Arabischer und türkischer weiblicher Vorname
Der Name „Rabia“ ist arabischer Herkunft und wurde von den arabischen Ordnungszahlen abgeleitet:
erste (r) = al-auwal , al - ûlâ |
vierte ( r ) = ar–râbi, - a |
zweite (r) = at–thâni, -ya |
fünfte ( r ) = al–châmis, - a |
dritte (r ) = at–thâlith, - a |
sechste ( r ) = as–sâdis, - a |
Der Name „Rabia“ bedeutet also ursprünglich „die Vierte (Tochter)“. In osmanischer Zeit bezeichnete „Rabia“ einen Rang in der Hierarchie der Beamten:
Osmanische Beamtenränge
Rangstufe
Balâ |
balâ = hoch, erhaben, hervorragend; höchste Rangstufe |
Ula evveli |
von arab. „erster“ |
Ula sanisi |
von arab. „zweiter“; weibl. Vn „Saniye“; männl. Vn.: „Sani“ |
Mütemayiz |
entsprechend dem Rang eines Obersten |
Saniye |
|
Salise |
von arab. „dritter“ |
Rabia |
von arab. „vierter“ |
Hamise |
von arab. „fünfter“, entsprechend dem Rang eines Leutnants |
Bekannte Namensträgerinnen: Rabia Khatun (12. / 13. Jhdt.), die Schwester von Salah ed – Din; sie ließ u.a. in Damaskus das wichtige Hanbaliten – Kollegium Sâliha errichten.
Die berühmteste Rabia ist ohne Zweifel Rabia al-Adawiyya al-Qaisiyya (arab. رابعة العدوية القيسية, ca. 717-801 in Basra, auch Rabia von Basra), die vielleicht bekannteste islamische Mystikerin. Vielfach wird sie geradezu als Heilige betrachtet.
Viele der biographischen Elemente Rabias sind legendär.
Sie war die vierte und jüngste Tochter ihrer armen Eltern, die bald nach ihrer Geburt in einer Hungersnot starben. Sie wurde dann wohl von dem Rest ihrer Familie getrennt und später als Waisenkind als Sklavin verkauft. Ihrer außergewöhnlichen Schönheit wegen soll sie für 6 Dirham an ein berühmtes Bordell in Basra verkauft worden sein. Später soll sie dazu geäußert haben, dass Gott sie aber nie als unrein betrachtet habe: Was auch immer geschehe – alles bringe sie näher zu Gott.
Wochenlang soll Rabia nicht geschlafen und die Zeit fastend, betend und meditierend verbracht haben. Schließlich aber soll Rabias Besitzer des Nachts über ihrem Kopf einen hellen Lichtschein bemerkt haben: Das ganze Haus wurde von dem Schein erleuchtet. Erschrocken ließ er die ca. 50jährige Rabia frei.
Sie ging als Sufi in die Abgeschiedenheit der Wüste bei Basra, kehrte dann aber in die Stadt zurück, die sie überhaupt nur zu ihrer Pilgerfahrt nach Mekka verließ. Rabia soll wegen ihrer legendären Schönheit viele Heiratsangebot erhalten, alle aber ausgeschlagen haben. Sie blieb unverheiratet und soll ihr gesamtes weiteres Leben keusch, zölibatär und in Askese verbracht haben. Von daher hatte Rabia von Basra auch keine Nachkommen (vgl. „Encyclopédie de l'Islam“, a.a.O., S. 367-369)
Ihr Ruhm machte sie rasch zum Zentrum eines Kreises von Schülern und anderen Sufis, z.B. dem bedeutenden Gelehrten und Juristen Sufyan at-Thauri (716 – 778).
Rabia von Basra lehrte, dass das Ziel des Glaubens die Liebe zu Gott, v.a. die Liebe zur Schönheit Gottes sei. Wie die meisten Sufis strebte Rabia die mystische Einheit, das Aufgehen in dem Göttlichen.
Ein Rabia zugeschriebenes Gebet lautet: „O Herr, wenn ich Dich aus Angst vor der Hölle liebe, verbrenne mich dort, und wenn ich Dich in der Hoffnung auf das Paradies liebe, schließe mich dort aus, doch wenn ich Dich aus Liebe zu Dir selbst liebe, entziehe mir nicht Deine göttliche Schönheit“ (vgl. Schimmel, 1995/2, S. 21, a.a.O.).
Eines Tages soll Rabia durch die Straßen von Basra mit einem Eimer Wasser in der einen Hand und einer Fackel in der anderen Hand gelaufen sein. Als sie nach der Bedeutung ihres Tuns gefragt wurde, antwortete sie: „Ich will Wasser in die Hölle gießen und Feuer ans Paradies legen, damit diese beiden Schleier verschwinden und niemand mehr Gott aus Furcht vor der Hölle oder in Hoffnung aufs Paradies anbete, sondern nur noch um Seiner ewigen Schönheit willen“ (vgl. Schimmel, 1995/2, S. 21, a.a.O.).
Rabia soll einmal gefragt worden sein: „Liebst Du Gott?“ Sie antwortete: „Ja.“ – „Hasst Du den Teufel?“ Sie antwortete: „Nein. Meine Liebe zu Gott lässt mir keine Zeit, den Teufel zu hassen“ (vgl. www.eslam.de/begriffe/r/rabia_adawiyya.htm).
Rabias Grab in Basra existiert bis heute und ist das Ziel vieler Pilger.
Rabia selbst scheint keine Schriften hinterlassen zu haben. Einige Dichtungen werden ihr zwar zugesprochen, sind aber wohl anonymer Herkunft. Viele Erzählungen über Rabia sind durch die Schriften des berühmten Dichter und Sufi Fariduddin Attar (a.a.O., ca. 1136 - ca. 1220) überliefert.
Auch eine Reihe von Moscheen wurden nach Rabia von Basra benannt, die berühmteste von ihnen liegt im Osten Kairos, im Bezirk Madinat Nasr, Nasr-City (Nasr = Sieg). Seit den 50er, v.a. aber in den 60er Jahren unter Präsident Nasser wurde er als Erweiterung des Stadtteils Heliopolis in Richtung Südosten errichtet.
Madinat Nasr ist eine moderne, großzügige Anlage, sie umfasst ca. 250 km2 und ist damit der größte Bezirk Kairos, und heute dicht bevölkert, ein Kairoer Mittelschichtbezirk.
Dort befinden sich u.a. das Internationale Stadion, das Verteidigungsminsterium, das Panorama des 6. Oktober 1973, das an den kurzzeitigen Durchbruch ägyptischer Truppen durch die israelischen Verteidigungslinien am Suezkanal erinnert. Sadat wurde in Madinat Nasr begraben. Heute ist der Bezirk eine Hochburg der Muslimbrüder.
Eine der großen, angesehenen Moscheen in Madinat Nasr ist die Rabia-al-Adawija-Moschee, an dem gleichnamigen Platz. Zu dem großen, modernen Moschee-Komplex gehören auch ein Krankenhaus und ein Hospital.
In der nach Rabia von Basra benannten Moschee fanden z.B. die Begräbnisfeierlichkeiten für den ermordeten Präsidenten Anwar as-Sadat statt.
In den Wochen nach der Militärintervention gegen den gewählten ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi im Juli 2013 organisierten im Hochsommer 2013 die Muslimbrüder und andere Mursi-Anhänger zu Tauenden auf dem Platz vor der Rabia-al-Adawija-Moschee in Madinat Nasr eines ihrer großen Protestlager. Am 14. August 2013 stürmten Polizei und Armeeeinheiten das Lager. Es gab zu blutigen Auseinandersetzungen und Schießereien, bei denen Ein Reporter der AFP zählte alleine auf dem Rabia-al-Adawija-Platz 124 Tote, Sprecher der Muslimbrüder redeten sogar von mehr als 200 Toten und ca. 5.000 Verletzten. Auch die Moschee wurde bei den Kämpfen weitgehend zerstört.
In der Folge wurde „R4bia“ (von arab. رابعة, Rābiʿa ≙‚vierte‘) vielfach zum Symbol des Widerstands gegen die befürchtete fortdauernde Militärherrschaft in Ägypten. Die Protestierenden verwendeten – auch in „sozialen Netzwerken“ - als Emblem eine schwarze Hand mit vier ausgestreckten Fingern und eingeklapptem Daumen auf gelbem Grund, darunter der Schriftzug „R4bia“ (vgl. Abb. oben). Auf den Demonstrationen wurde z.T. auch nur die Hand mit den ausgestreckten Fingern und dem eingeklappten Daumen gehoben.
Ebenfalls in engem Zusammenhang mit dem Namen Rabia und der Wurzel ر ب ع (r-b-ʿ ≙Vier) hängt die v.a. persische Gedichtform Rubāʿī (arab. „Vierer“, Rubai, Robāʿī, رباعی, Pl. Rubāʿīyāt / Rubaiyat / Robāʿīyāt / رباعيات). Es handelt sich dabei um im 10. Jhdt. entstandene Vierzeiler-Gedichte; die Zeilen haben 10 bis 13 Silben und die Form a a b a oder auch a a a a. Die berühmtesten Rubai stammen von Omar dem Zeltmacher Omar Chayyām / Omar Khayyam.
Dagegen rühren die Monatsbezeichnungen Rabi al-auwal (auch al-awwal oder Rabīʿ I., arab. ربيع الأول, trk. rebiyülevvel) und Rabi al-Akhira (trk.rebiyülhir) für den 3. und 4. Mondmonat im islamischen Ritualkalender von einer anderen, vermutlich älteren Wurzel her. „Rabi" ist wahrscheinlich ein aramäisches Fremdwort mir der Bedeutung „später Regen". Von daher erhielt das arabische „rabi", „rebiî" die Bedeutung „Frühling", „Frühjahr". Die Bedeutung des Monatsnamens entspricht in etwa „Erster Monat des Frühlings“ (vgl. auch http://de.wikipedia.org/wiki/Rabi'_al-awwal).
Al-Biruni allerdings ordnete den Rabi-Monaten ausdrücklich den Herbst (Kharif) als ursprüngliche Jahreszeit zu.
Der Rabi al-awwal erhielt den Beinamen „asch-Scharīf“, „der Edle“. Dieser Monat wird auch der große Geburtsmonat genannt, da in der Nacht vom 11./12. Rebiyülevvel der Prophet Mohammed geboren wurde (vgl. im Interkulturellen Kalender Mevlid kandili).
Der 4. Mondmonat Rabi al-Akhira (auch: Rabīʿ ath-thānī; trk.rebiyülhir; ar. „al-Akhira" = der letzte) wird auch der kleine Geburtsmonat genannt.
© Christian Meyer
Abb. unten.: Rabia von Basra in einer persischen Miniatur