Der englische Fußballprofi beim Hamburger Sportverein, Kevin Keegan, damals 28 Jahre alt, sollte 1979 als außerirdisches Wesen „Super Kevin“ im Auftrag des Ölkonzerns BP Werbung gegen die Energieverschwendung machen und das Image von BP verbessern; BP war zudem Hauptsponsor des HSV.
Die Comic-Anzeigenserie der Deutschen BP - Titel: "Super Kevin" (Abb. oben) erschien 1979 einige Wochen in verschiedenen west-deutschen Tageszeitungen.
Kevin ist die anglisierte Form des alten irischen Namens Caoimhín. (ausgespr. „kiːvʲiːnʲ“). Der Name besteht aus den irischen Wörtern „caomh“ ≙ „lieb“ und „teuer“ und aus „gin“ ≙ „Geburt“ und „Kind“. Zusammen bedeuten die Namen Kevin und Caoimhín daher „der Anmutige von Geburt an“, „der Hübsche“ oder „der Geliebte“.
Im deutschen Sprachbereich tauchte der Name Kevin seit den 70er Jahren erstmals häufiger auf, so dass er in der Häufigkeitsliste der Namensgebung erschien. Das hatte mehrere Ursachen.
Zum einen spielte zwischen 1977 und 1980 der englische Fußballer Kevin Keegan für den HSV, verbunden mit einer großen Werbekampagne für den „Super Kevin“ (vgl. Abb, oben).
In diesem Zeitraum stieg die Beliebtheit von „Kevin“ deutlich an, von Platz 130 auf Platz 48 im Jahre 1985.
Für einen weiteren Popularitätsschub sorgten vermutlich die auch in Deutschland sehr erfolgreichen Filmkomödien „Kevin – Allein zu Haus“ (1990) und „Kevin – Allein in New York“ (1992) sowie schließlich der US-amerikanische Schauspieler Kevin Costner, der in diesen Jahren internationale Karriere machte.
Von daher - wahrscheinlich - rangierte „Kevin“ zwischen 1990 und 1995 in Deutschland immer unter den 12 beliebtesten Jungennamen, im Jahre 1991 kam er sogar auf Platz 1.
Bis etwa 2004 blieb der Name meist unter den 30 populärsten, um dann ab 2010 wieder steil abzufallen. Heute (2020) werden nur noch sehr wenige
Kinder Kevin genannt – eine Folge des entstandenen Images des Namens. Wie dieses negative Image des Namens entstand, ist jedoch m. E. ungewiss.
Möglich ist, dass Unterschicht-Eltern mit geringerer formaler Bildung sich vielleicht eher von Film, Musik und Fernsehen bei der Namenswahl anregen lassen. Zudem könnte der angelsächsische Klang
und die US-Herkunft des Namens auch bei ostdeutschen Eltern eine Rolle gespielt haben. Schließlich sind die Medien bei der Entstehung und Verstärkung des Negativ-Images von hoher Bedeutung.
Anlässlich der 5. Mainzer-Namenstagung über „Vornamen als soziale Marker“ im September 2015 (vgl. FAZ, 14.9.2015) führte die Namensforscherin und Sprachwissenschaftlerin Damaris Nübling [1] (*1963, Hochschullehrerin in Mainz) aus, es habe eine unreflektierte „Hetzkampagne“, gegen Vornamen wie Kevin und Chantal gegeben. Sie kritisierte die Rhetorik um diese Vornamen als „ganz billige Polemik“.
Jedenfalls entstand das Bild von „Kevin“ als einem leistungsschwachen Kind aus einem sozial schwächeren Umfeld stammend, als Schüler problematisch und störend.
Kinder und Jugendliche aus dem deutschen Sprachraum mit dem Vornamen Kevin waren zeitweise Ziel von herabsetzenden Witzen - aus anderen Ländern ist dies nicht bekannt [2].
Das Schimpfwort „Alpha-Kevin“ [3] war längere Zeit im Internet sehr präsent.
Das Phänomen, dass insbesondere zeitweise oft gegebene, modische, fremdländisch klingende Vornamen später mit negativen Vorurteilen belegt oder Schimpfwortcharakter annehmen, wurde (ironisch??) als Kevinismus (oder Chantalismus) [4] bezeichnet.
Durch die zunehmende soziale Segregation und Segmentierung scheinen sich viele Kevins etc. in sozialen Gruppen zu bewegen, in denen sehr viele entsprechende Namen vorkommen und völlig normal sind. Z.T. sollen die Betroffenen es gar nicht bemerkt haben, dass ihr Name von Angehörigen anderer sozialer Schichten teilweise als abwertend und bildungsfern wahrgenommen wurde.
Im Jahre 2009 wurde eine Studie der Universität Oldenburg zu Vorurteilen von Grundschullehrer*innen veröffentlicht. Hunderten von Lehrkräften aus Niedersachsen wurde online eine fiktive Klassenliste vorgelegt und die Befragten sollten ihre Assoziationen dazu nennen (vgl. Julia Kube, a.a.O.). .
Dabei zeigte sich, dass z.B. gegenüber modischen Namen wie Kevin, Chantal, Cindy, Mandy oder Justin deutliche Vorbehalten bei vielen der befragten Lehrkräfte existierten. Insbesondere Namen mit exotischen Anklängen oder Vorbildern aus der Unterhaltungsindustrie („Kevin allein zu Haus“ etc.) riefen bei manchen Lehrer*innen negative Assoziationen (verhaltensauffällig, frech etc.) hervor (vgl. „Die Zeit“, 18. September 2009; https://www.zeit.de/wissen/2009-9/vorurteile-namen-grundschullehrer?utm_referrer=https%3A%2F%2F). So sei “…Kevin … kein Name, sondern eine Diagnose.“ Die Lehrkräfte ordneten die kleinen Mandys und Kevins ganz bewusst einem bildungsfernen Unterschichtmilieu zu, führte die Erziehungswissenschaftlerin und Studienleiterin Astrid Kaiser (*1948) aus. Ähnliche Erfahrungen mit Modenamen liegen auch aus Ost-Deutschland vor.
Die Gefahr besteht in dem Phänomen der Sich-Selbst-Erfüllenden-Prophezeiung: Erwarte eine Lehrkraft bei einem Schüler schlechte Leistungen, dann könne sich diese gerade wegen dieser Erwartung auch tatsächlich einstellen, wie die Vorurteilsforschung und Erwartungshaltungsforschung belegen.
In der Folge sanken die Vergabedaten dieser Modenamen deutlich ab (vgl. „Tagesspiegel“, 22. September 2020, S. 28).
Dabei lautete ein Refrain im Song des Berliner Kabarett- und Chanson-Duos „Eichhorn und Pigor“: „Die Kevins haun uns raus / Die kenn’ sich überall aus / Denn die sahn schon von klein auf / Die Sendung mit der Maus“.
Unterdessen gibt es aber auch interessante Korrekturen an dem Bild. Nach einer empirischen Untersuchung aus dem Jahr 2012 der Leipziger Sprachwissenschaftlerin Gabriele Rodriguez vom „Namenkundlichen Zentrum“ der Universität Leipzig haben „Kevinismus“-nahe Vornamen (wie „Mandy“, „Peggy“ oder eben „Kevin“) fälschlich ein schlechtes Ansehen. „Namen machen Leute", weiß zwar die Wissenschaftlerin Gabriele Rodriguez, aber Leute verändern sich auch, manchmal schneller als das Image ihres Namens. Sie wertete Statistiken ehemaliger Studenten der Universität Leipzig aus und stellte fest, dass unterdessen auch viele erfolgreiche Absolventen diese Vornamen trugen. Unter den Leipziger Hochschulabsolventen mit dem Vornamen Kevin befanden sich z.B. – partiell promovierte – Chemiker, Theologen und Germanisten (vgl. Rodriguez, a.a.O.).
Bekannte Träger des Namens
· Kevin von Glendalough. irischer Heiliger des 5./6. Jhdts.
· Kevin Kline (* 1947), US-amerikanischer Schauspieler
· Kevin Keegan (* 1951), englischer Fußballspieler (u.a. HSV) und -trainer
· Kevin Spacey Fowler (*1959), US-amerikanischer Schauspieler, Film- und Theaterregisseur („House of Cards“)
· Marc-Kevin Goellner (*1970), deutscher Tennisspieler
· Kevin Schlitte (*1981), deutscher Fußballspieler
· Kevin Nienbauer [5] (*1982), deutscher Journalist und Autor; im Oktober 2020 wurde er Kevin Nienbauer an der FUB mit einer Arbeit über den amazonischen Regenwald promoviert
· Kevin Kuranyi (*1982), deutscher Fußballspieler
· Kevin Stöger (* 1993), österreichischer Fußballspieler
[1] Damaris Nübling ist Mitherausgeberin der vierteljährlich erscheinenden Fachzeitschrift „Beiträge zur Namenforschung“ (BNF).
[2] Zumindest „Kevin“ ist in englischsprachigen Gebieten unbelastet. Allerdings haben andere Namen dort eine ähnliche Konnotation: So „Jack“ oder „Jackass“, sowie „Mick“ und „Dick“. Im spanischen Sprachraum findet man u.a. „Juan“, „Pepe“, „Tito“ und „Cholo“.
[3] Das Kompositum „Alpha-Kevin“ (aus Alpha-Männchen und dem Vornamen Kevin), zur Kennzeichnung eines wenig intelligenten aber laut-auftrumpfenden Jugendlichen, lag noch 2015 bei der Online-Abstimmung für das Jugendwort des Jahres zeitweilig an der Spitze. Um Namensträger nicht zu diskriminieren, wurde Alpha-Kevin schließlich aus der Vorschlagsliste gestrichen.
[4] Aus sprachgeschichtlicher Sicht ist der „Kevinismus“ jedoch nichts Ungewöhnliches. In der Vergangenheit traf dies Schicksal auch Vornamen (oder ihre Kurzformen) wie z.B. Louis, Marie, Emma, Fritz, Horst, Detlef, Uschi, Manni, Ingo und Heini – Namen die unterdessen z.T. wieder angesehen sind.
[5] Vgl. auch Kevin Nienbauer: „Ein Name macht Geschichte“, in: „Freitag“, H. 13/2016
Nicht zufällig wählte der Karikaturist Thomas Plaßmann zur Illustrierung des Zurückbleibens von Schülern aus prekären sozialen Schichten während des Corona-bedingten Home-Learnings einen "Kevin" aus (Abb. aus (Erziehung und Wissenschaft", H. 5/2020, S. 30).