Wetter verleitete sie heimtückisch zum Treiben, und sie konnten der Natur gegenüber nicht ungehorsam sein. So kam der Februar. Und er war der Weltuntergang. Eine Polarkälte. Das hatte es früher niemals und später niemals gegeben.

Am 2. Februar frühmorgens wachten wir wie gewohnt auf, um zu melken. Der Sturm heulte und warnte uns schon auf unserem Lager. Draußen war alles weiß. Die Senken waren völlig ausgefüllt und nicht mehr zu sehen: die Bäume weiß. Und die ganze Gegend wirkte wie eine ungewisse Ebene, in der Wald und Hügel verschwunden waren. Wolken von Schnee kamen herunter oder stoben auf, wirbelten durcheinander. Es wehte ein heftiger, schneidender Wind. Die Haut an den Händen riss auf. Man konnte sich kaum aufrecht halten, die Füße versanken im Schnee, und wenn man nicht aufpasste, blieb der schlecht gebundene Schuh unter der Schneedecke. Es schneite, wie es nur konnte. Die Schneeflocken sanken in dichten Wolken herab wie 1945 die Heuschrecken. Die Schafe, die wir zum melken trieben, steckten bis zu den Schultern im Schnee. … Als wir die Schafe gemolken hatten, brachten wir sie ins Tal hinunter. Wir kamen durch den Olivenhain. Der weiße Mantel glitzerte, bewegte sich in Wellen wie ein Meer unter dem Sturm. Die Schneewogen schlugen aneinander, brachen sich. Erhoben sich, tanzten im Wirbel, umschlangen sich, fielen auseinander wie Fluten. So schneite es mehr vom Boden als vom Himmel. Die Schafe wollten nicht mehr weitergehen.

Wie wir so hinter den Schafen durch den Olivenhain kamen, ging Vater, vielleicht unwillkürlich oder weil er eine böse Ahnung hatte, hastig auf ein Bäumchen zu, dass ganz unter dem Schnee begraben war und dessen Zweige bis zum Boden herunterhingen. Er packte es und schüttelte es am Stamm, um es von der eisigen Last zu befreien. Er riss einen Zweig von seinem Kind ab und sah gleich das Verhängnis. Schier außer sich brach er den Zweig an mehreren Stellen, hielt ihn in der Hand wie einen verwundeten Teil seiner selbst: betrachtete ihn genau, um darin zu lesen, krümmte sich schweigend. Und hastig riss er wieder einen Zweig ab und sah wieder nach. Lief auf ein anderes Bäumchen zu. Riss von neuem. Schälte den Zweig und las. Warf ihn schweigend weg. Rannte wie ein Besessener zu einem weiteren Bäumchen. Die gleiche Szene. Er wütete mehr als die Wogen aus Schnee, die von allen Seiten auf ihn einstürmten. Er rannte außer Atem und war dem Weinen nahe, Gesicht und Augen voller Schnee. Fast als hätte er noch einen Schimmer Hoffnung, riss er Zweige von allen Bäumchen ab, die in seiner Nähe standen. Fieberhaft las er immer wieder in ihrer Rinde, fuhr mit seinem schwieligen Daumen darüber, aber er las stets dasselbe. Und von Schmerz gepackt, als wollte er dem Unwetter zeigen, dass er allein das Recht hätte, seine eigenen Kinder umzubringen, riss er ein zweigabliges Bäumchen aus der Erde, rannte damit vor und zurück, als wollte er den Sturm damit schlagen, wie er schon so oft das Vieh geschlagen hatte, das unberechtigt hereingekommen war, oder auch die gewissenlosen Hirten, und schrie in das Heulen des Windes seiner Verzweiflung hinaus.

‘Est tottu mortu! Est tottu mortu! Alles ist tot! Meine Arbeit! Alle unsere Opfer! Alles umsonst. Keine Hoffnung mehr. Mein ganzes Leben hat nur für eine eiskalte Nacht getaucht!‘… Der Frost zerstörte den Olivenhain unbarmherzig und endgültig“ (Ledda, S. 157-160, a. a. O.).

 

Die Oliven wurden in der Antike (wie auch heute noch) in der Erntezeit zwischen September und März (auf der Nordhalbkugel der Erde) meist per Hand gepflückt, oder mit Stöcken abgeschlagen, wobei Tücher oder Plastiknetze unter den Bäumen ausgebreitet werden, um das Auflesen zu erleichtern.

In manchen Anbaugebieten kommen heute aber auch immer stärker maschinelle Erntehilfen zum Einsatz, so pneumatische Kämme oder „Vibroli“, einer Stange mit vibrierenden ca. 20 cm langen Stäbchen.

Im Handel findet man heute grüne, violette, schwarzblaue und geschwärzte Oliven. Die Farbe der Oliven zeigt den Reifegrad an, alle Oliven sind anfangs grün, werden dann violett und schließlich schwarz. Mit der Reife ändert sich auch der Geschmack. Die grünen Oliven sind fester und herber, die schwarzen weicher und haben höhere Magnesium- und Kalzium-Anteile. Da die schwarzen Oliven weich sind, werden sie leicht beim Abschlagen beschädigt.

Geschwärzte Oliven sind grüne Oliven, die künstlich gefärbt wurden. Geschwärzte Oliven haben einen schwarzen Kern, bei violetten und natürlich schwarzen Oliven bleibt der Kern grünbraun.  

 

Olivenöl wird durch Pressung der entkernten Oliven gewonnen. Die Kerne dürfen nicht zerrieben werden, sonst wird das Öl bitter.

Ursprünglich trennte man die Oliven und die Kerne, indem man sie auf einer Tenne mit Holzsandalen austrat. Die Kerne lösten sich von ausgereiften, schwarzblauen Oliven am besten. Die Entkernung der Oliven wurde schon seit dem 4./3. Jhdt. v. Chr. durch die griechische Erfindung des Kollergangs (vgl. Abb.) erleichert, eines Quetschwerks, durch das das Fruchtfleisch ohne Geschädigung der Kerne abgequetscht wurde (vgl. Irmscher, S. 289, a.a.O.).

Mit verschiedenen Pressen (vgl. Abbn.) wurde das entkernte Fruchtfleisch der Oliven entsaftet. Aus ca. 5 Kg Oliven erhält man durchschnittlich 1 l. Öl. Das beste Öl presste man von grünen Früchten, halbreife Oliven aber ergeben die größte Ölmenge. Das beim Pressen zuerst auslaufende ÖL („Jungfernöl“, Extra Vergine, Natives Öl) gilt als das beste. Das zuletzt auslaufende Öl wurde in der Antike als Salböl benutzt, ungenießbares Olivenöl verwendete man zur Beleuchtung.

Als Früchte werden Oliven gegessen nachdem man sie in Essig und Salz oder in Most und Honig eingelegt hatte.

 

Vincent van Gogh beschäftigte sich künstlerisch in der Provence u.a. auch mit den dortigen Olivenbäumen: In einem Brief an seinen Bruder Theo schrieb er: „Die Ölbäume sind sehr charakteristisch, und ich gebe mir große Mühe, das einzufangen. Es ist Silber, das mal ins Blaue, mal ins Grüne spielt, bronzefarben und beinah weiß auf gelbem, rosa, violettem oder orange Boden, der bis zum stumpfroten Ocker geht … Eines Tages mache ich vielleicht etwas ganz Persönliches daraus, wie ich es mit den Sonnenblumen für die gelben Töne gemacht habe.“ (Vincent van Gogh an seinen Bruder Theo, Brief 608, a.a.O.).

 

 

Die größten Olivenölproduzenten (2011)]

Rang

Land

Menge
(in t)

 

Rang

Land

Menge
(in t)

1

 Spanien

1.564.700

9

 Algerien

32.000

2

 Italien

542.100

10

 Argentinien

22.900

3

 Griechenland

351.800

11

 Jordanien

19.447

4

 Syrien

208.329

12

 Palästinensische Autonomiegebiete

18.250

5

 Tunesien

192.600

13

 Libyen

15.000

6

 Türkei

177.900

14

 Libanon

11.300

7

 Marokko

130.000

15

 Israel

8.800

8

 Portugal

83.191

16

 Australien

8.196

 

Welt

3.418.876

 

Die 16 wichtigsten Produzenten stellen gemeinsam ca. 99,1 % der weltweiten Olivenölproduktion; die EU-Staaten allein  erzeugten ca. Dreiviertel der Welternte. Darauf folgten Chile, Frankreich, Ägypten und die USA (vgl. de.wikipedia.org/wiki/Olivenöl).

 

In vielen Gebieten an den Küsten des Mittelmeers sind in den letzten Jahrzehnten Olivenhaine Hotelneubauten, Sommerhäusern etc., in Süditalien einem eingeschleppten Bakterium, aber in der Türkei zum Beispiel auch dem Bergbau oder Kraftwerksbau zum Opfer gefallen.

 

Während immer mehr mediterrane Olivenhaine Bauprojekten wichen, entstand in den 70er Jahre die Mode, den Olivenbaum als Zierpflanze zu verwenden, man entdeckte den landschaftsgärtnerischen Reiz der Olive. Um den touristischen Bewohnern dieser Bauten das „originale" Mittelmeerleben vorzuspiegeln, wurden Areale mit  Olivenbäumen geschmückt.  Auf nicht nur griechischen Golfplätzen, sondern auch in den Gärten vieler nobler Villen rund ums Mittelmeer sind knorrige Olivenbäume als „Deko“ beliebt. Zudem lassen sich Ölbäume selbst im hohen Alter relativ leicht verpflanzen:  Sie haben verhältnismäßig kleine Wurzelballen. Auch wachsen sie nach der Umpflanzung schnell wieder an, wenn der Boden geeignet ist und das Klima stimmt (vgl. http://www.ksta.de/2967650 ©2017).

 

Diese Entwicklung bildet den Hintergrund des spanischen Films „El Olivo“ der Regisseurin Icíar Bollaín aus dem Jahre 2016. In dem Film wird ein 2000jähriger andalusischer Ölbaum für 30 000, - € an eine Düsseldorfer Energiefirma verkauft, die ihn als Symbol für Nachhaltigkeit in ihrem Atrium aufstellt und als Firmenlogo verwendet. 

 

© Christian Meyer



[1] Die eindrucksvolle Verfilmung des Romans durch Paolo und Vittorio Taviani  erhielt 1977 eine Goldene Palme in Cannes.

Griechische 1-Euro-Münze
Griechische 1-Euro-Münze

Auf dem griechischen 1-Euro – Stück ist ein antiker attischer Drachme eingeprägt, oben links mit einem Oliven-Zweig

Abb: Türkisches 25-Lira-Stück (Aluminium) vom 1985, Rechts mit einem Oliven-zweig, Links mit Getreideähren, Rand gerändelt; Französisches 25-Centimes-Stück (Bronze) von 1969, Links mit einem Olivenzweig, Rechts mit einer Getreideähre, Rand glatt

 

Fahne der Vereinten Nationen
Fahne der Vereinten Nationen

Auf der UNO-Fahne sind unter der Weltkugel zwei Ölbaumzweige als Symbol des Friedens zu sehen.

 

Vincent van Gogh: Landschaft mit Olivenbäumen
Vincent van Gogh: Landschaft mit Olivenbäumen

Vincent van Gogh: „Landschaft mit Olivenbäumen“ , 1889; Das Bild befindet sich heute in der Sammlung J. H. Whitney, New York City

Olivenentkernung
Olivenentkernung

 Olivenentkernung (Abb. aus Irmscher, S. 298, a.a.O.)

Olivenpresse
Olivenpresse

Olivenpresse im Museum von Alibeyadası/Türkei, Photo: Christain Meyer, September 2014)

 

Antike Olivenernte
Antike Olivenernte

Antike Olivenernte (Abb. aus Irmscher, S. 393, a.a.O.).

 

 

Antike Olivenpressen
Antike Olivenpressen

Antike Olivenpressen (Abb. aus Irmscher, S. 393, a.a.O.).

 

Abb.: Als Symbol der Hoffnung wachsen Ölweiden aus den Stelen des Gartens des Exils,  Jüdisches Museum Berlin, (Photo: Jens Ziehe)

 

 

Nicht verwandt mit dem Ölbaum, aber phänotypisch ähnlich, sind die Ölweiden  (bot. Elaeagnus),  eine Gattung mit ca. 90 Arten innerhalb der Familie der Ölweidengewächse (Elaeagnaceae).

 

Die weitverbreitete Schmalblättrige Ölweide (bot. Elaeagnus angustifolia) wird in einigen Ländern des Vorderen Orients auch als Kulturpflanze angebaut und gelten als gute Bienenweide.  

 

Die Früchte (Mehlbeere, auch Lotusfrucht) sind essbar, haben eine mehlige Struktur und eine besondere Süße.  Sie sind Quelle einiger wichtiger gesundheitsfördernder Mineralien sowie von Vitamin A, E und C. Klimatisch bedingt tragen die Bäume in Mitteleuropa selten Früchte.

 

Die in Persien Senjed (سنجد) genannten Früchte spielen als Dekoration für das orientalische Neujahrsfest Nouruz – Newroz  eine Rolle. Sie gehören zu den sieben Bestandteilen der traditionellen Neujahrstafel Haft Sin und gelten als Symbole der Liebe und Zuneigung.

 

Für Elaeagnus angustifolia gab es im deutschsprachigen Bereich verschiedene Trivialnamen, so in Schlesien böhmischer Ölbaum und Ölbaum, Olivenzeidel, Paradiesbaum, Russische Olive oder Rächä Weyd in Siebenbürgen (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Schmalbl%C3%A4ttrige_%C3%96lweide).

 

 

Im dem 1999 von Daniel Libeskind errichteten neuen Jüdischen Museum in Berlin (in der Kreuzberger Lindenstraße 9) bildet der „Garten des Exils“ einen architektonisch-symbolischen Schwerpunkt.  

 

In dem außerhalb des eigentlichen Libeskind-Baus liegenden Garten befinden sich 49 (7x7) quadratisch angeordnete Stelen auf einer schiefen Ebene stehend. 48 der Stelen sind mit Erde aus Berlin gefüllt, die zentrale 49. Stele aber mit Erde aus Jerusalem. Aus den Stelen wachsen Ölweiden in den Berliner Himmel, da Oliven das mitteleuropäische Klima nicht vertragen. Die Ölweiden symbolisieren hier die Hoffnung, sie repräsentieren in der Sicht Libeskinds zugleich die Tradition und das Vertrauen auf die Zukunft (vgl. https://www.artatsite.com/Berlin/details/Libeskind-Daniel-Peter-Eisenman-Lindenstrasse-9-Garten-des-Exils-Gesamt-Juedisches-Museum-Berlin.html). 

 

 

 

 

 

 

 

Abb. Ölweiden-Zweig, an der Berliner Philharmonie (Photo: Christian Meyer, Juli 2021)